Förster und Jäger berichtenSo skrupellos gehen Wilderer in den Rhein-Erft-Wäldern vor
- Nach den tödlichen Schüssen auf zwei Polizisten gehen die Ermittler mittlerweile von Wilderei als Tatmotiv aus.
- Jäger und Förster aus dem Rhein-Erft-Kreis wissen, dass auch hier Wilderer unterwegs sind.
- Sie vermuten, dass unter anderem organisierte Banden hinter der Wilderei stecken könnten. Und die gehen professionell und schnell vor.
Rhein-Erft-Kreis – Schüsse in der Nacht, fremde Autos auf den Waldwegen, manchmal sogar Reste von erlegtem Wild im Gebüsch – auch in den Villewäldern finden Förster und Jäger immer mal wieder Spuren, die darauf hindeuten, dass jemand widerrechtlich Tiere erlegt – sprich: gewildert – hat. Der Fall in Rheinland-Pfalz, bei dem mutmaßliche Wilderer zwei Polizisten erschossen haben, macht auch hier Förster und Jäger betroffen. Und besorgt.
Es ist gerade drei Tage er, da entdeckte ein Jagdpächter in seinem Revier zwischen Bornheim, Weilerswist und Erftstadt ein erlegtes Wildschwein. Der Jäger, der nicht namentlich genannt werden möchte, hörte bei den Reviernachbarn nach. Aber von denen hatte keiner den Schuss abgegeben. Schon im vergangenen Jahr habe er mehrmals totes Wild im Revier gefunden. „Ich kann mir da keinen Reim machen, warum jemand Wild erlegt und dann nicht mitnimmt“, sagt er. Die Vorstellung, dass es nur um die Freude am Töten gehe, sei furchterregend.
Revierförster schließt nicht aus, dass organisierte Banden in Rhein-Erft unterwegs sind
Auch Revierförster Frank Pechtheyden hat in den vergangen Jahren mehrmals aufgebrochenes – also ausgenommenes – Wild in seinem Bezirk im Villewald gefunden. Und ihm werde auch berichtet, dass nachts Schüsse gefallen seien, obwohl keiner offiziell dort gejagt habe. „Ich möchte nicht ausschließen, dass auch organisierte Banden nachts hier in den Wäldern unterwegs sind“, sagt er.
Von Blut – jagdlich korrekt: Schweiß – im Schnee und verdächtigen Autospuren weiß auch Franz-Josef Kipshagen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Rhein-Erft, zu berichten. Die Gefahr, erwischt zu werden, sei für Wilderer gering: „Die kommen mit dem Auto, leuchten das Wild mit dem Scheinwerfer an, schießen, laden es in den Kofferraum und sind wieder weg.“ Meist seien sie zu Nachtzeiten unterwegs, in denen kaum noch ein Jäger auf dem Hochsitz sei, und benutzten Waffen mit Schalldämpfer.
Acht Verfahren eingeleitet
Im Rhein-Erft-Kreis haben derzeit 1547 Menschen einen gültigen Jagdschein, 169 von ihnen haben ein Revier gepachtet oder besitzen eine Eigenjagd. 490 Jägerinnen und Jäger können Wildursprungsscheine beantragen – dafür muss man eine Schulung absolvieren, um Krankheiten am toten Wild zu erkennen. Dann gilt man als „kundige Person“.
Die Kreispolizei hat in den Jahren 2019 bis 2021 acht Verfahren wegen Jagdwilderei eingeleitet. Dazu kamen weitere acht Fälle, in denen Wild gerissen worden war, also vermutlich von wildernden Hunden getötet. Alle 16 wurden an die Staatsanwaltschaft Köln weitergeleitet, ohne dass Tatverdächtige ermittelt worden waren.
Jagdwilderei kann mit einer Geldstraße geahndet werden, das Gesetz sieht aber auch bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. (uj)
„Der Jäger bemerkt dann irgendwann, dass das Wild immer vorsichtiger wird.“ Oder es falle auf, dass ein bestimmter Rehbock oder Hirsch, den man kenne, nicht mehr auftauche. Andreas Schneider, Pressesprecher des Landesjagdverbandes, betont die gute Zusammenarbeit zwischen Jägern und Polizei, beispielsweise nach Wildunfällen. Er mahnt zur Vorsicht, wenn Wilderer unterwegs sind: „Unsere schärfste Waffe ist in so einer Situation das Handy.“ Belastbare Zahlen, wie viele Tiere illegal geschossen würden, gebe es nicht.
Wilderei: Beute kann kaum gewinnbringend verkauft werden
Gewilderte Beute gewinnbringend an den Mann oder die Frau zu bringen, ist kaum möglich. Achim Reske weiß bei jedem Stück Wild, das er verarbeitet, wo es herkommt – und vor allem, dass es legal erlegt wurde. Der Bornheimer Metzger und Wildhändler erklärt das System, das ihm und seinen Kunden Sicherheit gibt: Jedes Tier, das ihm gebracht wird, trägt er in sein Wildbuch ein. Entweder mit der Nummer, die auf dem Ursprungsschein steht, oder mit einer, die er selbst vergibt.
Ursprungsschein und Ohrmarke müssen Tiere haben, die auf Trichinen untersucht werden müssen – also vor allem Wildschweine –, aber auch jedes andere Wild, wenn es verkauft werden soll. Lässt ein Jäger sein erlegtes Reh bei Reske für den eigenen Verzehr verarbeiten, braucht es keinen Ursprungsschein.
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Reske sagt, in dem Moment, in dem Wild in seinen Betrieb komme, sei er verantwortlich. Deshalb sei der Eintrag ins Wildbuch unerlässlich. Das Veterinäramt des Rhein-Sieg-Kreises kontrolliere unangemeldet. Da sei es wichtig, dass er die Herkunft seiner Ware dokumentiere. In Rheinland-Pfalz sei der Ursprungsschein schon jetzt für alle Wildarten Pflicht. „Das wird auch bundesweit so kommen“, ist der Jäger und Metzger sicher.
Beim Kreisveterinäramt sind keine Fälle bekannt, in denen Wildbret ohne Ursprungsschein angeboten wurde. Jäger müssen eine Streckenliste führen, also aufschreiben, was sie erlegt haben, aber auch, wie viele Tiere in ihrem Revier überfahren worden sind. Diese Liste muss der Unteren Jagdbehörde, also dem Kreis, jeweils zum 15. April vorgelegt werden.