Die Stadt darf nur noch Geld für das ausgeben, was sie wirklich muss.
Gewerbesteuer „massiv eingebrochen“Stadt Leverkusen muss sich Haushaltssperre auferlegen
Es ist gut sichtbar, dass das, was Kämmerer Michael Molitor zu verkünden hat, nicht spurlos an ihm vorübergeht. Molitor und Oberbürgermeister Uwe Richrath teilten am Freitagmorgen im Pressegespräch mit, dass der Finanzdezernent eine Haushaltssperre für die Stadtkasse verhängen muss, die für den Rest des Jahres gilt. Die Gewerbesteuereinnahmen seien „massiv eingebrochen“, teilt der Oberbürgermeister mit. Um wie viel genau, könne er noch nicht sagen, ergänzt Molitor. Vielleicht würde es ein Drittel der kalkulierten 380 Millionen Euro.
Der Kämmerer ist durch die Gemeindeordnung gesetzlich dazu verpflichtet, eine solche Sperre zu verhängen, wenn er erkennt, dass das geplante Jahresergebnis nicht zu erreichen ist. Bei der Verabschiedung des Haushaltes waren Einnahmen von 924 Millionen Euro und Ausgaben von 942 Millionen Euro eingeplant. Konkret heißt das für die Stadtverwaltung: Sie darf für den Rest des laufenden Jahres nur noch das ausgeben, was sie ausgeben muss. Sogenannte „freiwillige Leistungen“ müssen jetzt überprüft werden.
Leverkusen: Verwaltung muss sparen
Kämmerer und Oberbürgermeister wollen und müssen in Abstimmung mit der Politik nun schauen, wo sich Geld einsparen können. „Der Haushalt war auf Kante genäht“, daran erinnert Michael Molitor. Das sei gewollt gewesen, um der Stadt Handlungsspielraum zu lassen. Und in den vergangenen Jahren sei das Ergebnis immer besser gewesen als der Plan. Das werde wohl auch für den Jahresabschluss 2023 gelten. Man werde wohl mit einem Plus im zweistelligen Millionenbetrag abschließen. 2024 sieht das jetzt anders aus. „Das war am Anfang des Jahres nicht abzusehen“, sagt OB Richrath. 2014 musste sich die Stadt zuletzt eine Haushaltssperre auferlegen.
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Der aktuelle Fehlbetrag kommt auch dadurch zustande, dass Unternehmen in Leverkusen Steuerrückzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe erhalten hätten. Geld, das Molitor eingeplant hatte. Gleichzeit gebe es auch noch Rückstände aus vergangenen Jahren, die in die Stadtkasse fließen sollen.
Nicht betroffen von der Haushaltssperre seien Bauvorhaben in Kitas und Schulen, macht Richrath deutlich. „Freiwillige Leistungen“ gibt es zum Beispiel in den Bereichen Sport oder Kultur. Wo genau gespart werden soll, ist aber noch nicht klar. Man müsse jetzt aber auch überlegen, wie es mit den Zuschüssen für die Tochtergesellschaften aussieht. „Wir haben die Gesellschaften in den vergangenen Jahren viel unterstützt, jetzt müssen sie uns unterstützen“, sagt Richrath. Das heißt, die Stadt muss überlegen, ob die Gesellschaften mehr an sie ausschütten, ob Zuschüsse gekürzt werden oder ob die Tochterfirmen Dinge von der Stadt übernehmen können, um die Stadtkasse damit nicht weiter zu belasten.
Den Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen führen Richrath und Molitor auf die schlechte Wirtschaftslage zurück. Davon sei Leverkusen als Industriestandort besonders betroffen. Aber grundsätzlich werde es für Unternehmen am Standort Deutschland immer schwieriger, so Richrath. „Die Krisen konnte keiner vorhersehen“, sagt auch Michael Molitor.
Kämmerer und Oberbürgermeister bekräftigen, dass am Gewerbesteuer-Hebesatz von 250 Punkten nicht gerüttelt wird. „Wir werden nicht an die Steuern rangehen“, sagt Richrath unmissverständlich. Mit dem extrem niedrigen Gewerbesteuersatz will die Stadt Unternehmen anlocken. Und das habe auch geklappt, betont Richrath. 7200 Gewerbesteuerzahler gibt es in Leverkusen derzeit.
Leverkusen: Es fehlen Gewerbeflächen und Mittelstand
Grundsätzlich, so die Strategie von Molitor und Richrath, wolle man sich unabhängiger von der Chemieindustrie aufstellen, allerdings ohne sie zu vernachlässigen. In der Stadt gebe es Bürostandorte, man sei im Gespräch mit Dienstleistern, die sich vorstellen könnten, nach Leverkusen zu kommen, sagt Molitor. Was aber fehle, seien Gewerbeflächen. Und der Mittelstand.
