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Klage gegen Österreich52-jähriger Pulheimer stirbt nach Corona-Infektion in Ischgl

Lesezeit 4 Minuten

Der weltberühmte Skiort Ischgl im Tiroler Paznauntal wurde zum Hotspot für die Verbreitung des Coronavirus. Nun müssen Verantwortliche, die Gemeinde und Politiker mit Klagen rechnen.

  1. Tausende Urlauber haben sich im Frühjahr im Tiroler Skiort Ischgl mit dem Coronavirus infiziert.
  2. Darunter ist auch Rudi Lempik. Wochen nach der Corona-Infektion stirbt der 52-Jährige in der Uniklinik Köln.
  3. Seine Freundin macht den Behörden schwere Vorwürfe und unterstützt nun die Klage gegen Österreich.

Rhein-Erft-Kreis – Tausende Urlauber haben sich im Frühjahr im Tiroler Skiort Ischgl mit dem Coronavirus infiziert. 32 sind nach Angaben des österreichischen Verbraucherschutzvereins (VSV) bislang an den Folgen gestorben. Die Ereignisse im Hotspot Ischgl haben nun ein juristisches Nachspiel. Am Mittwoch hat der VSV beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die ersten vier Klagen gegen die Republik Österreich eingereicht.

Der Verein wirft den Behörden in Tirol und den verantwortlichen Politikern auf Bundesebene schwere Fehler beim Pandemie-Management in den Tiroler Skigebieten im Februar und März vor. Mehr als 6000 Betroffene aus 45 Ländern hätten sich beim VSV gemeldet, sagt Obmann Dr. Peter Kolba.

Den Betroffenen geht es nicht ums Geld

Auch Dörte Sittig macht Schadenersatz geltend. „Das muss Konsequenzen haben“, sagt die 56 Jahre alte Bremerin. Ihr Lebensgefährte, der Pulheimer Rudi Lempik, hatte sich im März im Skiurlaub mit Freunden in Ischgl mit dem Virus infiziert. Am 16. April ist er in der Uniklinik Köln gestorben. Nach Wochen des Bangens und Hoffens. Bis zu seinem letzten Atemzug war Sittig bei ihm. „Meine Hand lag auf seiner Brust.“ Sie habe gespürt, wie sein Herz aufgehört habe zu schlagen. „Das war der härteste Weg aller Zeiten.“ Rudi Lempik wurde 52 Jahre alt.

Es gehe ihr nicht ums Geld, „das ist nicht mein Beweggrund“, sagt die Innenausstatterin, die der Liebe wegen ihren Zweitwohnsitz nach Pulheim verlegt hat und in den vergangenen fünf Jahren zwischen Pulheim und Bremen gependelt ist. Sie erwarte, dass die Landesregierung in Tirol, aber auch Kanzler Sebastian Kurz endlich Fehler eingestehen. Sie sei wütend, enttäuscht und traurig, dass von der Regierung lediglich zu hören sei, der Skiurlaub im nächsten Jahr werde anders.

Gefahr wurde zu lange ignoriert

„Ich kann das nicht verstehen, die Verantwortlichen haben nichts gemacht.“ Sie hätten die Urlauber weiter einreisen lassen, obwohl es schon Informationen über infizierte Ischgl-Rückkehrer gegeben habe. „Ischgl war ein Hotspot. Die Regierung hätte viel früher einen Schlussstrich ziehen müssen.“ Dann hätte sich das Virus wohl nicht so rasant in so vielen Ländern verbreiten können, vermutet Dörte Sittig. „Heinsberg ist gleich abgeriegelt worden.“ Aber die Verantwortlichen in Tirol hätten lange so getan, als ob keine Gefahr bestünde. „Rudi und seine Freunde waren die Letzten, die eingereist sind.“

Das war am 7. März, am 13. März reisten Lempik und seine Freunde ab. Einen Tag früher als geplant. Es war der Tag, an dem Sebastian Kurz Quarantäne für das Paznauntal und St. Anton angekündigt hatte. Dazu Peter Kolba: „Die Medienpolitik von Bundeskanzler Kurz hat das Abreisemanagement am 13. März im Paznauntal völlig ins Chaos gestürzt.

Auch Hürther Jürgen Becker verfolgt das Verfahren

Er hat – offenbar ohne Koordination mit Tirol oder mit dem zentralen Krisenstab – für 14.15 Uhr eine eilig anberaumte Pressekonferenz angesetzt und hat dort die Maßnahmen der Verordnung, die noch nicht in Kraft war, verkündet.“ Diese Verordnungen würden aber erst mit der Veröffentlichung am „Schwarzen Brett“ der Gemeinden in Kraft treten.

Auch der Hürther Jürgen Becker und einige seiner Skikameraden verfolgen die Nachrichten über das Verfahren in Österreich aufmerksam. Der 54-jährige Ingenieur gehörte mit seiner achtköpfigen Reisegruppe zu den letzten Gäste, die am 9. März im Ischgler „Kitzloch“ gefeiert hatten, bevor das Après-Ski-Lokal von den Behörden geschlossen wurde. Am 11. März kehrte die Gruppe zurück. Vier Skifahrer waren mit dem Coronavirus infiziert, darunter auch Becker. Er schloss sich mit Mitreisenden einer Sammelklage an und lässt sich vom VSV vertreten.

Der Hürther Jürgen Becker äußerte sich im April auch gegenüber TV-Reportern.

Vier Wochen waren Becker und seine Frau, die er zu Hause angesteckt hatte, in Quarantäne, fünf Tage fühlte er sich richtig krank. Er sei längst wieder vollständig genesen, sagt er. „Ich habe Blut- und Lungentests gemacht. Alles in Ordnung.“ Den Rat, sich gründlich durchchecken zu lassen, gab ihm Skikamerad Dieter Wirtz. Den 55-jährigen Kraftfahrer aus Erftstadt hat es schlimmer erwischt.

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„Ich habe nach der Infektion lange mit Kurzatmigkeit zu kämpfen gehabt.“ Im Mai wurde er mit einer Lungenembolie ins Krankenhaus gebracht. Ob die Embolie im Zusammenhang mit Covid-19 stand, sei unklar; der Verdacht liegt jedenfalls für ihn nah. Erst seit August könne er wieder arbeiten, seine Lungenfunktion sei immer noch nicht ganz wieder hergestellt.

Bei Michael Dendzik (61) aus Erftstadt dagegen klangen die Symptome schnell wieder ab. Auch wenn er sich längst wieder fit fühlt: „Ich habe Respekt vor dem Virus“, sagt er. Als Führungskraft – Dendzik ist technischer Leiter bei den Kölner Verkehrsbetrieben – achte er sehr darauf, dass die Hygienebestimmungen im Betrieb eingehalten würden.