Daniel Frank hat den Tintenfischpilz zusammen mit seinen Töchtern entdeckt. Seit mehr als 20 Jahren ist er bei Pilzvergiftungen im Einsatz.
Schlüpft aus „Hexeneiern“Exotischer Tintenfischpilz breitet sich auf Mucher Spielplatz aus
Viele rote, fast schon pinke Tentakel ragen aus dem Boden. Pilzfreunde dürfte dieses Phänomen im Moment vermehrt nach Much zum Spielplatz an der Fatimakapelle ziehen. Dort wachsen nämlich gleich mehrere Exemplare des sogenannten Tintenfischpilzes. Die Töchter des Pilzsachverständigen Daniel Frank haben den ungewöhnlichen Pilz bei einem Klassenfest auf dem Spielplatz entdeckt.
Der Pilz sieht aber nicht nur ungewöhnlich aus, auch sein Geruch ist auffällig: Er riecht nach Verwesung.
Die schwarze Sporenmasse auf dem Pilz trägt diesen unangenehmen Geruch, der Schmeißfliegen, Mistkäfer und andere Insekten anlocken soll. Diese verteilen nach ihrem Besuch auf dem Pilz seine Sporen in der Umgebung und sorgen so für die Fortpflanzung des Clathrus archeri, so der lateinische Name des Pilzes.
In Deutschland breitet sich der Tintenfischpilz zunehmend aus
Das Geniale für Daniel Frank ist die freie Zugänglichkeit des Pilzes. Bislang ist er hier nämlich nur in Naturschutzgebieten vorgekommen, wie etwa im Siebengebirge, wo Wanderwege nicht verlassen werden sollten. Auch nicht für rote Tentakel.
Ursprünglich stammt der Tintenfischpilz aus Australien und Neuseeland. In den letzten Jahrzehnten hat er sich mehr und mehr in Europa ausgebreitet und ist auch in Deutschland immer häufiger anzutreffen. Grund dafür ist der Klimawandel, der Pilz fühlt sich nämlich in eher wärmerer Umgebung wohl. Am besten gedeiht er in nährstoffreichen, aber PH-neutralen Böden, meist in Wäldern, gern in Totholz oder auch Rindenmulch.
„Der ist so schön und vor allem so groß und auffällig. Ich hoffe sehr, dass er bleibt“, sagt Frank. Zu den invasiven Arten zähle der Zuwanderer nicht, er kann also anderen Arten nicht gefährlich werden.
Obwohl man an der Fatimakapelle in Much nur vereinzelte Exemplare sieht, kommt der Pilz auf der kleinen Mulch-Fläche am Rande des Spielplatzes schon vielfach vor. Bevor man nämlich den farbenprächtigen Tintenfisch sehen kann, verbirgt er sich in sogenannten Hexeneiern. Aus diesen tritt nach zwei bis drei Wochen eine weiße, glibberige Masse aus, aus der dann die Tentakel wachsen.
Tintenfischpilz in Much: Extravagantes Erscheinungsbild, aber völlig ungefährlich
Trotz seines gefährlichen Aussehens und seines unappetitlichen Geruchs: Der Tintenfischpilz ist nicht giftig. Ganz anders als sein Nachbar, der nur zwei bis drei Meter weiter wächst und den Daniel Frank sofort als hochgiftig erkannt hat: Der Rosa Rettich-Helmling enthält das Gift Muscarin, das nach Verzehr einen Kreislaufstillstand verursachen kann.
Es gebe in Deutschland allerdings keinen Pilz, der alleine durch Berührung giftig ist. „Ich hatte schon so viele Giftpilze in den Händen. Da müsste ich schon längst tot sein“, scherzt der Pilzsachverständige, der schon seit 23 Jahren als ehrenamtlicher Notdienst bei Pilzvergiftungen im Einsatz ist.
Daniel Franks Begeisterung für Pilze rettet regelmäßig Leben
Schon als kleines Kind habe er sich extrem für Pilze begeistert, sodass er als junger Erwachsener in den Niederlanden Mykologie studieren wollte. Das habe aber wegen der deutschen Bürokratie nicht geklappt, berichtet Frank. Nun arbeitet der 41-Jährige bei einer Versicherung. Die Pilzwissenschaft übt er ehrenamtlich aus und arbeitet als Pilznotdienst für zahlreiche Kliniken. „Da bin ich überall im Einsatz. Von Heinsberg bis Münster und das rund um die Uhr. Wenn es klingelt, fahre ich sofort los.“ Wichtig ist, dass er die Pilze schnell bestimmt. Dafür müsse er auch oftmals das Erbrochene der Opfer analysieren, berichtet Frank.
In den vielen Jahren hat er so einiges erlebt und sagt: „Pilze können alles außer Knochen brechen.“ Pilze könnten theoretisch jedes Organ des Körpers mit ihrem Gift töten. Magen, Darm, Leber, Niere und Gehirn seien am häufigsten betroffen, berichtet der Experte.
Mobile Rettungsausrüstung wird ständig erweitert
Der Kofferraum seines Autos ist eine mobile Rettungsstation, ausgestattet mit Chemikalien, Mikroskop, Literatur und Licht für die Nachteinsätze. Und das Equipment wird seit 2005 kontinuierlich aufgestockt. „Durch die ständig neuen Erfahrungen“, sagt der Pilzexperte.
Eine Erfahrung sei zum Beispiel, dass Vorerkrankungen eine große Rolle spielen. Dadurch könne die Vergiftung sowohl schneller als auch langsamer ablaufen. Einen sehr langsamen und qualvollen Tod führt etwa das Gift des Knollenblätterpilzes herbei, der mit dem Champignon verwechselt werden kann.
In seiner 23-jährigen Laufbahn hat Daniel Frank auch schon ein paar Tode am Einsatzort miterlebt. Das komme aber äußerst selten vor. „Obwohl es oft auch wirklich knapp ist“, so der 41-jährige. Generell seien Pilzvergiftungen aber eher selten. Und Frank sieht es als großen Vorteil, dass die Mediziner mittlerweile hervorragend ausgebildet und mit den Sachverständigen gut vernetzt sind.