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„Fatal Banal“-Präsident„Jetzt müssen wir uns auch noch unser eigenes Grab graben“

Lesezeit 4 Minuten

Der vorerst letzte Auftritt des „Fatal Banal“-Ensembles fand 2019 statt.

  1. „Fatal Banal“-Präsident Christoph Stubbe spricht über die Folgen der Pandemie für den Karneval.
  2. Er geht davon aus, dass der alternative Karneval stirbt, wenn es keine Hilfe gibt.

Neben Karnevalssitzungen werden jetzt auch immer mehr Umzüge abgesagt. Christoph Stubbe (60) ist Sitzungspräsident der alternativen Karnevalssitzung „Fatal Banal“ in Köln. Beruflich engagiert er sich als Erziehungsberater bei der Stadt Pulheim. Elke Petrasch-Brucher sprach mit ihm über die zweite Absage des Sitzungskarnevals.

Herr Stubbe, Anfang 2020, als die Bedrohung durch Corona noch nicht absehbar war, sagten Sie: „Über Corona machen wir keine Witze. Wer weiß, wie viele Menschen sterben werden.“ Was sagen Sie heute?

Damals war uns nicht klar, wie wertvoll das ist, was wir haben. Unsere Gesundheit, unser gewohnter Alltag, die Kultur. Dann kam Corona in unser aller Leben. Letztes Jahr mussten wir wegen der Pandemie alle „Fatal Banal“-Sitzungen absagen. Wir haben stattdessen Youtube-Videos produziert, um unsere Fans und auch uns selbst bei Laune zu halten.

Sitzungspräsident Christoph Stubbe hofft auf finanzielle Hilfe und die Session 2022/23.

Aber dieses Jahr wollten wir eigentlich unser 30-jähriges Bühnen-Jubiläum feiern, in drei Wochen sollte Premiere sein. Wir haben Geschichten und Lieder aus all den Jahren vorbereitet. Aus der Zeit, als wir, allesamt Sozialarbeiter, beschlossen hatten, gemeinsam alternativen Karneval zu machen. Seit 30 Jahren bin ich nun schon der Präsi der Truppe, aber die Situation jetzt ist wirklich schwer zu ertragen, sie ist bitter und traurig zugleich. Der Karneval hat nichts zu lachen.

Was dachten Sie, als am 14. Dezember die Aufforderung der offiziellen Karnevalsverbände und der Landesregierung kam, den Sitzungskarneval abzusagen?

Zunächst dachte ich, Totengräber Christoph Kuckelkorn kennt sich ja gut damit aus, Projekte zu Grabe zu tragen. Und Ministerpräsident Wüst verwüstet unseren Karneval. Wir alle wurden plötzlich aus dem karnevalistischen Leben gerissen. Aber im Ernst, wir kritisieren, dass die Herrschaften nicht den Arsch in der Hose haben, das Ganze klar zu verbieten. Dann hätten wir ganz andere Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Jetzt müssen wir uns auch noch unser eigenes Grab selbst graben.

Wie war „Fatal Banal“ auf die aktuelle Corona-Lage vorbereitet?

Wir hatten, lange bevor die Ansagen aus der Politik kamen, 2G-plus verabredet. Die Gesundheit aller hatte für uns immer allerhöchste Priorität. Alle Tickets, die verkauft wurden, sind personalisiert. Dann sind wir in die Abenteuerhalle Kalk umgezogen, eine Halle mit riesiger Deckenhöhe. Dort gibt es auch eine gute Lüftungsanlage. Aber jetzt mussten auch wir schweren Herzens die Reißleine ziehen, um die Kosten nicht noch mehr in die Höhe zu treiben. Die Leute sind verunsichert, da kann man nicht planen.

Wie sieht es mit dem diesjährigen Programm aus? Das war ja sicher schon längst fertig . . .

Ja, das können wir nun auch in die Tonne kloppen. Zum Beispiel die Geschichte mit den drei Ampelmännchen von der neuen Koalition. Oder die Bewegungsnummer über den Homeoffice-Wahnsinn – Laptop auf, Laptop zu, Ton ist weg . . . Der Sketch von Herpes und Grippe, die ihre Arbeitslosigkeit beklagen. Oder meine Lieblingsnummer, die Antwort des deutschen Schlagers auf Corona. „Egoist“ von Falco zum Beispiel für Impfverweigerer.

Neben den ideellen Werten, die durch die Pandemiefolgen verloren gehen, können Sie den finanziellen Schaden schon abschätzen?

Unsere Lage wird immer dramatischer. Allein die Anmietung der Abenteuerhalle Kalk kostete 30.000 Euro. Der Bühnenbau, die Kostüme, die Technik, die Kapelle Kalk, unsere neue Hausband, das muss alles trotzdem finanziert werden. Und während wir Sozialarbeiter zum Glück noch einen anderen Job haben, der unser Einkommen sichert, lebt jeder dritte im Team von der Kunst. Regie, Regieassistent, die Techniker zum Beispiel. Diese Ausfallkosten kriegen wir nicht allein gestemmt.

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Schon gekaufte Karten werden rückerstattet, man kann auch einen Teil des Geldes spenden. Ob und in welcher Höhe es Ausfallentschädigungen von Bund und Land gibt, ist ja noch unsicher. Ich sage ganz klar, wenn es keine Hilfe gibt, ist der alternative Karneval tot. Da sind wir nicht die einzigen, auch die traditionellen kleinen Karnevalsvereine kämpfen ja ums Überleben. Das Vereinsleben droht auszusterben.

Düstere Perspektiven für den Karneval. Wie motivieren Sie und das Ensemble von „Fatal Banal“ sich trotz allem für die Zukunft?

Mit der Unterstützung unserer Fans wollen wir „Fatal Banal“ unbedingt am Leben erhalten. Wir lieben es, auf der Bühne zu stehen und zu spielen. Ich sage mal so: Auch unsere Hoffnung stirbt zuletzt. Auf die nächste Session!