AboAbonnieren

KönigswinterWohl ein US-Soldat ritzte 1945 eine Botschaft in eine Buche am Petersberg

Lesezeit 3 Minuten
Sigrid Lange, Leiterin des Siebengebirgsmuseums, mit dem Stamm und den Einritzungen in dessen Rinde.

Sigrid Lange, Leiterin des Siebengebirgsmuseums, mit dem Stamm und den Einritzungen in dessen Rinde.

Das Stück eines Buchenstammes gehört nun zum Bestand des Siebengebirgsmuseums.

Sigrid Lange, die Leiterin des Siebengebirgsmuseums in Königswinter, hat ein recht spezielles Objekt im Bestand ihres Hauses: ein etwa 40 Zentimeter langes Stück eines Buchenstammes, in den mutmaßlich amerikanische Soldaten zum Ende des Zweiten Weltkriegs hin der Nachwelt eine Nachricht hinterlassen haben.

„San Antonio and Mangari 1945“ hat jemand in die Rinde des Baumes geritzt. Der stand bis vor einer Weile an der Aussichtsplattform nahe der Auffahrt zum Petersberg, musste aber gefällt werden, weil er innen faul war. Jakob Sieger, Experte für viele Themen rund um das Siebengebirge, und Ralf Klodt, Pressefotograf und Kenner der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in der Region, kannten die sogenannte „Arborglyphe“, also die Ritzung in der Baumrinde. Für sie ist es ein Stück Zeitgeschichte, das man erhalten sollte.

Neben dem Nobelhotel auf dem Petersberg wurde der Buchenstamm zwischengelagert

Ralf Klodt schaltete die Petersberg GmbH, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümerin des geschichtsträchtigen Gebäudes und das Siebengebirgsmuseum ein. Bei allen drei Institutionen stieß er auf offene Ohren. So wurde ein langes Stück des Stammes neben dem Nobelhotel zwischengelagert, bis Christoph Gruber, Betreuer der Grünanlagen auf dem Petersberg, mit der Kettensäge daraus ein Stück sägte, das halbwegs transportabel war. Bis zum Abtransport lagerte die Petersberg-Gesellschaft den Stamm trocken in der Tiefgarage, inzwischen ist er in einem der Außendepots des Museums untergebracht.

Mit der Motorsäge wurde das Stück aus dem Stamm gesägt.

Mit der Motorsäge wurde das Stück aus dem Stamm gesägt.

Ungeklärt ist zurzeit noch die Frage, wie die Ritzungen konserviert werden können. Die Rinde werde sich wohl früher oder später vom Stamm lösen, sagt die Museumsleiterin. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und der Südwestrundfunk haben unlängst über Beispiele berichtet (etwa aus dem Hürtgenwald in der Eifel), wo sich Heimatforscher, Förster und Wissenschaftler der dortigen Arborglyphen als Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs annehmen. Da die Zeichen mit dem Wachstum der Bäume schwächer werden oder durch deren Absterben verschwinden, könnte man sie beispielsweise über Scans erhalten oder zumindest dokumentieren.

Der Drachenfels in Königswinter wurde Mitte März 1945 von US-Soldaten eingenommen

Der Petersberg wurde nach seiner Einnahme im März 1945 durch die 78th Infantry Division kurzzeitig als Hauptquartier des VII Corps der 1st US Army genutzt, berichtet Ralf Klodt. Am 28. März 1945 nahm der Oberkommandierende der US Army, Dwight D. Eisenhower, an einer Konferenz der Generalität auf dem Petersberg teil. Gut möglich also, dass amerikanische Soldaten den Schriftzug in den Baum geritzt haben. Klodt ist sicher, dass im Siebengebirge nur später eingesetzte oder durchziehende Soldaten ihre Nachrichten hinterlassen haben. Nur sie hätten Zeit und Muße dafür gehabt. Auf dem Petersberg könnten es Wachsoldaten gewesen sein.

Zwischengelagert: Christoph Gruber, der sich um die Grünanlagen auf dem Petersberg kümmert, wuchtete den Stamm in die richtige Position.

Christoph Gruber, der sich um die Grünanlagen auf dem Petersberg kümmert, wuchtete den Stamm in die richtige Position.

Im Jahrbuch 1995 des Rhein-Sieg-Kreises wurde ein Foto veröffentlicht, das einen Buchenstamm am Aufgang zum Drachenfels zeigen soll. Dort hat demnach ein GI eine Botschaft hinterlassen „J. Sevits Loraine Ohio 3-21-45“ lautet die Arborglyphe. Der Drachenfels wurde Mitte März 1945 eingenommen. Den Angaben von Jakob Sieger zufolge gibt oder gab es viele solcher Darstellungen im Siebengebirge, auch von Zwangsarbeitern, die beispielsweise in den Ofenkaulen für die Firma Aero-Stahl schuften mussten, oder den Edelweißpiraten, einer Widerstandsgruppe gegen Hitlers NS-Staat.

„Ich habe vor über zehn Jahren angefangen, diese Zeitzeugen zu fotografieren, da mir klar war, dass diese früher oder später aus Altersgründen, Unachtsamkeit oder sogar wegen völliger Ignoranz verschwinden werden“, berichtet Jakob Sieger. „Ein spannendes Thema.“