Molitor und Richrath gehen in ihrer Bewertung mit Bund und Land hart ins Gericht. „Wir bekommen ständig neue Aufgaben, aber ohne dafür das Geld zu erhalten“, sagt der Kämmerer. Das habe zur Folge, dass die Kassenkredite stiegen, nicht nur in Leverkusen. „Die oberen Behörden lassen uns teilweise hängen“, spricht Molitor Klartext. „Die Musik spielt hier und nicht in Berlin oder Düsseldorf.“
Häufig, erklärt der Kämmerer, gebe es zum Beispiel Förderungen, die allerdings zeitlich begrenzt seien. Die Konsequenz: Wenn die Förderung ausgelaufen sei, stehe die Kommune mit der Finanzierung alleine da. Und das, was man den Bürgern vorher durch die Förderung den Menschen anbieten konnte, wolle man ihnen ja nicht wieder wegnehmen. Das Deutschlandticket sei so ein Beispiel.
OB Richrath teilt mit, er fordere bereits seit einem Jahr den Brückenstrompreis zur Entlastung der chemischen Industrie. Auch durch den neuen Bundeshalt würden die Kommunen nicht entlastet. So richtig scheinen die Beschwerden nicht „oben“ anzukommen. Zwar gebe es den Städtetag, der immer wieder die Klagen der Kommunen weitergibt. Aber passiert ist in dieser Hinsicht noch nicht viel.
Als Nächstes wird sich der Finanzausschuss mit dem Thema befassen. Die Verwaltung will der Politik nun Vorschläge dazu unterbreiten, wo gespart werden könne.
Reaktionen aus der Politik
„Dass etwas kommt, war angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage insbesondere für die chemische Industrie zu erwarten“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Stefan Hebbel. „Das Ausmaß aber nicht.“ Hebbel sieht auch eine Mitschuld in der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Ampel-Koalition in Berlin. Man werde sich die Ausgaben nun ganz genau anschauen und ebenfalls Sparvorschläge machen. „Der OB muss jetzt Farbe bekennen und, wenn nötig, auch unangenehme Entscheidungen treffen.“ Seine Fraktion sieht vor allem bei Prozessen, Organisation und Personal noch Möglichkeiten, diese zu optimieren und so letztlich Geld zu sparen. Der Christdemokrat bringt dafür Künstliche Intelligenz ins Spiel. Er will ebenfalls nicht von den 250 Punkten bei der Gewerbesteuer abrücken.
So wie Milanie Kreutz (Fraktionsvorsitzende der SPD): „Alles, was zukünftige Einnahmen für Leverkusen sichert und generiert, muss absolute Priorität haben.“ Das 250-Punkte-Konzept zur Gewerbesteuer sei eine Notwendigkeit und nicht verhandelbar. „Wir brauchen diesen Standortvorteil, um für die Zukunft eine diversere Unternehmenskultur in Leverkusen zu fördern. Ein guter Mix aus Industrie, Wirtschaft, Mittelstand und Handwerk machen uns für die Zukunft krisenfest.“ Kreutz fordert jetzt ebenfalls Unterstützung von den Stadttöchtern: „Wir werden überprüfen, welche Aufgaben an die städtischen Töchter gehen. Wir werden noch genauer hinschauen, welche Tochter wie viel ausschütten kann“ und man werde die städtischen Zuschüsse prüfen.
Die Grünen fordern jetzt eine „Task Force“, in der auch Ratsmitglieder vertreten sind. Darin soll erörtert werden, wie es zur Haushaltssperre kommen konnte und wie ein Haushaltssicherungskonzept im kommenden Jahr vermieden werden könne. Stefan Baake, finanzpolitischer Sprecher, kommentiert: Es bleibe offen, „wie sichergestellt werden kann, dass die Stadt Leverkusen nicht Gefahr läuft, im Jahr 2025 und den darauffolgenden Jahren in ein Haushaltssicherungskonzept zu geraten.“ Rupy David und Thomas Nagel aus dem Parteivorstand meinen, solche Entwicklungen seien eigentlich langfristig prognostizierbar.
Die FDP-Fraktion kommentiert, sie habe sich stets als Mahner bei finanziellen Ausgaben positioniert. Deshalb begrüße man die Haushaltssperre. Fraktionschef Jörg Berghöfer sagt: „Die finanzielle Stabilität unserer Stadt hat für uns oberste Priorität. Die Haushaltssperre ist ein notwendiger Schritt, um die Ausgaben zu kontrollieren und die finanzielle Gesundheit Leverkusens zu sichern. “(nip)