AboAbonnieren

Risiko für Extremwetter steigtDiese Maßnahmen trifft Rhein-Sieg gegen Folgen des Klimawandels

Lesezeit 8 Minuten
Ein Starkregen setzt eine Straße in Rhein-Sieg unter Wasser. Die Fahrbahn selbst ist kaum noch zu erkennen.

Starkregen wird die Region künftig wohl als Folge des Klimawandels häufiger zu schaffen machen. (Symbolbild)

Eine Umfrage des Netzwerks Correctiv untersucht, wie gut Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet ist. Wir haben genauer nachgefragt.

Langwierige Hitzewellen, Dürren, Hochwasser und Starkregen sind Extremwettereignisse, die auch in unserer Region immer häufiger vorkommen. Es sind deutliche Zeichen des Klimawandels, die sich hier bemerkbar machen – greifbar für alle. Und an solche Wettereignisse müssen sich Länder und Städte besser anpassen.

Das macht auch eine Umfrage des Recherchenetzwerks Correctiv, NDR Data, BR Data, und WDR Quarks deutlich. Die Recherche hat untersucht, wie die Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland auf die Anpassung an Folgen des Klimawandels vorbereitet sind.

Wie ist die Lage im Rhein-Sieg-Kreis? Gibt es ein Konzept für Klimaanpassung? Welche Maßnahmen hat der Kreis bereits ergriffen, um gegen Fluten, Dürre und Starkregen besser gewappnet zu sein? Wir stellen die Umfrageergebnisse vor und haben beim Kreis noch einmal genauer nachgefragt. Denn auch in Rhein-Sieg bleibt es vergleichsweise immer länger heiß.

In allen Kreisen und Städten der Region um Köln zeigen die Daten klar, wovor Expertinnen und Experten schon lange gewarnt haben. Es wird heißer – in diesem Fall: Es gibt mehr besonders heiße Tage. In den 30 Jahren von 1961 bis 1990 hatte Köln durchschnittlich 6,2 Tage über 30 Grad Celsius im Jahr. Im Zeitraum von 1993 bis 2022 waren es fast doppelt so viele mit 11,3. Das ist ein Anstieg von etwa 83 Prozent.

Und damit entwickelt Köln sich nicht einmal am drastischsten, auch wenn die Anzahl der Hitzetage hier am höchsten ist. Den deutlichsten Anstieg zeigen die Daten im Kreis Euskirchen. In den letzten 30 Jahren gab es hier zwar nur durchschnittlich 5,7 Hitzetage (das sind genauso viele wie in Leverkusen vor 1990), aber ausgehend von 2,2 Tagen im Betrachtungszeitraum zuvor ist das mehr als eine Verdopplung. Ebenfalls mehr als doppelt so viele Hitzetage sehen der Oberbergische Kreis und der Rheinisch-Bergische Kreis. Am wenigsten stiegen die Hitzetage in Bonn an (69 Prozent, von 6,4 auf 10,8). Der Rhein-Sieg-Kreis liegt hier absolut im Mittelfeld. Die Hitzetage entwickeln sich sehr ähnlich wie in Köln – sind aber im Durchschnitt geringer. (pic)


Rhein-Sieg rechnet künftig mit signifikant mehr Schäden durch Extremwetter

Im Rhein-Sieg Kreis ebenso wie in anderen Kreisen wird auch in diesem Jahr die anhaltende Trockenheit zu einem großen Problem. So hat der Kreis erst jüngst eine Allgemeinverfügung erlassen. Damit ist es verboten, Wasser mit Pumpen aus Flüssen und Bächen zu entnehmen. Kleinere Nebenflüsse und Gewässer wie die Sülz, der Altendorfer Bach oder der Orbach seien unter den kritischen Niedrigwasserstand gefallen und überhaupt nur noch als Rinnsale zu erkennen, teilte der Kreis mit.

Mit solchen und ähnlichen Risiken vermutet der Kreis, in Zukunft noch weit öfter konfrontiert zu werden, wie er in der Correctiv-Umfrage angibt. Rhein-Sieg ist sich mit den anderen Landkreisen und Städten der Region – Rhein-Berg, Oberberg, Euskirchen, Leverkusen – einig. Bis 2050 erwarten sie alle mehr Schäden und finanzielle Belastungen durch Extremwetter wie Hitzewellen und Dürre, Starkregen und Hochwasser.

Im Rhein-Sieg-Kreis ist ein Konzept für Klimafolgenanpassung in Planung

Rhein-Sieg ist dabei einer der wenigen Kreise in der Region, der noch kein Klimaanpassungskonzept hat. Auch Oberberg und Rhein-Erft haben noch keine ausformulierten Strategien, die Konzepte befinden sich jedoch in Arbeit. In Rhein-Sieg ist allerdings ein Klimaanpassungskonzept bisher bloß „in Planung“, teilt der Kreis auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.

