Düsseldorf/Essen – Als eine seiner wohl letzten Amtshandlungen als NRW-Wirtschaftsminister musste Andreas Pinkwart (FDP) am Montag die mögliche Aktivierung von Braunkohlekraftwerken verkünden, die wegen der gedrosselten Gaslieferungen vorübergehend zur Stromerzeugung eingesetzt werden sollen - befristet bis Ende März 2024.
Zuvor hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diesen Plan im Gespräch mit den Energieministern der Länder diskutiert. „Die Ereignisse haben sich zugespitzt. Die Situation ist ernst“, sagte Pinkwart. Deshalb werde man die Steinkohlekraftwerke stärker nutzen und die Braunkohlekraftwerke aus der Sicherheitsbereitschaft holen.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:
Was will die Bundesregierung mit dieser Maßnahme erreichen?Es soll weniger Gas zur Stromerzeugung eingesetzt werden, damit die Gasspeicher in Deutschland zum Winter gefüllt sind. Derzeit liege der Füllstand bei 57,6 Prozent und damit schon deutlich höher als in den Jahren 2015, 2017, 2018 und 2021, sagte Pinkwart in Düsseldorf. Im Jahr 2021 trug Gas mit rund 15 Prozent zur öffentlichen Stromversorgung bei.
Was bedeutet das für RWE Power und die Braunkohlekraftwerke?„Der Entwurf für das Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken wird am 8. Juli in Kraft treten“, sagt der NRW-Wirtschaftsminister. Davon sind im Rheinischen Revier drei Blöcke mit einer Leistung von jeweils 300 Megawatt betroffen, die sich derzeit noch in Sicherheitsbereitschaft befinden. Sie könnten dann nach Anordnung durch die Bundesregierung wieder in Betrieb gehen, um wegen des Gasmangels Strom zu produzieren.
Welche Kraftwerke sind das?Die 300-MW-Blöcke Niederaußem E und F befinden sich seit Oktober 2018 in Bereitschaft und sollten planmäßig Ende September stillgelegt werden. Der 300-MW-Block Neurath C wurde im Oktober 2019 in die Sicherheitsbereitschaft überführt und sollte planmäßig Ende September 2023 abgeschaltet werden.
Was muss RWE tun, um die Blöcke wieder anzuschalten?Der Konzern wird seine Personalplanung in den Kraftwerken und den Tagebauen an die neue Einsatzbereitschaft anpassen. Dazu wird mehr Personal gebraucht. Mehrere 100 Mitarbeitende werden deshalb später als bisher geplant in den vorgezogenen Ruhestand gehen können. Zusätzlich will RWE Fachkräfte vom externen Arbeitsmarkt einstellen.
Was bedeutet die Reaktivierung für die Rhein-Energie?Sie setzt an zwei Standorten noch auf Energie aus Kohle. Gemeinsam mit dem Großversorger EnBW wird in Rostock ein Steinkohle-Kraftwerk betrieben. Die Anlage gehört der Rhein-Energie zu 49 und EnBW zu 51 Prozent. „Zurzeit ist die Anlage in Revision, kommende Woche geht sie aber wieder planmäßig ans Netz“, sagte ein Sprecher. Die Kohlebunker seien aufgefüllt worden, das Kraftwerk könne zuverlässig Strom liefern und somit den Gasverbrauch an anderer Stelle ersetzen. Für die Region Mecklenburg-Vorpommern ist das Kraftwerk enorm wichtig, das Land hat viel Windenergie, das Rostocker Kraftwerk ist aber praktisch das einzige grundlastfähige in der Region. Befeuert wurde die Anlage bislang mit russischer Kohle. Da ab August das Kohleembargo gegen Russland greife, werde künftig auf Kohle vom Weltmarkt gesetzt. Diese wird von der EnBW eingekauft, die das Kraftwerk betreibt.
Auch in Köln-Merkenich gibt es noch ein Kraftwerk, das mit Braunkohle befeuert wird.Ja. Es liefert in erster Linie Prozessdampf für die dortige Industrie. Trotz der aktuellen Debatte um mögliche längere Laufzeiten wird der dortige Kohlekessel laut dem Sprecher 2025 stillgelegt. „Die Anlage ist am Ende ihres Lebenszyklus’“, sagte der Sprecher zur Begründung. Es handele sich aber nur um einen kleineren Kessel, der keinen größeren Anteil am Energiemix der Region Köln habe.