Der Andrang im Jaja war so groß, dass irgendwann das Kölsch ausging.
Feiern mit FreundenSo fröhlich war Heiligabend in einer Hennefer Kneipe
Die Stadt schläft, die Straßen liegen verlassen da, so dunkel, ruhig und friedlich, als führten sie mitten durch den Wald. Einzig die Weihnachtsbeleuchtung macht die Frankfurter Straße in Hennef zu einem Boulevard aus Lichtern, hinter den Fenstern sitzen Menschen gerade beim Nachtisch ihres Weihnachtsmenüs oder liegen längst im Bett. Die Besinnlichkeit ist greifbar in den späten Stunden des 24. Dezember.
In festlicher Kleidung drängen sich die Hennefer Gäste in der Kneipe
Als anderswo die Kirchen zur Mitternachtsmette läuten, ist das „Jaja“ brechend voll. Mit Menschen, mit Leben, verbunden im Augenblick des Frohlockens. Als einige der wenigen Kneipen in der Umgebung hat das „Jaja“ an Heiligabend, nach der Zeit von Essen und Geschenken, geöffnet. Und viele Gäste sind hier auf der Suche nach einer Art der Gemeinschaft, die sie zu Hause nicht finden.
Der Weihnachtsbaum steht im Weg, Zweige brechen ab, Kugeln fallen über Schultern und Ärmel zu Boden. Auf Bildschirmen prasselt das Lagerfeuer. Viele tragen noch ihre Kleidung von der Festtafel, schwarze Strumpfhosen, weiße Hemdkragen, Blazer, Halsketten und Lippenstift. Kaum jemand ist älter als 30 Jahre.
Irgendwo dazwischen stehen Chiara und Lina Ludewig. Die beiden Schwestern haben das Raclette bei ihren Eltern in Geistingen genossen und sich an diesen Antipol der Besinnlichkeit treiben lassen. „Man trifft hier viele Bekannte. Leute, die man nicht so gut kennt, wo man aber trotzdem wissen möchte, wie es ihnen geht“, sagt Chiara Ludewig. „Es ist schön, sich mit Menschen auszutauschen, die weggezogen sind und in die Heimat kommen“, ergänzt ihre Schwester.
An Heiligabend auszugehen gehöre für sie an Weihnachten dazu. „Seit wir selber Alkohol trinken durften“, sagt die 26-Jährige. „Wir waren letztes Jahr auch hier, es gibt in Hennef ja nicht mehr so viele Kneipen: Das Sperl hat dauerhaft zu, das Comeback in Geistingen ist schnell voll und lässt nur Stammgäste rein.“ Aber hier, das sei so etwas wie die Zweitfamilie. „Wir bleiben immer bis zum Schluss.“
Hennefer teilen Erinnerungen und drängende Fragen
Dann packt Ludewig ihre Jacke und ihre ältere Schwester unter den Arm, ruft ihrer Bekannten Milena an der Bar etwas zu und drängt sich nach draußen. Der Weihnachtsbaum ist da schon nach draußen gezerrt worden, für zwei Fleckchen mehr Platz. Alle paar Meter drückt die junge Frau angenehm überrascht bekannte Menschen, umarmt die Vergangenheit, gibt kurz Vages preis, spricht länger über Obsoletes.
Im Raucherzelt brennen nicht nur die Glimmstängel, sondern auch die drängenden Themen über Wohnsituation, Arbeitsplatz, Beziehung oder nicht, damals, früher, heute, alle Jahre wieder. Die Menschen am Tisch kennt Ludewig aus der Schulzeit, Gesamtschule Hennef, Abi-Jahrgang 2018.
Köln ist den jungen Leuten aus Hennef „zu teuer“
„Sofie, weißt du, was Annika so macht?“, fragt Milena, aus Siegen in der Heimat. Und erfährt, dass Annika nach Köln ziehen wolle. Dass sie in Düsseldorf arbeite, aber nicht täglich ins Büro müsse. Sofie wiederum hofft, bald nach Hennef ziehen zu können, in die Wohnung, in der ihre Schwester noch mit ihrem Freund lebt. Weldergoven, 80 Quadratmeter für 700 Euro. „Wir sprechen uns nächstes Jahr an Weihnachten hier“, sagt Milena.
An einem Stehtisch, drinnen und rauchfrei, stehen Hannah Frädrich, Fabian Klein, Marie König und Luca Held-Jakobi, alle Mitte 20. Das sei wie ein Klassentreffen, andere kämen an Weihnachten heim und man treffe sie hier wieder, sagen die Vier. Den gemütlichen Abend zu Hause, den hätten sie alle gehabt, aber in einer größeren Gruppe mache das mehr Bock. Sie kämen jedes Jahr hierhin, „Köln ist zu teuer“, sagt Frädrich.
Die Boxen pumpen „She's gone, dance on“ von Disclosure in die stille, heilige Nacht hinein. Bierkränze, die den ganzen Abend über knapp waren, sind nun wieder leichter zu haben, allerdings füllt das „Jaja“-Team die Kölschgläser mittlerweile nur noch mit Hefeweizen. Die Gäste haben das Lokal trockengelegt. „Es war viel mehr los, als ich erwartet hatte. Ich habe mehr als 500 Liter Bier verkauft“, sagt Inhaber Mert Yigit.
Draußen hat sich Chiara Ludewig ihren Schal umgeworfen, das Blau passt zu ihrem Nagellack. Wieder bleibt sie stehen, hat sich festgequatscht. Sie wird am Weihnachtsmorgen eine der Letzten sein, die das „Jaja“ verlassen. Bis ins nächste Jahr, wo sich vielleicht alles geändert haben wird oder auch nicht.