Der Logistikkonzern gewährte einen Blick in sein Sortierzentrum in Troisdorf-Spich.
Blick ins Sortierzentrum70 Personen pro Schicht – So arbeitet Amazon in Troisdorf

Amazon-Verteilzentrum in Troisdorf, 'letzte Meile' im Netzwerk von Amazon, an 9 Toren kommen zwischen 2 und 9 Uhr die Lkw an, zehn bis 15 fahrzeuge pro Schicht. Dafür arbeiten am Zündorfer Weg je Schicht etwa 70 Beschäftigte.
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Amazon-Fahrer biegen nicht gern nach links ab. Was nicht etwa heißt, dass sie das nicht könnten. Und schon gar nicht, dass die neuen elektrischen Lieferfahrzeuge nur nach rechts zu lenken wären. „Es ist gefährlich und braucht mehr Zeit“, erklärt vielmehr Steffen Adler, als Pressesprecher bei Amazon in Deutschland für die „mittlere und letzte Meile“ zuständig.
Auf das letzte Teilstück der Zustellkette, das durchaus mehr als eine Meile lang sein kann, geht allein aus dem Troisdorfer Sortierzentrum heraus „eine mittlere fünfstellige Zahl“ von Sendungen täglich. 190 Beschäftigte sorgen hier im Schichtbetrieb dafür, dass die Bestellungen an die richtige Adresse geliefert werden.
Zehn bis 15 Amazon-Lastwagen rollen täglich nach Troisdorf
Nacht für Nacht rollen zehn bis 15 Lastwagen an die Rolltore heran. „Induct“ heißt die erste Station, wo die angelieferten Rollcontainer entladen und ihr Inhalt in den Prozess „eingeschleust“ – so die deutsche Übersetzung –wird. Hier wird der Adressaufkleber gescannt, blitzschnell druckt ein Handgerät den kleinen gelben Aufkleber aus, der den weiteren Prozess steuert.
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Der Mitarbeiter, der das Gerät bedient, muss schnell sein, um kein Paket oder Päckchen zu verpassen. Es sei aber, so betont Steffen Adler, „ein Mythos, dass es in der Logistik immer schnell, schnell gehen muss.“ Wichtiger seien „gut geplante Prozesse, die gleichmäßig ablaufen": Rutscht vorne ein Paket durch, bedeutet das Mehrarbeit, weil es ein weiteres Mal den Prozess durchlaufen muss.

Standortleiter Danilo Lautenbach (links) und Steffen Adler, zuständig für PR 'mitlere und letzte Meile' in Deutschland, führten durch das Sortierzentrum in Spich.
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An diesem Morgen wirkt die Arbeit einigermaßen entspannt, die EDV hat auch festgestellt, dass nur an drei von vier möglichen „Fingern“ gearbeitet werden muss. Das kann sich aber schnell ändern, wie Steffen Adler und Standortleiter Danilo Lautenbach erzählen. Denn nicht nur an Weihnachten, Ostern oder den „Prime Days“ herrscht hier Hochbetrieb, den man immerhin noch planen könne. Keinen Einfluss haben die Verantwortlichen auf den Termin des ersten Grillwochenendes im Jahr – wenn fehlendes Equipment noch schnell geordert wird.
Ein ganzer Grill werde übrigens nicht über Troisdorf geliefert, erklärt Steffen Adler das Prozedere: Sendungen mit einem Gewicht über 23 Kilo laufen über eine andere Lieferschiene. Ebenso viel dürfen höchstens auch die Taschen wiegen, in denen die Sendungen zusammengepackt werden. In der oberen und der untersten Reihe der Gitterregale gelte ein Limit von 15 Kilo, sogenannte Team-Lifter stehen bereit, um beim Herunterheben zu helfen. Das Durchschnittsgewicht aller Amazon-Bestellungen liegt aber bei unter einem Kilo.
Sicherheit werde in dem Logistikkonzern großgeschrieben, betont Adler mehrfach beim Gang durch den Standort am Zündorfer Weg. Dazu gehöre auch, dass bei der Zustellung in großen und viel befahrenen Straßen erst die eine und dann die andere Seite angesteuert wird: Damit die Zusteller nicht immer über die Straße laufen müssen. Dabei kann es auch vorkommen, dass die geraden und die ungeraden Hausnummern zu sehr unterschiedlichen Uhrzeiten und auf unterschiedlichen Touren Besuch vom Amazon-Boten bekommen.
Wir sind ein sehr diverses Unternehmen
Boten, die gut bezahlt würden, wie Steffen Adler versichert: Der Einstiegslohn liege bei 15,05 Euro je Stunde, nach zwei Jahren seien es 17,80 Euro. „Für einen Job ohne Qualifikation“, setzt er hinzu. Nur Deutsch oder Englisch müssten Bewerberinnen und Bewerber verstehen. Als „locker zweistellig“ beziffert Standortleiter Danilo Lautenbach die Zahl der Nationalitäten, die am Troisdorfer Standort vertreten sind.
„Wir sind ein sehr diverses Unternehmen“, betont Pressesprecher Adler; beim anstehenden Um- und Ausbau des Standorts Troisdorf werde zum Beispiel der bislang nur provisorisch geschaffene „Raum der Stille“ endgültig eingerichtet. Auf muslimische Beschäftigte seien während des Fastenmonats Ramadan die Pausenzeiten abgestimmt; den Slogan „come as you are“ (sei, wie du bist) lebe der Konzern aber auch sonst. So gebe es Zentren, wo in der Herrenumkleide eine Schminkkommode steht.

