Eine Umfrage des Netzwerks Correctiv untersucht, wie gut Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet ist. Wir haben genauer nachgefragt.
Mehr Extremwetter erwartetSo will sich Leverkusen an die Folgen des Klimawandels anpassen
Der Juli 2021 hat es gezeigt, wie kein Sommer der letzten 100 Jahre: Wir müssen uns darauf einstellen, zukünftig mehr Extremwetter ausgesetzt zu sein, auch wenn der Starkregen und die Überflutungen im Juli 2021 als „Jahrhundertereignis“ gelten. Es sind auch deutliche Zeichen des Klimawandels.
Auch Leverkusen hat das Hochwasser vor drei Jahren hart getroffen. Der Wiederaufbau ist an vielen Stellen zwar abgeschlossen, mancherorts läuft er aber nach wie vor. Vor allem in den Stadtteilen Opladen, Schlebusch, Bürrig und Altenrath liefen viele Keller und Erdgeschosse voll, Stromkästen wurden überflutet, die Stromversorgung fiel tagelang aus. Ein Ausnahmezustand. Auf solche Ereignisse will die Stadt in Zukunft besser vorbereitet sein und hat einige Maßnahmen getroffen. Das zeigt eine Umfrage des Recherchenetzwerks Correctiv, NDR Data, BR Data, und WDR Quarks.
Leverkusen sieht sich schon heute stärker von Wetterereignissen belastet
Die Recherche untersucht, wie die Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet sind. Demnach erwarten die Kreise und Städte in der Region, bis zum Jahr 2050 eine zunehmende Belastung und auch finanzielle Schäden durch extreme Wetterlagen wie Hitzewellen, Dürre, Starkregen und Überflutungen. Wir stellen die Umfrageergebnisse vor und haben bei der Stadt noch einmal genauer nachgefragt.
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In allen Kreisen und Städten der Region um Köln zeigen die Daten klar, wovor Expertinnen und Experten schon lange gewarnt haben. Es wird heißer – in diesem Fall: Es gibt mehr besonders heiße Tage. Den deutlichsten Anstieg zeigen die Daten im Kreis Euskirchen. In den letzten 30 Jahren gab es hier zwar nur durchschnittlich 5,7 Hitzetage (das sind genauso viele wie in Leverkusen vor 1990), aber ausgehend von 2,2 Tagen im Betrachtungszeitraum zuvor ist das mehr als eine Verdopplung. Ebenfalls mehr als doppelt so viele Hitzetage sehen der Oberbergische Kreis und der Rheinisch-Bergische Kreis. Am wenigsten stiegen die Hitzetage in Bonn an (69 Prozent, von 6,4 auf 10,8). Leverkusen liegt im oberen Mittelfeld, aktuell erleben die Leverkusenerinnen und Leverkusener an durchschnittlich elf Tagen pro Jahr Temperaturen über 30 Grad.
Leverkusen gehört zu den 90 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte, die laut Umfrage schätzen, dass das Risiko für Starkregen und Hitzewellen bis 2050 steigen wird. Auch bei Dürre, allgemeinen Extremwetterereignissen, Stürmen und Hochwasser gibt die Stadt in der Umfrage an, bis 2050 mit signifikant höheren „finanziellen Belastungen“ durch Schäden als in der Vergangenheit zu rechnen.
Leverkusen verfolgt eine Doppelstrategie für Klimaschutz und Klimaanpassung
Um gewappnet zu sein, hat die Stadt 2020 ein „Klimaanpassungskonzept“ beschlossen. Hinter dem etwas komplizierten Namen verbirgt sich ein Programm, um sich an klimawandelbedingte Extremwetterereignisse wie Fluten, Hitze und Hochwasser anzupassen beziehungsweise ihnen vorzubeugen. Es geht also explizit nicht um Klimaschutzmaßnahmen wie die Verringerung von Emissionen.
Damit sollen allerdings die „städtischen Maßnahmen zum Klimaschutz ergänzt werden und die Stadt Leverkusen für zukünftige Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, gut aufgestellt sein“, erklärt die Verwaltung auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Leverkusen ziele mit dieser Doppelstrategie Klimaschutz und Klimaanpassung sowohl auf Energieeinsparungen ab als auch darauf, die Folgen des Klimawandels anzugehen.
Eine besondere Herausforderung ist nach Meinung der Leverkusener Verwaltung, dass Städte und Gemeinden schon so stark bebaut sind. „Die durchschnittliche Erneuerungsrate des Bestandes beträgt nur knapp ein Prozent pro Jahr.“ Deshalb müssten neu geplante Gebäude und Quartiere bereits Klimaanpassung in ihre Planung integrieren.
Wasserstationen für die Leverkusener
Wichtige Maßnahmen gegen Hitze und Dürre sind da zum Beispiel Fassaden- und Dachbegrünung und die Entsiegelung von Flächen, damit Hitze nicht noch mehr Asphaltflächen als sowieso schon aufheizt. Bei der Suche Flächen, die für die Entsiegelung in Frage kommen, war die Stadt allerdings einstweilen nicht sehr erfolgreich und fand lediglich zwei Parkplätze mit zusammen nicht einmal 2000 Quadratmetern Fläche. Die Suche soll aber weitergehen.
Mehr und besonders dürreresistente Bäume in Städten zu pflanzen, ist auch eine solche Maßnahme. Im Mai kündigte die Stadt an, finanziell unterstützt von der KfW 150 weitere Straßenbäume pflanzen zu wollen und die Standorte von weiteren 100 Straßenbäumen deutlich zu verbessern, damit die Bäume besser wachsen können.