Was ist ein Klimaanpassungskonzept? Hinter dem komplizierten Namen verbirgt sich ein Programm mit Strategien und Maßnahmen, um sich an klimawandelbedingte Extremwetterereignisse wie eben Fluten, Hitze, Dürre und Hochwasser anzupassen. Es geht also hierbei explizit nicht um Klimaschutzmaßnahmen wie die Verringerung von Emissionen. Deshalb können Städte und Kreise auch beispielsweise ein Klimaschutzkonzept und ein Klimaanpassungskonzept haben, die einander ergänzen.

Ein Hochwasser-Konzept wird schon separat in Rhein-Sieg erarbeitet

Ein Konzept konnte im Rhein-Sieg-Kreis aber laut Aussage der Kreisverwaltung bisher aus personellen Gründen nicht angegangen werden. Für das Projekt seien im Haushalt jedoch schon Mittel in Höhe von insgesamt 100.000 Euro (verteilt auf 2023 und 2024) vorgesehen. Zunächst müsse für den Kreis eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Klimadaten gemacht werden, darauf soll dann eine Klimarisikoanalyse aufbauen. Mit dem Klimaanpassungskonzept soll dann schließlich ein entsprechender Maßnahmenkatalog erstellt werden, teilt der Kreis mit.

„Die Festlegung der Inhalte und des jeweiligen Umfangs soll in Abstimmung mit den kreisangehörigen Kommunen erfolgen“, so eine Kreissprecherin. Zudem erstelle Rhein-Sieg derzeit schon ein separates Hochwasser- und Starkregenkonzept. Daher „sind für das Klimaanpassungskonzept schwerpunktmäßig die Themen Hitze und Dürre vorgesehen.“

Rhein-Sieg kooperiert bei Starkregen mit anderen Kreisen und Wasserverbänden

Einige Maßnahmen und Projekte haben die Gemeinden in Rhein-Sieg schon auf den Weg gebracht und geplant, die auch in „eigener Zuständigkeit“ ergriffen werden können, berichtet der Kreis. „Das kann unterschiedliche Ebenen ansprechen, beispielsweise die Anpassung der eigenen kommunalen Liegenschaften, die Entsiegelung von Schulhöfen oder Begrünung von Quartieren oder die Erstellung eines Anpassungskonzeptes.“ So gebe es schon ein Interkommunales Klimaanpassungskonzept für die Region Rhein-Voreifel, die linksrheinischen Kommunen im Kreis.

Auch mit dem Oberbergischen Kreis, dem Rheinisch-Bergischen Kreis, dem Eneppe-Ruhr-Kreis, Leverkusen, Solingen, Wuppertal und Remscheid sowie den Wasserverbänden Agger- und Wupperverband arbeite Rhein-Sieg im Zuge einer Kooperationsvereinbarung bei Hochwasser- und Starkregenereignissen zusammen. Was Maßnahmen in den einzelnen Kommunen angeht, betont die Kreisverwaltung, dass der Kreis nur „begrenzt unmittelbar tätig werden“ könne. Die Planungshoheit und Finanzierung liege für Wohn- oder Gewerbegebiete bei den einzelnen Kommunen.

Herausforderung für die Klimaanpassung ist regional unterschiedliche Bebauung

„Bei Neubauten und Sanierungen von Kreisliegenschaften wird bereits jetzt ein besonderer Fokus auf die Resilienz gegenüber steigenden Temperaturen gelegt“, so die Kreissprecherin. „So wurden bei der Planung für den Neubau der Rettungswache in Ruppichteroth Aspekte des Hitze- und Starkregenschutzes umfänglich bei der Gestaltung der Toranlagen, eine Dach- und Fassadenbegrünung, die Planung einer Regenwasserzisterne und die Versickerungsfähigkeit nicht zu vermeidender Pflasterflächen berücksichtigt.“


Zur Methodik

Correctiv.Lokal bezieht sich bei den Dürredaten auf Erkenntnisse des „UFZ Hemholtz Zentrum für Umweltforschung“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort sprechen von Dürre, wenn die Feuchtigkeit im Boden „unter das langjährige 20-Perzentil fällt“. Das bedeutet: Wenn man die Werte eines Zeitraums betrachtet, fallen die Werte unter die trockensten 20 Prozent der Jahre. Wie stark die Dürre ist, wird in diesem Schritt noch nicht betrachtet.