Ein seltenes Bild: Drei Beschäftigte drängen sich in einem Gang und stehen sich fast im Weg.
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„Braucht es bei soviel Rücksichtnahme keinen Betriebsrat?“ frage ich. Vielleicht – auf jeden Fall habe es aber in Troisdorf bislang keine Initiative der Mitarbeitenden dazu gegeben, sagt Steffen Adler. Und auch in den Niederlanden, wo die Arbeitgeber aktiv werden müssten, sei das zum Beispiel in Amsterdam nicht gelungen: In drei Anläufen seien keine Kandidaten gefunden worden.
Es gebe stattdessen „sehr offene Strukturen“, betonen Lautenbach und Adler, eine „Kultur des direkten Austauschs“. Attraktiver Arbeitgeber sei der Logistikkonzern aber auch über Zusatzleistungen zum Lohn: Ein Deutschlandticket werde bezahlt, außerdem bis zu 8000 Euro Weiterbildungskosten ohne „Bleibeverpflichtung“ nach dem Abschluss der Qualifikation. Viele Beschäftigte holten so eine Ausbildung nach, weiß Steffen Adler, oder nutzten die Chance zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt.
In Troisdorf arbeitet eine Sortieranlage automatisch
Über die verschiedenen Förderstrecken rauschen derweil die Päckchen und Pakete. Von Hand sortiert auf den „Fingern“ A bis C, elektronisch gesteuert auf dem Finger D. Vorletzte Station der Sendungen sind genormte Taschen, die in Gitterregalen darauf warten, gefüllt zu werden. Zum Beispiel mit den Sendungen für eine einzige große Straße in der Stadt oder drei nahe beieinander liegenden Orten auf dem Land. Über QR-Codes ist stets nachvollziehbar, welches Paket woher kommt, wo es gerade liegt und wohin es unterwegs ist.

Im neuen Auslieferfahrzeug Rivian ist der Fahrersitz klimatisiert. Daniel Ciausu, seit 2019 bei Amazon, weiß es zu schätzen.
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Bei so viel Hightech erstaunt der höchst analoge Ruf, mit dem das Beladen der Lieferfahrzeuge eingeläutet wird. Mit Gitterwagen schwärmen die Beschäftigten nun aus; am Handgelenk ein dem Smartphone ähnliches Gerät, das ihnen zeigt, in welcher Reihenfolge sie die Taschen aus dem Regal nehmen müssen. Für das Beladen der rollenden Gitterboxen gibt es eine festgelegte Choreografie: große Taschen rechts, Einzelpakete links.
20 der neuen Transportfahrzeuge sind von Troisdorf aus unterwegs
Im 20-Minuten-Takt rollen jetzt vor der Halle die Lieferfahrzeuge heran. Erst auf ein Signal hin dürfen die Fahrer aussteigen und mit dem 15 Minuten dauernden Beladen beginnen; losgefahren wird ebenfalls erst, wenn alle etwa 30 Fahrzeuge einer Gruppe fertig sind. Zwischen 10 und 12 Uhr sei das, erklärt Steffen Adler. Ein später Beginn des Arbeitstages, der erkläre, warum die Autos auch am Abend noch unterwegs seien.
Ein Mythos sind laut Adler die 14-Stunden-Tage der Zusteller, 90 Prozent der Touren seien noch vor 20 Uhr beendet. Durchschnittlich 200 Pakete werden in einer Tour zugestellt. Nach einer gewissen Zeit schalte sich das System ab, dann könne der Fahrer – im Regelfall Angestellter eines von Amazon beauftragten Lieferpartners – auch gar nicht mehr zustellen.
Von Troisdorf aus sind mittlerweile die ersten 20 Rivian-Transporter unterwegs: Entwickelt in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Hersteller, sind die rein elektrischen Fahrzeuge eigens auf den Einsatz in der Zustellung zugeschnitten: mit großen Fenstern und Infodisplay, 360-Grad-Kamera und einem klimatisierten Fahrersitz. Automatisch verriegeln sich die Türen, wenn der Fahrer sich entfernt; ebenso öffnen sie sich, wenn er zurückkehrt. Das spart Sekunden bei jeder Zustellung. Genau wie das Rechtsabbiegen.