50 Jahre im BerufDie Kunden des Messerschmieds in Siegburg kommen aus der ganzen Welt
Siegburg – Dünn wie ein Blatt Papier ist die Klinge, die aus 220 Lagen handgeschmiedetem Stahl besteht – „eine alte Samurai-Tradition“, wie Günter Wolf erklärt. Solche Qualität hat ihren Preis: Fast 1600 Euro kostet das japanische Damastmesser, das der Messerschmied in seinem Laden an der Holzgasse im Angebot hat. „Mit dieser extrem scharfen Klinge kann man Zwiebeln schneiden, ohne dass eine einzige Träne fließt“, erklärt Ehefrau Iris Wolf.
Schnitte mit einem stumpfen Messer zerquetschen nämlich die Zwiebel. Dabei treten die ätherischen Öle aus, die das Auge reizen. Eine Firma aus Fernost hat das wertvolle Stück hergestellt, ein Exemplar für Profiköche oder auch Sammler. „Manche stellen ihre Messer sogar in Vitrinen, um sie wie Museumsstücke zu präsentieren“, sagt Iris Wolf.
In seiner Werkstatt im Hinterhof schmiedet ihr Mann schon lange keine Messer mehr – das haben inzwischen Maschinen in den großen Unternehmen übernommen – , aber er verpasst ihnen nach einer Zeit des Gebrauchs den perfekten Schliff. Das gilt auch für Tafelbesteck oder medizinische Instrumente wie Küretten.
Die Kunden kommen nicht nur aus der Region, sondern auch aus der Schweiz, aus Japan, Australien und den USA. In diesen Tagen senden sie Grußkarten und Blumensträuße.
Denn Günter Wolf feiert sein 50. Berufsjubiläum. In vierter Generation führt er den Betrieb in Siegburg, den der Urgroßvater gründete. Das 100-jährige Bestehen soll im nächsten Jahr gefeiert werden.
Günter Wolf lernte das Schmieden und Schleifen bei seinem Vater, den er als strengen Lehrmeister in Erinnerung hat. 1971 begann er seine Ausbildung, 1996 übernahm er den Laden an der Holzgasse. Es war zunächst nicht sein Traumberuf, er wäre lieber Kindergärtner geworden; „doch im Nachhinein bin ich zufrieden“, sagt der 66-Jährige.
Die Nähe zum Kunden ist ihm wichtig. Früher waren das auch Metzgereien, Bäckereien, Schreinereien, sogar Druckereibetriebe, die bei ihm im Siegburger Betrieb ihre 1,80 Meter langen Papiermesser schleifen ließen. Oder Gartenbesitzer, die ihre mechanischen Rasenmäher an die Holzgasse brachten. „Im Sommer habe ich zeitweise 20 Stück am Tag geschärft“, berichtet Wolf. Ein Exemplar steht noch in seiner Werkstatt.
Hier erklärt er gern an den alten Schleifscheiben das Handwerk – zum Beispiel in der „Sendung mit der Maus“, die schon bei ihm zu Gast war. Unerbittlich kann auch der Meister in seinem Urteil sein. „Ich sage klipp und klar, ob sich das Schleifen lohnt oder nicht.“ Bei Massenprodukten meist nicht.
Fünf bis zehn Euro kostet das Scharfmachen eines Messers. Doch davon braucht ein Haushalt ohnehin nur drei: Brotmesser, Kochmesser und kleines Küchenmesser zum Schälen und Entkernen, letzteres im Volksmund auch „Kneipchen“ oder „Hümmelchen“ genannt. Und stumpf wird eine Klinge, so klärt Wolf auf, durch das Schneiden auf falschem Untergrund: „Einmal Kratzen auf Granit, Marmor, Glas oder Porzellan, da geht jedes Messer kaputt.“ Geeignet sind hingegen Brettchen aus Holz oder Kunststoff. „Ein Messer muss gut in der Hand liegen, deshalb ist es auch wichtig, dass man es für sich selbst kauft und ausprobiert.“
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Auf Beratung legt Wolf beim Verkauf großen Wert. So wird der Sinn für Qualität geschärft, der in den vergangenen Jahren ohnehin gestiegen sei. „Die »Geiz ist geil«-Zeit ist vorbei“, hat Iris Wolf beobachtet. Die Corona-Pandemie habe den Absatz gesteigert. „Die Leute haben zu Hause gekocht und gemerkt, was für einen Schrott sie manchmal in der Schublade liegen hatten.“
Seit vielen Jahrzehnten bewährt hat sich dagegen alles, was im Laden an der Holzgasse verkauft wird. Siebe, Dosenöffner, Kleiderhaken und andere altmodische, aber nützliche Haushaltsartikel. Auch ein Drehfix aus Gummi gehört zum Sortiment, das dem Geschäft den liebenswert-verschrobenen Charme eines Tante-Emma-Ladens verleiht.