Im Rhein-Sieg-Kreis hat sich die durchschnittliche Dürredauer zwischen den jeweiligen 30-Jahr-Zeiträumen um 0,4 Monate gesteigert, das sind etwa 12 Tage Dürre mehr. Betrachtet man insbesondere den aktuellsten Beobachtungszeitraum, also die Jahre von 1993 bis 2022 genauer, wird klar, wann genau diese Steigerung stattfindet. Waren von 1993 bis einschließlich 2017 etwa noch nur 2 Monate besonders trocken, ist der Anstieg in den letzten fünf Jahren des Zeitraums enorm.

Von 2018 bis 2022 war es mehr als vier Monate lang zu trocken für die Landwirtschaft. An sogar mehr als sieben Monaten war es so trocken, dass Wälder nicht mehr ausreichend Wasser ziehen konnten. Das ist fast zwei Drittel des Jahres.

Wichtig zu beachten: Diese Zahlen bilden nicht nur die Tatsache ab, dass es im Sommer trockener ist als im Winter. Im Vergleich zu anderen Werten, die in den entsprechenden Monaten gemessen wurden, muss die Feuchtigkeit im Boden geringer als 80 Prozent der Ergebnisse sein, um als Dürre bezeichnet zu werden. (pic)


Als eine besondere Herausforderung bei der Erarbeitung seines Anpassungskonzepts beschreibt der Kreis, dass das Gebiet „hinsichtlich der zu erwartenden Belastungen durch den Klimawandel stark heterogen aufgestellt“ sei. Das heißt, es gibt ländliche Gebiete mit weniger Bebauung und mehr Grünflächen. Dem gegenüber stehen die verdichteten Innenstadtbereiche. „Es liegen zudem unterschiedliche Nutzungen durch Land- und Forstwirtschaft, Wohnen, Gewerbe und Industrie sowie auch wichtige überregionale Verkehrsachsen vor“, so die Verwaltung. Diese reagierten natürlich auch alle unterschiedlich auf die Aspekte des Klimawandels.

Um die verschiedenen notwendigen Maßnahmen feststellen zu können, führe der Kreis unter anderem seit Beginn dieses Jahres „Gewässerbegehungen durch, um im Hinblick auf mögliche Starkregen- oder Hochwasserereignisse Schwachstellen zu erkennen und die verantwortlichen Anlieger zur Beseitigung zu veranlassen.“

Klimaanpassung ist keine kommunale Pflichtaufgabe.
Verwaltung des Rhein-Sieg-Kreises.

Ein weiterer Aspekt, mit dem Rhein-Sieg und die anderen Kreise der Region zu kämpfen haben, ist die Finanzierung ihrer Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels. So teilt der Rhein-Sieg-Kreis auf Anfrage mit: „Klimaanpassung ist keine kommunale Pflichtaufgabe, daher müssen die Maßnahmen zum großen Teil aus eigenen Mitteln finanziert werden.“ Es ist noch keine Pflichtaufgabe müsste hier gesagt werden, denn erst vor kurzem hat die Bundesregierung im Kabinett einen Gesetzentwurf von Umweltministerin Steffi Lemke zur Klimaanpassung beschlossen.

Damit sollen die Bundesländer beauftragt werden, dafür zu sorgen, dass in Ländern, Gemeinden und Kreisen Klimaanpassungsstrategien und -konzepte entstehen. So sollen Prozesse, Zielsysteme und Indikatoren in dem Gesetz festgelegt werden, sodass sie nicht mehr von den jeweiligen Landkreisen ermittelt werden müssten. Außerdem verpflichtet sich die Bundesregierung, eine Anpassungsstrategie mit messbaren Zielen bis Ende 2024 vorzulegen.

Nichtsdestoweniger bleibt die Finanzierung vorerst ein Problem. Wenn Projekte wie Deiche, Dach- oder Fassadenbegrünung, Schwammstadt-Prinzipien oder Hochwasserschutz nicht aus eigenen Mitteln finanziert werden können, könnten Fördermittel helfen. „Förderprogramme sind oftmals auf einzelne Aspekte stark fokussiert und nur zeitlich befristet verfügbar, was deren Nutzung erschwert“, beklagt der Rhein-Sieg-Kreis. Antragsunterlagen auszufüllen, sowie Nachweis- und Dokumentationspflichten nachzukommen, sei besonders zeit- und personalintensiv.

Zwar seien dem Kreis Fördermittel für das kreisweite Starkregen- und Hochwasserkonzept bewilligt worden, das derzeit erarbeitet wird. Doch „ohne zusätzliche Mittel erscheint eine Umsetzung der notwendigen Anpassungsmaßnahmen als sehr schwierig.“