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GedenkfeiernErinnerung an jüdische Opfer der Pogromnacht im Rhein-Erft-Kreis wachgehalten

Lesezeit 3 Minuten
Das Foto zeigt eine große Gruppe von Menschen vor einem Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof in Stommeln.

Der stille Spaziergang durch Stommeln führte die mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch zum jüdischen Friedhof.

Am 9. November 1938 brannten Synagogen und jüdische Geschäfte, viele Menschen verloren ihr Leben. Daran wurde auch im Rhein-Erft-Kreis erinnert.

Dass sie sich lautstark, bunt und fröhlich für Demokratie, Vielfalt und Menschlichkeit und gegen Rechtsextremismus einsetzen kann, hat die rührige Initiative „Pulheim zeigt sich“ bei zwei großen Kundgebungen im Januar und im Juni bereits eindrucksvoll bewiesen.

Bei ihrer dritten Veranstaltung ließ es die Gruppe aus gegebenem Anlass nun bewusst deutlich ruhiger, aber umso bewegender angehen. Ihr „stiller Spaziergang“ in Gedenken an die Opfer der schrecklichen Pogromnacht vom 9. November 1938 führte am Samstagnachmittag durch Stommeln zu neun lokalen Schauplätzen des von Nationalsozialisten vernichteten jüdischen Lebens im Ort.

Stilles Gedenken an den früheren Orten jüdischen Lebens in Stommeln

Als Sprecher von „Pulheim zeigt sich“ begrüßte Wolf Keßler die rund 120 auf dem Marktplatz versammelten Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur ganz kurz. Auf Reden, Mikrofone und Lautsprecher wurde verzichtet. Stattdessen spazierte man gemeinsam zu durch Stolpersteine gekennzeichneten Stommelner Häusern, in denen einst jüdische Familie gelebt haben, und verharrte dort für einige Minuten in stillem Gedenken.

Auf der Route lag beispielsweise das Haus der Familie Heymann, die enttäuscht von der wachsenden Judenfeindlichkeit schon Mitte der 1930er-Jahre nach Palästina ausgewandert war. Andere, die länger blieben, kostete es später ihr Leben. Die Familien Stock und Moses aus der Nettegasse, die Heidts vom Berlich und andere verloren viele Angehörige in den Konzentrationslagern in Auschwitz, Theresienstadt oder Sobibor.

Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof erinnert an die Opfer

Station machte man auch an der ehemaligen Synagoge im Ortskern. In der Pogromnacht wollten SA-Leute das zu diesem Zeitpunkt von der kleinen jüdischen Gemeinde schon nicht mehr genutzte Gotteshaus niederbrennen. Der Landwirt, der das Gebäude erworben hatte, konnte sie davon abhalten. Der Mob zog weiter zum jüdischen Friedhof und zerstörte dort viele Grabsteine. Ein Gedenkstein erinnert dort bis heute an das schreckliche Geschehen und die jüdischen Opfer.

Die Organisatoren verknüpften das Gedenken auf kreative Weise mit detaillierten Informationen über die jüdische Geschichte in Stommeln. So konnte man an jeder Station einen QR-Code scannen und fand dann auf dem Smartphone erläuternde Texte und Bilder zu den einzelnen Schauplätzen. Die Informationen stammten aus dem lesenswerten Buch „Auf jüdischen Spuren in Pulheim-Stommeln“ des renommierten Heimatforschers Josef Wißkirchen.

Die Herangehensweise von „Pulheim zeigt sich“ stieß auf viel Lob. „Ich wusste bis heute ehrlich gesagt kaum etwas über die Schicksale der Juden in Stommeln“, sagte eine Teilnehmerin nach dem Spaziergang, „es war ein ergreifender Nachmittag, bei dem ich auch ohne große Ansprachen viel gelernt habe.“

Kerpener Schüler trugen bewegende Texte vor

Wie in jedem Jahr richtete die Stadt Kerpen eine Gedenkfeier am Holocaust-Mahnmal in Kerpen aus. Bürgermeister Dieter Spürck betonte, dass diese brutalen Übergriffe sich vor aller Augen abspielten. Er verwies darauf, dass auch heute wieder antisemitische Strömungen zunehmen. Gerade heute sei es wichtig, sich zu erinnern. Er zitierte den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, der kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Das Foto zeigt eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern auf einer Bühne. Eine Schülerin hält eine Collage von Bildern in den Händen.

Schülerinnen und Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule berichteten von ihren Eindrücken bei einem Auschwitz-Besuch.

Schülerinnen und Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule trugen bewegende Texte vor. Sie hatten die Stadt Oswiecim in Polen besucht, und dort das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz. Ihre persönlichen Eindrücke gingen sehr zu Herzen und gaben die Hoffnung, dass die Jugend bereit ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Ein Musikensemble und der Leitung von Ralph Paland spielte Stücke jüdischer Komponisten, darunter „Dos Kelbl“ und das traurig-schöne Schlaflied von Ilse Weber „Vigala“. Sie wurde in Auschwitz ermordet.

In der evangelischen Johanneskirche im Kerpener Filzengraben wurde der Beweis erbracht, dass die musikalische Kultur dieser Welt und auch Deutschlands ohne jüdische Komponisten nicht dieselbe wäre. Das Trio Maria Kapuscinska, Violine, Martin Rümmler, Klarinette, Herbert Vietor, Klavier, spielte Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Fritz Kreisler, Reynaldo Hahn, Leonard Bernstein, George Gershwin, John Williams, sowie Klezmerstücke. Ein musikalischer Genuss in dunkler Zeit.