AboAbonnieren

OrgelbauPulheimer ist von der Verbindung zwischen Klangwelt und Handwerk fasziniert

Lesezeit 4 Minuten
Der Orgelbauer in seiner Werkstatt, er steht vor einem Gestell mit mehreren Pfeifen.

Auf der Intonierlade, die in seiner Werkstatt steht, bearbeitet Orgelbauer Björn-Daniel Reich Orgelpfeifen.

Björn-Daniel Reich baut Orgeln ab und an einem anderen Ort wieder auf, er saniert, modernisiert, reinigt und gestaltet sie klanglich um.

Der Job hat es in sich. Er arbeitet in mehreren Metern Höhe, auf engstem Raum, umgeben von Staub, Schmutz. Er braucht Kraft, um schwerste Gehäuseteile oder meterhohe Pfeifen zu bewegen, aber auch Geschick und Fingerspitzengefühl, weil winzig kleine Teilchen an oft nur schwer zu erreichenden Stellen platziert oder mechanische Verbindungen reguliert werden müssen.

Doch genau diese Vielfalt, „die Verbindung zwischen Klangwelt und Handwerk“ ist es, die den Orgelbauer Björn-Daniel Reich fasziniert. „Jede Orgel, jeder Raum ist anders.“ Man sei immer zu anderen Orten unterwegs. „Die Bandbreite ist riesig. Sie reicht von allerfeinster handwerklicher Bearbeitung bis fast schon zu Handwerkskunst“, schwärmt der 49 Jahre alte Familienvater.

Pulheim: Orgelbau ist Teamarbeit

Erfunden wurden die Orgel, der Orgelbau und die Orgelmusik vor mehr als 2000 Jahren im hellenistischen Ägypten. Über Byzanz gelangten sie nach Europa, seit dem Mittelalter sind sie vor allem in Deutschland weiter entwickelt worden. Orgelbau, seit 2017 immaterielles Kulturerbe, sei immer Teamarbeit. „Mein Mitarbeiter, ein gelernter Orgelbauer, und ich arbeiten in einem Netzwerk mit vielen Orgelbauern zusammen.

Geht es ans Intonieren, sitzt in der Regel Willi Menne, ein sehr erfahrener Kollege, am Spieltisch. „Wir sind seit Jahren ein tolles Team. Er hört heraus, ob die Töne den gewünschten Klangcharakter haben, ob der Ton wackelt, ob die Lautstärke stimmt, ob es Nebengeräusche gibt oder ob der Ton zu spät kommt. Ich kann, wenn ich oben an der Pfeife stehe, ganz schlecht einschätzen, wie der Ton unten in der Kirche klingt.“

Der Orgelbauer Björn-Daniel Reich kniet auf einem meterhohen Gerüst, er bearbeitet die Pfeifen.

Orgelbauer Björn-Daniel Reich 2023 in der Pfarrkirche St. Hubertus. Dort hat er die Orgel aus den 1880er-Jahren renoviert und erweitert.

Er justiere dann die Pfeife, indem er den Pfeifenmund vergrößere oder verkleinere oder das Metall so verbiege, dass sie genauso klinge, wie er es möchte. „Dafür habe ich eine Sammlung an Spezialwerkzeugen, die ich zum Teil selber gebaut habe, weil es sie so auf dem freien Markt nicht gibt.“ Da die meisten Orgeln mehrere Tausend Pfeifen haben, kann das Intonieren dauern.

Gleiche Lautstärke, gleiche Klangfarbe, möglichst wenige Nebengeräusche

In vielen Fällen erledigt Björn-Daniel Reich die Grundbearbeitung schon in seiner Werkstatt – auf der Intonierlade. „Ich bearbeite die Register (gemeint ist eine Pfeifenreihe mit der gleichen Klangfarbe, aber unterschiedlichen Tonhöhen) so, dass sie die gleiche Lautstärke, die gleiche Klangfarbe, möglichst wenige oder gar keine Nebengeräusche haben. Das spätere Feintuning in der Kirche erspart dies aber nicht.“

Ein Orgelbauer müsse nicht zwingend Orgel spielen können. „Aber er sollte in jedem Fall ein Gefühl für den Klang haben, man muss wissen, welcher musikalische Stil welche Klänge haben muss und wie die Disposition einer Orgel sein soll, also wie der Klangaufbau ist. Ich kann nicht nur eine Sorte Register einbauen, es muss immer ein vernünftiger Mix sein. Orgelklänge haben sich im Laufe der Zeit verändert.“ Da Orgelbau so umfangreich sei, könne man den Beruf ergreifen, ohne das Instrument spielen zu können. „Man kann sich beispielsweise nur mit Holzarbeiten, Pfeifen- oder Spieltischbau beschäftigen.“

Werkzeuge liegen auf einer Holzfläche.

Der Orgelbauer Björn-Daniel Reich hat eine Sammlung an Spezialwerkzeugen, die er zum Teil selber gebaut hat, weil es sich so auf dem freien Markt nicht gibt.

Reich hat mit zehn Jahren „eher widerborstig“ angefangen Orgel zu spielen. „Als ich 14 war wurde eine Vertretung für die Kirchenmusikerin gesucht. Ich durfte in Gottesdiensten spielen, das war der Wendepunkt. Ich saß allein an dem Instrument, konnte alles spielen, von sehr zarten Klängen bis hin zum Donnergrollen. Das hat eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt.“

Orgelbauer aus Pulheim entschied sich nach Ausbildung zur Selbstständigkeit

Ein paar Jahre später – er war 15 oder 16 – musste das Instrument repariert werden. „Ich durfte den Orgelbauer begleiten, durfte in die Orgel steigen, dahin, wo sonst niemand hinkommt. Da standen Sachen, die ich vorher noch nie gesehen hatte.“ Der Funke der Begeisterung war übergesprungen – er wusste, „ich möchte Orgelbauer werden“.

Schon die Werkstattbesichtigung vor der Ausbildung war beeindruckend
Björn-Daniel Reich, Orgelbauer

Da ihm nach dem Abi nichts Besseres eingefallen sei – das sagt er mit einem Augenzwinkern – habe er eine Ausbildung bei Orgelbau Klais in Bonn gemacht. „Die dreieinhalb Jahre waren ein Schlüsselerlebnis. Schon die Werkstattbesichtigung vor der Ausbildung war beeindruckend.“ Nach zehn Jahren bei Klais und einem weiteren Jahr im Cembalobau habe er entschieden, sich selbstständig zu machen.

Im Januar 2006 hat Reich seinen Betrieb „TastenReich Orgelbau“ in Köln eröffnet. Seit dem Sommer 2011 ist der Betrieb in Geyen. „Ich setze Orgeln um, also ich baue sie ab und an einem anderen Ort wieder auf, ich saniere, modernisiere, reinige, erweitere sie, indem ich ein oder mehrere Register hinzufüge, und gestalte sie klanglich um.“

Wer eine Kostprobe hören möchte, hat dazu in mehreren Kirchen in Pulheim die Möglichkeit. In St. Cornelius Geyen hat er eine neue Orgel gebaut, „mit überwiegend gebrauchten Teilen“. In St. Hubertus Sinnersdorf hat er das Instrument an den ursprünglichen Zustand, sprich an ein romantisches Klangbild, angenähert.

Bereut hat er seine Berufswahl nie, auch wenn man derzeit nicht wisse, wie es mit dem Orgelbau, einem Berufsstand, der stark von der Kirche abhängig sei und dem der Nachwuchs fehle, weitergehe. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es immer irgendwie weitergeht. Ich bin ein optimistischer Mensch. Es war genau die richtige Entscheidung.“