Komplizierte Anträge, offene RechnungenNachhilfelehrer aus Rhein-Erft schlägt Alarm
Rhein-Erft-Kreis – Daniel Kliche schlägt Alarm: Seit 2012 gibt der 40-jährige Bedburger benachteiligten Kindern Nachhilfe. 2018 gründete er das Bildungsinstitut Aufwind. Bei einigen Kindern, deren Eltern sich Nachhilfe nicht leisten können, finanziert sie der Bund über das Bildungs- und Teilhabepaket. Das klinge nach schneller und unbürokratischer Hilfe, die Praxis sehe aber ganz anders aus, sagt Kliche.
Schon lange warte er darauf, dass der Rhein-Erft-Kreis oder das Jobcenter, je nach Zuständigkeit, Rechnungen im Wert von mehreren Tausend Euro zahle, berichtet er. Viele der Familien, die ihre Kinder zu ihm schicken, seien zudem mit den komplizierten Anträgen schlicht überfordert.
Rhein-Erft: Kreis bewilligt Förderung zu spät
Die Bewilligungen seien in manchen Fällen erst gekommen, nachdem das Kind bereits sitzen geblieben war, erzählt er. Oft werde die Lernförderung nur für sehr kurze Zeit bewilligt. 2018 bis zum Beginn der Corona-Pandemie wurden die Kinder der Familien, die zu Kliche kamen, bei der Nachhilfe finanziell durch die Partnerschaft mit der Initiative „Neue Nachbarn Bergheim-Ost“ unterstützt. Der Differenzbetrag, der nicht über das BuT-Paket finanziert wurde, oder sogar die gesamten Kosten wurden übernommen. Wegen der Corona-Pandemie könne diese Initiative den Familien aber nicht mehr helfen.
Jetzt wartet Kliche seit Monaten auf das Geld von den Behörden, die die Mittel des Bundes an ihn und ähnliche Anbieter weitergeben sollen. Sowohl die Bearbeitung der Leistungsanträge im Jobcenter Rhein-Erft als auch die Fälle, für die der Kreis verantwortlich ist, verzögerten sich, da erforderliche Unterlagen fehlten und nachgefordert werden mussten, erklärt dazu Marco Johnen, Pressesprecher des Rhein-Erft-Kreises.
Rhein-Erft-Kreis fordert Unterlagen erst nach sechs Monaten an
Kliche stellt klar, die Unterlagen, die derzeit fehlten, seien erst sechs Monate nach Rechnungsstellung angefordert worden. „Das größte Problem ist, dass die Kinder darunter leiden“, erklärt er. „Dies ist einer der Gründe dafür, dass große Nachhilfeinstitute mittlerweile die Zusammenarbeit mit den Behörden ablehnen und diese Kinder somit keine Nachhilfe mehr erhalten“, kritisiert Kliche den bürokratischen Aufwand.
Hilfsangebot für finanzschwache Familien
Die Leistungen für Bildung und Teilhabe (BuT) hat die Bundesregierung vor gut zehn Jahren in Kraft gesetzt, um Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien Chancengleichheit in der Bildung zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das Paket umfasst neben einigen anderen Aspekten unter anderem die Lernförderung. Besteht Lernförderbedarf, den die Schule bestätigt, und bietet die Schule keine geeigneten schulischen Förderangebote, übernimmt der Staat die Kosten für die Nachhilfe.
Anspruch auf das Bildungspaket haben Eltern von Schülern unter 25 Jahren ohne Ausbildungsvergütung, wenn sie zum Zeitpunkt des Antrages Hartz IV, Sozialgeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag, Wohngeld oder Asylbewerberleistungen beziehen. Abhängig davon, wer die Leistungen beantragt, ist entweder das Jobcenter zuständig oder die Stadt- beziehungsweise Kreisverwaltung. (taf)
Neben den Angaben der Lehrkräfte benötigt er Unterschriften der Eltern, dass die Nachhilfe stattgefunden hat, dass der Online-Unterricht durchgeführt werden kann, die technischen Voraussetzungen gegeben sind und es einen ungestörten Lernort gibt. „Der Verwaltungsaufwand ist einfach zu groß“, findet Kliche.
Darüber hinaus verweist er darauf, dass die maximal Förderung über das BuT-Paket im Einzelunterricht bei 16 Euro pro Stunde liegt. „Das sind weniger als 50 Prozent der üblichen Stundensätze eines Instituts im Rhein-Erft-Kreis, weshalb zusätzliche Beiträge der Familien notwendig wären“, erklärte er.
Die Stundensätze seien nur für Gruppenunterricht ausreichend. „Eine dringend notwendige Einzelförderung ist nicht möglich. Das allein ist schon ein Hauptfaktor, wie diese Kinder ausgegrenzt werden.“
Mutter aus Rhein-Erft wartet seit Februar auf Bewilligung
Eine alleinerziehende Mutter, die für ihren Sohn die Leistungen der Lernförderung in Anspruch nimmt und ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, bestätigt lange Wartezeiten, bis ihr Antrag bewilligt wurde. „Zuerst lief alles über das Jobcenter, was ganz gut funktionierte. Dann musste ich Wohngeld und Kinderzuschlag beantragen, weshalb nun der Kreis zuständig ist“, erklärte die 53-Jährige. Anfang Februar habe sie den Antrag an den Kreis gestellt. Dieser wurde immer noch nicht bewilligt. „Um meinem Sohn die Nachhilfe weiter zu ermöglichen, muss ich nun selbst dazu zahlen“, sagte sie. Genau das soll das BuT-Paket aber verhindern.
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Um wieder unabhängig von den Behörden benachteiligten Kindern und Jugendlichen Nachhilfe zu ermöglichen, sucht Daniel Kliche nach einer neuen Partnerschaft für das Bildungsinstitut Aufwind, damit er ihnen wieder eine verlässliche und langfristig angelegte Einzelförderung ermöglichen kann.