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Sammelabschiebung von NRW nach KabulFlüchtlingsrat kritisiert wahltaktisches Vorgehen

Lesezeit 3 Minuten

Abgelehnte Asylbewerber steigen in Baden-Württemberg im Rahmen einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug. (Symbolbild)

Köln/Düsseldorf – Mehrere Menschenrechtsorganisationen warnen vor der prekären Sicherheitslage in Afghanistan, dennoch soll am Flughafen Düsseldorf an diesem Dienstag eine Sammelabschiebung nach Kabul stattfinden. Das berichten Pro Asyl, Flüchtlingsräte und Aktivistengruppen übereinstimmend. Für die Chartermaschine nach Kabul seien zwölf Personen angemeldet, sagte Birgit Naujok vom Flüchtlingsrat NRW. Die Maschine solle am frühen Abend starten. Laut dem NRW-Flüchtlingsrat seien darunter vier Menschen aus NRW, sechs aus Bayern und eine Person aus Hamburg.

Das Bundesinnenministerium und das in NRW zuständige Landesministerium für Flüchtlinge und Integration erklärten, dass keine Auskünfte zu möglicherweise bevorstehenden oder geplanten Maßnahmen gegeben werden könnten. Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sagte: „Bei Rückführungen Ausreisepflichtiger nach Afghanistan bin ich zurückhaltend.“ Grundsätzlich schließe man Abschiebungen in das Land aber nicht aus.

Erste Sammelabschiebung seit Mai

Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt warf Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wahltaktisches Vorgehen vor und verurteilte die drohende Abschiebung scharf: „In Afghanistan herrscht Krieg, Hunderttausende sind auf der Flucht. Hier soll wohl auf den letzten Metern vor der Wahl noch Abschiebehärte demonstriert werden, um am rechten Rand nach Wählerstimmen zu fischen.“

Alles zum Thema Joachim Stamp

Es wäre bundesweit die erste Sammelabschiebung nach Afghanistan seit dem Anschlag Ende Mai. In der Nähe der Deutschen Botschaft in Kabul war am 31. Mai eine Bombe explodiert und hatte zahlreiche Tote gefordert. Das Botschaftsgebäude ist bis heute nicht wieder instand gesetzt, der Botschafter arbeitet derzeit auf dem Gelände der US-Botschaft.

Gegner kritisieren die Lageeinschätzung

Als Reaktion auf den Anschlag und zunehmende Kritik hatte die Bundesregierung Sammelabschiebungen in das Land vorläufig ausgesetzt. „Einzelabschiebungen wurden jedoch weiterhin durchgeführt“, erklärt Naujok. Mit politischen Bedenken habe das Aussetzen also wenig zu tun gehabt, „es hat schlichtweg an logistischer Unterstützung gefehlt“. Eine Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes zur Situation in Afghanistan stützt die bisherige Politik.

Im Bundesinnenministerium hält man die Abschiebung darum für verantwortbar und glaubt, die Sicherheitslage lasse Rückführungen zu. Gegner der Abschiebepolitik gegen Afghanen kritisieren die Lageeinschätzung, Pro Asyl etwa bezeichnete sie in einer Stellungnahme als unbrauchbar: „Der Bericht liefert kaum Informationen, ob und unter welchen Umständen Verfolgte in anderen Landesteilen Schutz finden könnten.“

Gegen die drohende Abschiebung will das Bündnis Afghanischer Aufschrei am heutigen Dienstag ab 17 Uhr am Terminal B des Flughafen Düsseldorf demonstrieren.

Mehr als 100 Menschen abgeschoben

Laut UN verschlechtert sich die Sicherheitslage in Afghanistan zunehmend, gleichzeitig sinkt die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus Afghanistan in Deutschland. Nach deutschem Recht darf niemand abgeschoben werden, wenn in der Heimat sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner „Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung“ bedroht sind oder ihn Folter oder die Todesstrafe erwarten.

Laut Bundesregierung ist das nicht in allen Regionen Afghanistans der Fall. Bisher wurden in zwölf Flügen mehr als 100 abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben. (dpa)