Trotz aller sportlichen Erfolge hat Wolfgang Overath seiner Heimatstadt stets die Treue gehalten – zu seinem eigenen Wohl und dem vieler anderer.
Weltmeister wird 80Warum Fußballer Wolfgang Overath in Siegburg geblieben ist
Drei Telefone klingeln unablässig auf seinem Schreibtisch in Wolfgang Overaths kleinen Büro in Troisdorf-Friedrich-Wilhelms-Hütte. Der Fußballweltmeister aus Siegburg wirkt fit, nichts deutet darauf hin, dass er am 29. September einen hohen runden Geburtstag feiert.
„Mein Problem ist die Zahl Acht“, gibt er aber unumwunden zu, das verbinde man mit einem gewissen Alter. „Man sieht das Ende schneller auf sich zu kommen.“ Natürlich beschäftige ihn das, auch wenn er „alles im Leben“ erreicht habe. „Ich bin seit 57 Jahren verheiratet“, fällt ihm als Erstes ein, seine beiden Söhne und seine Adoptivtochter, dann der Fußball und schließlich das Geschäftliche: „Ich bin zufrieden mit meinem Job“ stellt Overath fest, Ruhestand scheint kein Thema zu sein.
Der Siegburger hat sich nie auf den Fußball verlassen
Wer den Namen Overath hört, denkt an den Meistertitel für den 1. FC Köln 1964, den Weltmeistertitel 1974, an die Pokalsiege mit dem FC 1968 und 1977, auch an die Jahre als FC-Präsident 2004 bis 2011. Aber Overath hat sich nicht nur auf sein fußballerisches Talent verlassen, das ihn zum gefeierten Mittelfeldregisseur werden ließ.
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„Mit 19 Jahren habe ich mein erstes Mietshaus gebaut“, erinnert er sich, ein Projekt, auf das viele weitere folgen sollten, frei finanziert, auch Gewerbeimmobilien, und immer wieder geförderte Sozialwohnungen, womit er einem empfindlichen Mangel an Wohnraum entgegentrat. „Mir ging es nicht um Reichtum, sondern um die finanzielle Unabhängigkeit.“
Wie wichtig dies ist, wusste er aus der eigenen Familie. Mit acht Kindern in einem kleinen Haus, das sie sich kaum leisten konnten, hätten es seine Eltern „sehr schwer“ gehabt. Eine Steuerforderung von 50 Mark sorgte umgehend für schlechte Laune, zehn Mark Schulgeld für das Gymnasium wurden zum Problem.
Gar nicht begeistert war sein Vater, als sich das ganze Talent seines Jüngsten beim Siegburger SV 04 zeigte. Er sollte unter anderem die Wahl zwischen Viktoria Köln, Kickers Offenbach, Borussia Dortmund bekommen und sich dann für den Geißbockverein entscheiden. Später machte er seinem Vater zuliebe eine Lehre beim Kaufhof.
Wolfgang Overath hat die Öffentlichkeit eher gemieden
Die erste Zeit beim FC sei sensationell gewesen. „Wir waren damals das, was heute Bayern München ist“, erzählt Overath, der bis heute mit Franz Beckenbauer befreundet ist, wie auch mit Günter Netzer, mit dem er häufig verglichen wird: Auf der einen Seite der Discobesitzer mit dem Lamborghini, auf der anderen Seite der bodenständige Siegburger, der nach dem Bundesligaspiel über Bauzeichnungen saß. So ganz stimme das nicht, findet er, macht aber schon einen Unterschied aus: Netzer habe eher die Öffentlichkeit gesucht, er sie eher gemieden.
Damals wie heute sei es schwer für Fußballstars, wenn sich mit Mitte 30 das Karriereende abzeichnet und statt Millionenbeträgen nur noch sechsstellige oder noch kleinere Summen auf dem Kontoauszug stehen. Pelé und Beckenbauer seien zu Cosmos gegangen, er selbst habe 1977 ein Angebot vom Club Chicago Sting gehabt: „Da hätte ich in vier Jahren mehr verdient als beim FC in 15 Jahren.“ Aber er blieb in Siegburg. „Hätte ich finanzielle Sorgen gehabt, hätte ich es vielleicht annehmen müssen .“
„Das ist hier meine Heimat“, stellt er mit Blick auf Siegburg fest. Nicht fortzugehen, habe große Vorteile gehabt. Und nicht nur für ihn. Overath ist überzeugt, dass jemand, der Glück im Leben hatte, davon etwas weitergeben sollte. Als der damalige SKM-Vorsitzende Clemens Bruch (gest. 2016) ihn vor 25 Jahren fragte, ob er eine Weihnachtsfeier für Obdachlose unterstützen wolle, schlug die Geburtsstunde des Wolfgang Overath Fonds.
Der Weltmeister ließ seine Kontakte spielen, organisierte Essen und Geschenke für 150 Gäste und viele andere Hilfen für Obdachlose. Mehr als drei Millionen Euro seien so in 25 Jahren zusammengekommen. Eine Entwicklung gibt ihm sehr zu denken: „Früher kamen vor allem ältere, alleinstehende Männer mit Alkoholproblemen zur Weihnachtsfeier, heute kommen immer mehr junge Eltern mit Kindern.“
Zudem engagiert er sich für die Deutsche Krebshilfe und ist Ehrenbotschafter der Initiative „Bewegung gegen Krebs“. 1977 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2008 das Kreuz I. Klasse. 2003 erhielt er die Ehrenbürgerschaft Siegburgs.
„Biss und die Bereitschaft zu gewinnen“, das habe ihm immer im Sport geholfen, aber durchaus auch bei geschäftlichen Verhandlungen. Aber das ist bei weitem nicht alles. „Wenn ich in einer Mannschaft spiele, ist klar, dass ich allein nicht gewinnen kann.“ Das gelte nicht nur auf dem Platz.