Unter dem Stichwort „Hitze“ stellt die Stadt auf ihrer Webseite der Bevölkerung Verhaltenstipps und Informationen zur Verfügung. „Durstige Menschen können sich an sogenannten Refill-Stationen in Cafés, Restaurants oder Geschäften leere Wasserflaschen kostenfrei mit Leitungswasser füllen.“ 30 solcher Stationen seien in der Stadt inzwischen vorhanden und könnten auch auf einer interaktiven Karte ausfindig gemacht werden.
Städtische Neubauten sollen grundsätzlich auf Dachbegrünung geprüft werden
Auch gegen Hochwasser seien Maßnahmen bereits ergriffen worden, gibt die Stadt in der Umfrage an, wie beispielsweise Deiche und Mauern oder Rückhaltebecken. Zurzeit erarbeite die Stadt eine „Grünsatzung als örtliche Bauvorschrift“, mit der Grünflächen für Gebäude und Grundstücksflächen in Zukunft dauerhaft gesichert und ausgebaut werden sollen.
„Damit es in der Stadt mehr begrünte Gebäude gibt, sollen mit dem stadtweiten Förderprogramm Dach- und Fassadenbegrünung finanzielle Anreize geboten werden“, erklärt die Verwaltung. Der Stadtrat beschloss 2023, Fassadenbegrünungen und die Entsiegelung von Flächen auf privatem Grund finanziell zu fördern. Und auch beim Neubau von städtischen Gebäuden erfolge standardmäßig eine Prüfung auf eine mögliche Dachbegrünung.
Stadt Leverkusen pflanzt schon seit Jahren vermehrt dürreresistente Bäume an
Dürreresistente Bäume pflanze die Stadt schon seit einigen Jahren an, die mit ihrer Widerstandsfähigkeit den Klimabedingungen besser trotzen könnten. Dazu gehören unter anderem Bäume wie die Blasenesche, die im Gebiet Schlebuscherheide gepflanzt worden sei, die ungarische Eiche (im Neulandpark zu finden), die italienische Erle (unter anderem in der Kölnerstraße) und diverse Ulmenarten und Silberlinden.
Die Bäume sollen nicht nur an heißen Tagen Schatten bieten, sondern auch selbst Dürre länger und besser aushalten als andere Arten. Das wird in Anbetracht der Steigerung von Dürremonaten in Leverkusen wohl auch nötig sein, wie aktuelle Daten deutlich zeigen.
Correctiv.Lokal bezieht sich bei den Dürredaten auf Erkenntnisse des „UFZ Hemholtz Zentrum für Umweltforschung“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort sprechen von Dürre, wenn die Feuchtigkeit im Boden „unter das langjährige 20-Perzentil fällt“. Das bedeutet: Wenn man die Werte eines Zeitraums betrachtet, fallen die Werte unter die trockensten 20 Prozent der Jahre. Wie stark die Dürre ist, wird in diesem Schritt noch nicht betrachtet.
In Leverkusen hat sich die durchschnittliche Dürredauer zwischen den jeweiligen 30-Jahr-Zeiträumen um 0,4 Monate gesteigert, das sind etwa 12 Tage Dürre mehr. Betrachtet man insbesondere den aktuellsten Beobachtungszeitraum, also die Jahre von 1993 bis 2022 genauer, wird klar, wann genau diese Steigerung stattfindet. Waren von 1993 bis einschließlich 2017 etwa noch nur 1,8 Monate (also ein Monat und 24 Tage) besonders trocken, ist der Anstieg in den letzten fünf Jahren des Zeitraums enorm.
Von 2018 bis 2022 war es mehr als fünf Monate lang zu trocken für die Landwirtschaft. An sogar mehr als acht Monaten war es so trocken, dass Wälder nicht mehr ausreichend Wasser ziehen konnten. Das ist mehr als zwei Drittel des Jahres.
Wichtig zu beachten: Diese Zahlen bilden nicht nur die Tatsache ab, dass es im Sommer trockener ist als im Winter. Im Vergleich zu anderen Werten, die in den entsprechenden Monaten gemessen wurden, muss die Feuchtigkeit im Boden geringer als 80 Prozent der Ergebnisse sein, um als Dürre bezeichnet zu werden.
Leverkusen konkurriert mit anderen Kommunen um Förderung vom Land
Ähnlich wie andere Städte und Kreise gibt Leverkusen in der Umfrage an, dass die Finanzierung solcher Maßnahmen zur Klimaanpassung grundsätzlich ein schwieriges Thema sei. So hat die Stadt zum Beispiel keinen eigenen Etat dafür zur Verfügung und finanziert Projekte zu etwa „gleichen Teilen aus Fördermitteln und eigenen Mitteln“. Dennoch geht die Stadt davon aus, dass die Maßnahmen in den kommenden Jahren nicht ausreichend finanziert werden können.
„Grundsätzlich muss die Finanzierung einer Maßnahme immer im Haushalt komplett abgebildet werden“, so die Verwaltung. Auch, wenn Fördermittel beantragt würden. Die Kommune müsse immer in Vorleistung gehen und dafür müssten eben genügend Haushaltsmittel vorhanden sein. Zudem erhalte eine Kommune nicht immer einen Bewilligungsbescheid für eine Förderung, da „eine Stadt wie Leverkusen sich in Konkurrenz zu anderen Kommunen um die Förderung von Land und/oder Bund“ bewerbe. Nach dem katastrophalen Einbruch der prognostizierten Einnahmen aus der Gewerbesteuer, der im August bekannt wurde, stellt sich allerdings grundsätzlich die Frage, welche Projekte für Klimaschutz und -anpassung die Stadt überhaupt noch anpacken kann in den kommenden Jahren.
Diese Recherche ist Teil einer Kooperation des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit CORRECTIV, NDR, BR und WDR. Das Netzwerk CORRECTIV.Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt langfristig über die Klimakrise. Weitere Informationen gibt es online.