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Schadstoffe im BauIn leerem Uni-Gebäude in Bonn wurde trotz PCB jahrelang weiter geforscht

Lesezeit 4 Minuten
Ein graues Hochhaus mit vielen Fenstern und einer Gittertreppe an der linken Seite ist von Bäumen und einer Brachfläche umgeben.

Nach der egentlichen Räumung des mit PCB belasteten Hochhauses im Jahr 2010, gab es dort noch bis vor kurzem Laborforschungen.

Das Haus wurde von der Uni Bonn für Lehre und Forschung genutzt. Bis es 2010 wegen Schadstoffbelastung leergeräumt wurde – jedenfalls fast.

Es ist mehr als zehn Jahre her, da hallte noch das Geräusch hunderter Schritte durch das Uni-Hochhaus an der Römerstraße 164 in Bonn. Studierende unter anderem aus der Informatik, der Biologie und Chemie liefen durch die Flure, arbeiteten in den Laboren und füllten die großen Hörsäle des zwölfstöckigen Hauses. Jetzt herrscht dort nur noch Leere. Das Haus ist gesperrt und soll abgerissen werden.

2010 wurde das Gebäude geräumt, wegen zu hoher Schadstoffbelastung durch PCB – nun, zumindest größtenteils geräumt. Denn unter besonderen Auflagen fanden in dem Gebäude weiterhin Forschungen statt. Warum das so war und wie lange die Forschungen stattfanden, bis das Gebäude endgültig leer war, hat Andreas Archut, Pressesprecher der Universität Bonn, erklärt.

Mitarbeitende durften sich nur unter besonderen Auflagen im Gebäude aufhalten

„Eine Arbeitsgruppe des Fachbereichs Chemie nutzte dort noch Räume im Kellergeschoss“, sagt Andreas Archut. Sie hätten dort noch „bis vor kurzem“ mit einem Rasterelektronenmikroskop gearbeitet, das man nicht so einfach in einen anderen Bau hätte transportieren können. „Das Gerät ist mittlerweile außer Dienst gestellt worden.“

Aufgrund der hohen PCB-Belastung in der Raumluft des Hochhauses gab es besondere Auflagen, unter denen die Mitarbeitenden sich in dem Gebäude aufhalten durften. Unter anderem war die Aufenthaltszeit begrenzt, weil PCB über die Atemwege, und Hautkontakt in den Körper gelangen können.

An jedem Raum hing ein Hinweis, der darüber informiert hat, wie lange man sich dort aufhalten durfte.
Andreas Archut, Pressesprecher der Universität Bonn

PCB (kurz für Polychlorierte Biphenyle) sind ein synthetisches, also künstlich erzeugtes Stoffgemisch, das seit den 1950er Jahren unter anderem beim Bau für Anstriche und Fugenmassen verwendet wurde. Die Verwendung ist jedoch seit 1989 verboten, da PCB als krebserregend eingestuft werden. PCB können über Haut, Luft und Nahrung aufgenommen werden. Das Stoffgemisch kann das Nervensystem, Immunsystem, die Leber und Schilddrüse schädigen.

PCB-haltige Bauprodukte wurden laut NRW Umweltministerium vor allem in den 1960er und 1970er Jahren verwendet. Das Hochhaus in Bonn wurde in den 70ern gebaut. Entdeckt wurde die Schadstoffbelastung im Jahr 2004. Also vergingen allein bis zur Räumung des Gebäudes im Jahr 2010 sechs Jahre, in denen noch normal gearbeitet, gelehrt und gelernt wurde.

„Der Zeitraum, den die Mitarbeitenden in den Räumen verbringen durften, war unterschiedlich“, sagt Archut. „Denn das war immer von der jeweils gemessenen PCB-Konzentration abhängig. An jedem Raum hing ein Hinweis, der darüber informiert hat, wie lange man sich dort aufhalten durfte.“ In einer Mitteilung aus dem Jahr 2010 gab die Uni Bonn an, dass ein Aufenthalt von maximal einem halben Arbeitstag erlaubt war.

Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen durch regelmäßige Messungen überprüft

Außerdem habe es weitere Sicherheitsvorkehrungen wie Luftfilter und abgeklebte Fugen gegeben, so Archut. Gefährlich seien Polychlorierte Biphenyle, „PCB“, unter anderem deshalb, weil die Umweltchemikalien zwar keine Akutbeschwerden erzeugen, sich aber in der Natur und im menschlichen Körper anreichern. „Durch Exposition wächst die Gefahr, dass man die Substanzen dauerhaft in seinen Körper aufnimmt. Es besteht daher durchaus die Gefahr, dass man das dauerhaft mit sich im Körper trägt“, sagt Archut.

Vor allem wichtig für den Aufenthalt waren daher die Luftreiniger auf Aktivkohlebasis, die vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB), Eigentümer des Hochhauses, aufgestellt und betrieben wurden.

Ein Beton-Hochhaus erhebt sich vor dem grauen Himmel. Direkt davor wachsen Büsche, vor denen ein öffentlicher Tausch-Stand für Passanten aufgestellt ist.

Vor dem Gebäude ist ein öffentlicher Tausch-Stand für Passanten untergebracht. In dem Hochhaus selbst ist alles still und leer.

Die Luftreiniger entfernen Partikel aus der Luft, „die möglicherweise mit PCB kontaminiert sind.“ Um die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten und zu überprüfen, seien regelmäßig Raumluftmessungen durchgeführt und die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen überprüft worden, erläutert der Uni-Sprecher.

Bis 2019 wurden im Gebäude noch Mäuse gehalten

Es waren allerdings nicht nur menschliche Mitarbeitende, die sich nach der offiziellen Räumung noch in dem Hochhaus aufhielten. Neun Jahre lang wurden in Laboren nämlich noch Tiere gehalten. „Dabei handelte es sich um Mäuse einer Arbeitsgruppe aus der Fachgruppe Biologie“, sagt Archut. „Die Tiere wurden bis Ende Februar 2019 in der Römerstraße gehalten und sind dann in eine zentrale Tierhaltung der Fakultät auf dem Campus Poppelsdorf umgezogen.“

Die Mäuse seien der PCB-Belastung in dem Gebäude allerdings praktisch nicht ausgesetzt gewesen, weil ihre Käfige eine separate, besonders geschützte Luftversorgung hatten.

Bonner Politik fragt 2009 nach Handlungsmöglichkeiten der Stadtverwaltung

Über die potenzielle Gefahr für die Menschen, die sich in dem Gebäude nach Entdeckung der Schadstoffe noch aufhielten, machte sich schon vor der offiziellen Räumung auch die Bonner Stadtpolitik Gedanken. 2009, fünf Jahre nachdem die PCB-Belastung festgestellt wurde, wandte sich die Grünen-Fraktion an die Verwaltung: „Welche Möglichkeiten sieht die Verwaltung, auf die rasche Beendigung der untragbaren und für Studierenden und Wissenschaftler gesundheitsgefährdenden Situation einzuwirken?“, heißt es in der Ratsvorlage.

Die Grünen betonten, dass die PCB-Messergebnisse in vielen Räumen kritisch seien. Zwar sei daher Schwangeren an manchen Hörsälen der Zutritt untersagt worden und Studierende hätten die Möglichkeit erhalten, eine Blutuntersuchung durchführen zu lassen. „Welche Konsequenzen zu ziehen wären, bleibt jedoch offen“, kritisieren die Grünen.

Die Verwaltung gab damals als Antwort zu Protokoll, keinen Einfluss nehmen zu können, da die Stadt nicht Besitzerin des Gebäudes sei. Auch auf eine aktuelle Anfrage, inwiefern sich die Stadt damals mit der Thematik befassen konnte, erklärte ein Sprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: die Stadt, beziehungsweise das städtische Bauordnungsamt sei „nicht zuständig“ gewesen und habe daher keine Einflussmöglichkeit auf bauliche Maßnahmen des Bundes, des Landes oder eines Landschaftsverbands der Oberen Bauaufsichtsbehörde.