- Zwei Reisegruppen aus dem Rhein-Erft-Kreis hatten sich im Skiurlaub mit dem Coronavirus infiziert.
- Bei ihrer Heimkehr wurden sie vom Gesundheitsamt in Bergheim aber nicht ernst genommen.
- Nun möchten die Urlauber mit Hilfe eines Verbraucherportals gegen die Behörden in Tirol vorgehen.
Rhein-Erft-Kreis – Sie gehörten zu den letzten Urlaubern, die auf den Hütten im Tiroler Wintersportort Ischgl beim Après-Ski feierten: Für zwei Reisegruppen aus dem Rhein-Erft-Kreis endete der Ski-Urlaub in der häuslichen Quarantäne. Fast alle hatten sich wohl in Österreich mit dem Coronavirus infiziert; sie erheben schwere Vorwürfe gegen die dortigen Behörden.
Am Samstag, 7. März, brach Jürgen Becker (54), Ingenieur für Rohrleitungsbau aus Hürth, mit seiner achtköpfigen Reisegruppe auf in den Ski-Urlaub. Er geht inzwischen davon aus, dass die Behörden da schon von der Corona-Gefahr wussten, aber nicht warnten, um das Tourismusgeschäft nicht zu gefährden.
Darstellung der Gemeinde
Die Gemeinde Ischgl stellt das anders dar: Erst am Abend des 7. März sei bekannt geworden, dass ein Barkeeper aus dem „Kitzloch“ positiv auf Corona getestet worden sei. Zuvor sei der Gemeinde kein Verdachtsfall bekannt gewesen. Das Lokal sei zunächst gesperrt und desinfiziert, das Personal in Quarantäne genommen worden. Nach weiteren Corona-Fällen sei das „Kitzloch“ am 9. März geschlossen worden.
Doch der Skibetrieb lief zunächst weiter, auf anderen Hütten wurde immer noch kräftig gefeiert. „Wir haben sonntags das Gerücht gehört, dass ein Barmann infiziert ist“, berichtet Becker. Mehr Klarheit habe er erst zwei Tage später gehabt. Becker: „Wir saßen am Dienstagabend in einer Hütte, und da hieß es dann, wir sollten austrinken, weil zugemacht wird.“ Die Skisaison in Ischgl wurde offiziell erst am 12. März für beendet erklärt.
„Kratzen im Hals“
Den Heimweg trat die Gruppe am 11. März in aller Frühe an. „Wir hatten Sorge, dass wir nicht mehr nach Hause kommen“, berichtet der Hürther. Von der Autobahn aus rief Becker, der „ein Kratzen im Hals“ verspürte, das Gesundheitsamt in Bergheim an. Dort habe man ihn „abgewimmelt“. Die Kreisverwaltung hält dagegen, dass man sich an die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts gehalten habe. Tirol – und damit Ischgl – sei erst am 13. März zum Risikogebiet erklärt worden, erst danach seien Rückkehrer von dort getestet worden.
Jürgen Becker ließ sich in einer Arztpraxis testen – positiv. Mit seiner Frau, die er angesteckt hat, musste er in Quarantäne. Vier, fünf Tage habe er sich richtig krank gefühlt, mit Schüttelfrost und Kopfschmerzen. Inzwischen geht es ihm wieder gut. Ein Interview mit Reportern von „Frontal 21“ und mit dieser Zeitung musste er aber vor einigen Tagen noch aus dem Fenster im ersten Stock heraus führen.
Verlängerung der Quarantäne
Die Quarantänezeit wurde verlängert, weil der Husten nicht ganz abgeklungen war. Versorgt wurde er in dieser Zeit von seiner 78-jährigen Mutter, die im selben Haus lebt. „Sie hat mir alles vor die Tür gestellt“, so Becker. Angesteckt hat er sie dadurch nicht.
Vier der acht Skikameraden aus Beckers Reisegruppe wurden schließlich positiv getestet, darunter auch Michael Dendzik aus Erftstadt. Den 61-jährigen technischen Leiter der Kölner Verkehrsbetriebe wundert das: „Symptome hatten wir alle.“ Ihm gelang es, seine Frau in der Wohnung auf Abstand zu halten, so dass sie nicht infiziert wurde.
Quarantäne-WG
Um ihre Familien zu schützen, zogen vier Kerpener nach ihrer vorzeitigen Rückkehr aus Ischgl am 12. März zusammen in eine Quarantäne-WG. „Mein Sohn ist vor kurzem mit seiner Freundin zusammengezogen“, berichtet Kraftfahrer Dieter Wirtz (55). „Deshalb stand die Wohnung leer.“ Ein Freund versorgte die WG, die Lebensmittel wurden im Korb auf den Balkon hochgezogen. „Alle sieben aus unserer Reisegruppe waren infiziert“, so Wirtz, der für den Test vier Stunden an der Kölner Uniklinik angestanden hat.
Wirtz, Dendzik, Becker und die anderen Skikameraden aus den beiden Reisegruppen, die sich kennen, wollen mit Hilfe des Verbraucherportals myright.de gegen die Behörden in Tirol klagen. „Es geht um Schmerzensgeld und Schadenersatz, aber auch um Straftatbestände wie fahrlässige Körperverletzung“, sagt Rechtsanwalt Dr. Jan-Eike Andresen, einer der Gründer des Portals, der bereits Strafanzeige erstattet hat.
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Kraftfahrer Wirtz erklärt, ihm gehe es nicht in erster Linie ums Geld: „Die Leute müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Auch Ingenieur Becker sieht das so: „Die hatten die Dollarzeichen in den Augen und haben mit unserer Gesundheit gespielt.“ Auch das TV-Magazin „Frontal 21“ berichtet darüber am heutigen Dienstagabend (21.10 Uhr, ZDF).