„Grenzenlos enttäuscht“Arzt aus Erftstadt kapituliert vor Corona-Tests
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Die immer wieder wechselnden Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus erschweren auch Ärzten ihre Arbeit.
Heinz-Albert Brüne aus Erftstadt hat jetzt genug und lässt seinem Ärger freien Lauf.
Er spricht mit uns über den hohen bürokratischen Aufwand und über ungeeignete Schutzkleidung.
Erftstadt-Lechenich – „Ich kapituliere.“ Wenn ein Arzt das sagt oder schreibt, muss die Lage ernst sein. Dr. Heinz-Albert Brüne streckt die Waffen nicht vor einer schweren Krankheit, sondern vor der Bürokratie. Der Lechenicher, der auch Leitender Notarzt des Rhein-Erft-Kreises ist, hat in seiner Praxis Corona-Abstriche für andere Mediziner gemacht. Vor gut einer Woche hat er den Service eingestellt. Er testet nur noch seine eigenen Patienten, wenn der Verdacht besteht, sie könnten mit Covid-19 infiziert sein. Der Aufwand sei einfach zu hoch.
„Was die politischen Entscheider bar jeder Kenntnis der Situation vor Ort von uns verlangen, zeugt von einer krassen Wirklichkeitsentfremdung“, hat Brüne in einem Brief an seine Kollegen im Kreis geschrieben.
Heinz-Albert Brüne spricht von Konfusioprogramm
Im Sprechzimmer seiner Hausarztpraxis zeigt er einen dicken Stapel Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Mittlerweile kämen mehrmals am Tag neue Anforderungen, neue Formulare an. Seine Angestellten kämpften mit sich ständig ändernden Abrechnungsziffern und Bestimmungen. Brüne: „Das von der KV vorgegebene Organigramm kann man nur als Konfusiogramm bezeichnen.“
„Unsere Mitglieder wissen, dass all die Vorgaben und Pflichten und auch die bürokratischen Hürden nicht von uns kommen, sondern behördlich angeordnet und der Komplexität des Systems geschuldet sind“, heißt es dazu von der Kassenärztlichen Vereinigung. Es gebe fast täglich Neuerungen und Ausweitungen der Tests, „die wir sofort aufgreifen und vermitteln müssen“. Nur wenige Ärzte hätten sich bisher beschwert.
Ausweitung der Tests sorgt für großen Ärger
Gerade die „Ausweitungen der Testungen“ sind es, die für Brüne das Fass zum Überlaufen gebracht haben. In 14-tägigem Rhythmus müssen inzwischen die Mitarbeiter von Kindergärten und Schulen getestet werden – in wechselnden Gruppen. Dazu gibt es extra eine Liste, welche Gruppe in welcher Kalenderwoche dran ist.
Zusätzlich kommen viele Menschen aus dem Urlaub zurück und müssen sich testen lassen. Das stelle das Praxisteam vor neue Herausforderungen, berichtet Brüne. Jeden Tag änderten sich die Risikogebiete. Die müssten seine Leute beim Robert Koch-Institut erfragen und entsprechend unterschiedliche Formulare nutzen. Sie müssten Flugschein, Bordkarte und Hotelrechnung kontrollieren. Dazu komme die „Selbsterklärung über den Aufenthalt in einem Risikogebiet“, die jeder Heimkehrer ausfüllen muss. Die Praxis müsse diese Zettel zehn Jahre aufbewahren. „Was soll ich damit?“, fragt der Mediziner genervt. Das kontrolliere ohnehin niemals jemand, und außerdem: „Dafür habe ich keinen Platz.“
Schutzkleidung nicht für medizinischen Gebrauch bestimmt
Ein noch viel größeres Problem als der Platz sei allerdings die Zeit, die das Ganze in Anspruch nehme. Er müsse jeden Patienten anrufen und ihm das Testergebnis mitteilen. „Ich bin Arzt, kein Telefonist“, sagt er.
Er ist zudem verärgert über die Schutzausrüstung, die ihm die KV zur Verfügung gestellt hat. Der Mediziner holt eine Packung mit FFP2-Masken, in China hergestellt. „Weder für PSA (Persönliche Schutzausrüstung) noch für den medizinischen Gebrauch bestimmt“, steht auf der Schachtel. Der grüne Vlies-Kittel, den er aus einer Verpackung schält, übersteht das Anziehen nicht, schon beim Auseinanderfalten reißt der Stoff.
Die KV habe 13 Millionen Mund-Nasen-Masken, sechs Millionen FFP2/3-Masken, 5,5 Millionen Paar Handschuhe, 237.000 Hauben, 143.000 Kittel und 30.000 Liter Desinfektionsmittel verteilt, teilt die KV-Pressestelle dazu mit. Das Material stamme aus verschiedensten Quellen und erfülle „sicher auch unterschiedliche qualitative Standards“.
Nur eine winzige Menge Masken sei zu beanstanden gewesen und umgehend zurückgerufen worden. „Anfangs waren im Übrigen alle froh, überhaupt Schutzmaterial zu bekommen.“ Heinz-Albert Brüne ist jedenfalls „grenzenlos enttäuscht“ von System, Politik und Verwaltung. Immerhin bekomme er Rückhalt von Kollegen auf seinen Brief. „Ein donnerndes Echo!“