Düsseldorf – Spielplätze wieder geöffnet, Viertklässler in der Schule, und der nächste Holland-Trip ist auch schon in Sichtweite - Nordrhein-Westfalen atmet nach wochenlangen Corona-Belastungen auf. Am Tag nach den jüngsten Lockerungsbeschlüssen zeichneten sich am Donnerstag allerdings auch Umsetzungsprobleme ab: Abstand halten auf dem Spielplatz ist kaum möglich. Und viele Pflegeheime haben noch gar kein Hygienekonzept, um am Muttertag Besucher einzulassen. „Wir fürchten, dass es am Sonntag zu herzzerreißenden Szenen kommt, wenn Angehörige wieder wegfahren müssen, ohne die Bewohner gesehen zu haben”, sagte der Geschäftsführer beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW, Christian Woltering.
Unterdessen bereiten sich die Ferienregionen emsig darauf vor, den Tourismus ab dem 11. Mai hochzufahren, wenn Ferienhäuser und -wohnungen sowie Campingplätze wieder an Urlauber vermietet werden dürfen. Der Start im Wonnemonat mit seinen Feiertagen gebe den Betrieben Rückenwind, hieß es in der Eifel, im Sauerland und am Niederrhein.
Ab dem 18. Mai dürfen Touristen auch schon wieder in Hotels in NRW übernachten, wie Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) ankündigte. Ab 30. Mai seien darüber hinaus touristische Führungen sowie kleine Gruppen- und Busreisen wieder möglich. Für alles gelten strenge Hygiene-Konzepte.
Ab dem 1. Juli dürfen auch in den Niederlanden alle Campingplätze und Ferienparks wieder geöffnet werden. Schon einen Monat zuvor ist es immerhin möglich, Restaurants, Cafés, Strandpavillons und Kneipen zu besuchen - bei einer Höchstzahl von 30 Gästen. Auch das gerade bei Konsumenten aus Nordrhein-Westfalen populäre Designer-Outlet in Roermond an der deutschen Grenze darf ab Montag wieder die Türen öffnen. Auch deutsche Kunden sind nach Angaben der Behörden wieder willkommen. Bisher hatte die niederländische Polizei an der Grenze Deutschen dringend geraten, wieder umzukehren.
In NRW können Restaurants, Cafés und Kneipen mit Sitzplätzen schon ab kommendem Montag wieder ihren Betrieb aufnehmen. Voraussetzungen: 1,5 Meter Abstand zwischen den einzelnen Tischen und Namenslisten der Gäste. Anders als in anderen Bundesländern, soll es in NRW keine Einschränkungen der Öffnungszeiten geben. Bars, Discos und gastronomische Einrichtungen ohne Sitzplätze müssen geschlossen bleiben.
Pinkwart machte zudem Hoffnung auf weitere Hilfen für Gastronomen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) habe bei der Konferenz mit den Länderwirtschaftsministern einen weiteren Rettungsschirm ins Spiel gebracht, der unabhängig von Branchen nach Härtefällen zahlen sollte, berichtete der FDP-Politiker in Düsseldorf. Allein in NRW arbeiten rund 150 000 Menschen in der Gastronomie.
In die großen Theater- und Konzerthäuser wird das Leben voraussichtlich erst zur kommenden Spielzeit ab September zurückkehren. Jedenfalls rechnet NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) wegen der aufwendigen Proben und den bevorstehenden Sommerferien damit.
Grundsätzlich sind laut Stufenplan der Landesregierung schon ab dem 11. Mai kleinere Konzerte und Aufführungen unter freiem Himmel möglich. Vom 30. Mai an sollen Kinos, kleine Theater, Opern und Konzerthäuser wieder Vorstellungen geben können. Zu den Voraussetzungen gehören ein Zutrittskonzept und zwei freie Sitzplätze zwischen Besuchern.
Die rund 160 000 Viertklässler in NRW haben die Rückkehr an ihre Schulen nach knapp acht Wochen coronabedingter Zwangspause am Donnerstag schon hinter sich gebracht. Weitere Klassen sollen im Wechsel folgen. Regulären Schulbetrieb für die 2,5 Millionen Kinder und Jugendlichen in NRW wird es vor Sommerferienbeginn am 29. Juni aber nicht geben.
An diesem Freitag will NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) seine Pläne zur schrittweisen Öffnung der Kindergärten und Tagespflege vorstellen. Bereits in der vergangenen Woche hatte er im Landtag erklärt, welche Gruppen nun als erstes dazustoßen sollten: Kinder mit besonderem pädagogischen oder sprachlichen Förderbedarf sowie Vorschulkinder. Der Beschluss von Bund und Ländern nennt darüber hinaus unter anderem „Kinder, die in beengten Wohnverhältnissen leben (z.B. Fehlen eines eigenen Kinderzimmers)”.
Da Stamp vor der Bund-Länder-Konferenz bereits Druck gemacht hatte, diesen Plan umzusetzen, ist mit einem gestaffelten, aber kurzfristigen Start für diese Gruppen zu rechnen. In NRW sind bereits viele Berufe definiert, die Eltern erlauben, ihre Kinder wieder in die Kita oder zu Tageseltern zu geben. Das gilt generell auch für erwerbstätige Alleinerziehende und für gefährdete Kinder.
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verteidigte die jüngsten Lockerungen der coronabedingten Beschränkungen. Der von Bund und Ländern verabredete Notfallplan erlaube, regional sofort gegenzusteuern, wenn Infektionszahlen bedrohlich ansteigen sollten, sagte er in einem WDR2-Interview. Die Devise sei nun: „Wenn etwas passiert - dann wieder Maßnahmen zurückfahren, aber nicht das ganze Land von der Ostsee bis in die bayerischen Alpen lahmlegen.”
Die Länder sollen sicherstellen, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen sofort wieder konsequente Beschränkungen greifen. Der Vorsitzende des Städtetags NRW, Thomas Hunsteger-Petermann, betonte: „Wir sind in der Lage, regional und lokal zu entscheiden.” Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Bernd Schneider, appellierte an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen, sich an die Regeln zu halten.
Der Landkreis Coesfeld stand am Donnerstag auch weiterhin an der Spitze der meisten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche, wie aus einer Auswertung der Zahlen des Robert Koch-Institutes hervorging. Dort stieg dieser Wert leicht von 36,8 von Mittwoch auf 37,7 am Donnerstag. Es folgte Bottrop, dort kamen auf 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen 23 neue Fälle.
Insgesamt wurden in NRW am Donnerstag 279 weitere bestätigte Corona-Fälle gemeldet. Damit stieg im bevölkerungsreichsten Bundesland die Zahl auf 34 233 nachgewiesene Infizierte seit Beginn der Pandemie, so das NRW-Gesundheitsministerium. Bislang starben 1371 Menschen infolge einer Infizierung. 27 352 Menschen meldeten sich inzwischen als genesen. (dpa/lnw)