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Warten auf Jeckere ZeitenWie es einer Karnevals-Schneiderin ohne Karneval geht

Lesezeit 3 Minuten

Den Mottoschal kaufte Käthe Laschke für sich selbst – zur Aufheiterung.

Neunkirchen-Seelscheid – Im Radio singen Brings, auf dem Bügelbrett liegt griffbereit der bunte Kölner Mottoschal mit dem lachenden Dom. Den hat sich Käthe Laschke gekauft, zum ersten Mal in ihrer langen Karnevalskarriere.

Am Elften im Elften 2020 hat sie sich das Accessoire um den Hals drapiert, vor dem Fernseher. „Das brauchte ich einfach zum Aufheitern. Ohne Karneval ist es eine Katastrophe. Man wird depressiv“, sagt die Inhaberin des Karnevals-Nähkästchens, die allerdings aktuell ziemlich munter wirkt.

Bestellungen nicht storniert, nur verschoben

„Ich habe alle Hände voll zu tun“, berichtet die Seelscheiderin, die ihren Kundinnen und Kunden die Karnevalskostüme auf den Leib schneidert. In der Corona-Session war es zwar kein einziges.

„Die aktuelle Session ist abgehakt“, stellt Käthe Laschke fest. „Aber die Kunden haben ihre Bestellungen nicht storniert, sondern nur auf 2021/22 verschoben. Die Vorfreude darauf ist riesig. Und ich bekam schließlich so viele Aufträge, dass ich einige absagen musste.“

Aufwendig sind die Kostüme der Tollitäten, die Käthe Laschke schneidert. 

Ein Trend, der sich schon im Sommer 2020 abzeichnete. Bis dahin hatte die gelernte Damenschneiderin für diverse Ämter in Siegburg Tausende von Alltagsmasken genäht. Tag und Nacht ratterte im Atelier im Seelscheider Einfamilienhaus die Nähmaschine, denn es musste immer ganz schnell gehen. „Ich mochte die Masken irgendwann nicht mehr sehen“, erinnert sich Laschke, die auch als Änderungsschneiderin in der Krise wieder stark gefragt ist. „Man spürt, dass die Leute weniger Geld haben. Ich bekomme mehr zum Reparieren als früher.“

Viel Glitzer und Bling-Bling nach dem Lockdown

Jeckinnen und Jecken, die nichts von der Stange tragen wollen, lassen sich ihr Outfit dagegen viel kosten. Das sind diverse Prinzenpaare, aber auch Tanzgruppen, etwa von Agrippina Colonia oder der Ehrengarde Siegburg. Und auch alle, die sich in einem gut genähtes Kleid aus solidem Stoff wohl fühlen wollen. Zum Preis von 100 bis 2500 Euro (für ein aufwendig gearbeitetes Ornat) ist ein Kostüm bei Käthe Laschke zu haben.

Kätsche Laschkes wichtigstes Werkzeug: die Nähmaschine.

Sieht sie einen Trend für die Session 2021/22? „Es soll leicht, lustig und fluffig sein. Und auch sexy. Frauen unter 40 bevorzugen kurze Röcke, Tüll und Korsagen. Viel Glitzer, viel Bling-Bling gehört dazu. Nach der langen Zeit, in der man sich zu Hause verkrochen hat, will man sehen und gesehen werden“ – und auch gehört werden. Deshalb verpasst Käthe Laschke auch jedem roten Pompon an den Harlekin-Kostümen, die sie für ihren Karnevalsclub „Der harte Kern“ kreiert, ein Glöckchen.

Keiner will ein Corona-Kostüm

Denn mit Schellen und Lärm lassen sich bekanntlich böse Geister vertreiben, nicht nur in einer Pandemie. Dass aber demnächst kugelförmige und stachelbewehrte Gestalten in Feuerrot durch die Sitzungssäle hüpfen, hält Laschke für ausgeschlossen. „Das Corona-Virus ist negativ besetzt, und damit will keiner im Karneval etwas zu tun haben.“

Präzision und viel buntes Garn braucht Käthe Laschke für ihre Arbeit an der Nähmaschine – zu Karneval, aber auch für Änderungsaufträge.

Dagegen hat Laschke schon viel zarten Stoff für Elfen und Schneeflocken verarbeitet. „Dass man sich gut im Kostüm bewegen kann, Heiterkeit und Leichtigkeit ausstrahlt, ist wichtiger denn je“, findet sie.

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Deshalb hat die 62-Jährige für das eigene Schmölzchen, das in den Zügen von Siegburg, Brückberg und Stallberg mitgeht, die unkomplizierten Harlekingewänder entworfen. Nicht ganz so praktisch wirken die stilechten Schnabelschuhe, „da muss man vielleicht das Gehen ein bisschen üben“.

Viermal trägt „Der harte Kern“ seine wunderschönen Kostüme in der Session, danach verkauft Käthe Laschke sie zum Materialpreis, frisch gewaschen und aufgebügelt. So sind Torero-Anzug und eine „Brasiliana“ schon für 70 Euro zu haben, ebenso ein Geisha-Gewand, dessen wallende Stoffbahnen den Speck, den man sich zu Corona-Zeiten angefuttert hat, gnädig verhüllen.