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Jungtiere nicht anfassenHeimliche Rückkehr der Wildkatze in den Rhein-Erft-Kreis

Lesezeit 4 Minuten

Unwiderstehlich süß sind die jungen Wildkatzen. Doch auch wenn man den Eindruck hat, sie seien vom Muttertier verlassen, darf man sie auf keinen Fall mitnehmen.

  1. Wildkatzen waren in Deutschland eigentlich fast ausgestorben, sie wurden wegen ihres Fells gejagt.
  2. Mindestens eine Gruppe der Katzen hat sich zwischen Liblar und Bliesheim angesiedelt.
  3. Ein wichtiger Punkt, von dem aus sich die Population hoffentlich noch weiter ausbreitet.

Erftstadt/Rhein-Erft-Kreis – Sie ist wieder da. Die Wildkatze streift durch die Ville, auf leisen Pfoten, unbemerkt von Spaziergängern. Aber nicht unbemerkt von Dr. Christine Thiel-Bender. Die Biologin hat die kleine Katzenpopulation im Altwald zwischen Liblar und Bliesheim im Blick, auch wenn sie die scheuen Tiere selbst nicht zu sehen bekommt. Wie viele Exemplare dort leben, kann auch sie nicht genau sagen. Aber was sie sagen kann: „Das Gebiet ist ein wichtiger Trittstein für die Verbreitung der Wildkatzen.“

2017 hat die Biologin, die für den BUND und selbstständig arbeitet, eine erste Studie über die Wildkatzen in der Ville gemacht. Um nachzuweisen, wo die scheuen Jäger durch die Wälder streifen, verwenden die Fachleute Lockstöcke: Holzpflöcke, die nach Baldrian riechen. Der Duft zieht Katzen magisch an, wenn sie sich daran reiben, hinterlassen sie Haare.

Oft ist das Fell der Katzen beige bis gelblich.

Eine DNA-Probe zeigt dann, ob wirklich Wildkatzen unterwegs waren oder doch nur getigerte Hauskatzen. Denn allein vom Aussehen her sind die beiden kaum zu unterscheiden. Selbst Expertin Thiel-Bender sagt: „Wenn ich eine Wildkatze sehe, bin ich mir zu 95 Prozent sicher, dass es eine ist.“

Mäusejäger sind gut für die Wälder

Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Tiere in Deutschland nahezu ausgerottet. Sie wurden wegen ihres Fells bejagt, viele Jäger fürchteten aber auch um Junghasen und Bodenbrüter. Mittlerweile, sagt Thiel-Bender, weiß man aber, dass die Katzen sich zu 90 Prozent von Mäusen ernähren. Und das macht sie vor allem bei Forstleuten beliebt. Denn die kleinen Nager können an den Wurzeln junger Bäume erheblichen Schaden anrichten.

Jungtiere nicht mitnehmen!

Im Frühjahr bekommen die Wildkatzen Nachwuchs. Neben allen Gefahren, die auf junge Wildtiere lauern, gibt es hier eine besondere: wohlmeinende Menschen. Denn immer wieder kommt es vor, dass Spaziergänger vermeintlich verlassene Katzenwelpen im Wald „retten“. Und damit ein fast sicheres Todesurteil sprechen.

„Nur ganz wenige junge Wildkatzen überleben in menschlicher Obhut“, sagt Christine Thiel-Bender. Ohnehin ist es verboten, Wildtiere mitzunehmen. Und angenehme Hausgenossen werden die Wildkatzen ganz sicher niemals. (uj)

Auch wenn die Wildkatze längst nicht mehr gejagt werden darf, bleibt der Mensch doch ihr schlimmster Feind. Wenn er nämlich im Auto unterwegs ist. Ein erheblicher Teil der Nachweise für Wildkatzenvorkommen sind Totfunde.

Strukturen mit Brombeerdickicht und totem Astwerk kämen der Wildkatze zugute, erklärt Christine Thiel-Bender.

Ein überfahrenes Exemplar am Straßenrand ist es denn auch, das Gregor Eßer, Leiter der Forschungsstelle Rekultivierung von RWE Power, hoffen lässt, dass die nächtlichen Jäger auch die Sophienhöhe erreicht haben oder zumindest kurz davor stehen. Das wäre ein Beleg dafür, dass die Rekultivierung Lebensraum für bedrohte Tierarten schaffe.

Gefährliche Wanderung über Autobahnen

Erforscht werden derzeit auch die Wege, auf denen sich die Populationen ausbreiten. Die Fachleute gehen davon aus, dass die Tiere auch die Korridore nutzen, die beispielsweise für Fledermäuse angelegt wurden. Beide Arten orientieren sich an Gehölzstreifen in der Landschaft.

Eine Wildkamera hat eins der scheuen Tiere aufgenommen. Deutlich sieht man die Bänder am Schwanz.

Mit Wildkameras wird nun überwacht, ob die kleinen Raubtiere auch die Wildbrücke über die Autobahn nutzen. Man könne auch überlegen, sagt Eßer, ob Tunnel unter viel befahrenen Straßen eine Möglichkeit wären, das Wandern der Wildtiere weniger gefährlich zu machen.

Die Ansprüche der Wildkatze an ihr Umfeld sind gar nicht so hoch. Sie profitiert in mancher Hinsicht vom Klimawandel, obwohl sie es gerade jetzt, in ihrer Paarungszeit, lieber kälter hätte und ihr gerade die nassen Frühjahre zu schaffen machen. Die Stürme der vergangenen Jahre haben ihr aber in vielen Wäldern neue Zufluchtsorte geschaffen. Denn die Tiere lieben strukturreiche Bestände, mit Totholz und kleinen Inseln aus dichtem Gestrüpp, mit Höhlungen unter den Wurzeltellern umgestürzter Bäume.

Unterschlupf finden sie aber auch in Holzpoltern, den großen Stapeln aus gefällten Bäumen an den Wegrändern. Dort bringen sie gern ihre Jungen zur Welt. Denn Füchse können nicht in die engen Höhlen zwischen den Stämmen. Der Fuchs ist einer der wenigen natürlichen Feinde der Wildkatze hierzulande. Er wagt sich aber nur an Jungtiere, während der Uhu durchaus in der Lage ist, eine ausgewachsene Katze zu greifen.

Was Schutz bietet vor dem Fuchs, birgt aber wieder ein anderes Risiko: Wird das Holz abtransportiert, kann es passieren, dass der Katzenwurf dabei zu Tode kommt.