Düsseldorf – Nur zwei Kita-Tage bis zu den Sommerferien - so kläglich soll es nun doch nicht kommen für die Mehrheit der Kindergartenkinder in Nordrhein-Westfalen. Im Familienausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags wagte Vize-Regierungschef Joachim Stamp (FDP) sich am Donnerstag weiter vor mit seinen Öffnungsplänen in der Corona-Pandemie - ohne sich allerdings festzulegen.
Mit den viel kritisierten mindestens zwei Abschiedstagen Kita für jedes Kind habe er doch nur ein Szenario für den schlechtesten Fall beschreiben wollen, erklärte der Familienminister. „Das Einzige, was ich garantieren konnte.” Dies sei der bislang erzielte Minimalkonsens mit allen Kita-Akteuren gewesen sei.
„Natürlich wird es umfassender werden”, versicherte Stamp. „Wir streben jetzt einen ganz anderen Umfang an.” Er habe konkrete Schrittfolgen für die weiteren Öffnungen im Kopf, die er aber während der laufenden Abstimmungsgespräche mit den Beteiligten noch nicht verkünden könne. „Vielleicht sind wir nächste Woche schon sprechfähig”, sagte Stamp.
„Uns wird es auch gelingen, den eingeschränkten Regelbetrieb nicht erst im September anzubieten”, kündigte der FDP-Politiker an. „Das wird früher sein.” Über Daten und Umfang der möglichen Betreuung sei er derzeit aber noch in Abstimmung mit den Akteuren.
SPD und Grüne forderten Stamp auf, schnellstens ein klares Konzept mit verbindlichen Daten vorzulegen und die Kita-Elternbeiträge nicht nur Monat für Monat, sondern längerfristig auszusetzen. Ein normales Kita-Jahr werde es ohnehin nicht mehr geben, sagte die Grünen-Abgeordnete Josefine Paul.
„Für alles gibt es eine Perspektive, nur für Kinder gibt es keine Perspektive”, kritisierte sie. Für Baumärkte, Restaurants oder Geschäfte sei Klarheit geschaffen worden. Bei Kitas werde hingegen argumentiert, weitere Zusagen seien wegen der ungewissen Infektionsentwicklung nicht möglich, man müsse „auf Sicht fahren”.
Stamp bekräftigte, weil das Kanzleramt bei den Kita-Öffnungsplänen auf der Bremse gestanden habe, sei eine Woche verloren. „Das ist so ärgerlich, weil dadurch in weiten Teilen der Bevölkerung der Eindruck entstanden ist, dass Friseure und Nagelstudios wichtiger sind als Kitas. Das ist ein fataler Eindruck.”
Aus Sicht der SPD fehlt der schwarz-gelben Landesregierung ein klares Konzept für Schulen und Kitas, wie bis zu den Sommerferien und auch danach wirklich alle Kinder wieder regelmäßig beschult oder betreut werden könnten. „Erst der Termin, dann das Konzept - das ist die völlig falsche Reihenfolge”, sagte Oppositionsführer Thomas Kutschaty.
Stamp kündigte an, in Kürze neue Empfehlungen zum Personaleinsatz in den Kitas vorzulegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) empfehle inzwischen nicht mehr, alle Mitarbeiter ab 60 Jahren während der Pandemie grundsätzlich nicht einzusetzen.
„Ich hatte meiner Schwiegermutter letzte Woche zum 70. gesagt, dass sie im Zweifelsfall fitter ist als ihr Schwiegersohn”, bekannte Stamp. Das gelte sicher auch für viele ältere Erzieher. Die Landesregierung versuche zudem seit längeren, Teilzeitkräfte in den Kitas aufzustocken, berichtete Stamp. „Da sind wir dran.”
Stamp sprach sich außerdem dafür aus, die Soforthilfen für Familien zu verlängern, die ihre Kinder zuhause betreuen müssen und deswegen Verdienstausfälle haben. Allerdings lehne der Bund das derzeit kategorisch ab.
SPD und Grüne kritisierten, Stamp sei viele konkrete Antworten schuldig geblieben. Stamp hielt dagegen, die Voraussetzungen für weitere Schritte und mehr Tempo seien die Empfehlungen des RKI, die Entwicklung des Infektionsgeschehens und neue wissenschaftliche Erkenntnisse. „Mir blutet jeden Tag das Herz, wo ich einer Familie diese Situation weiter zumuten muss.” Er liege aber nicht in der Gartenlaube, sondern erfülle seine Pflicht, „so schnell es geht, Klarheit zu schaffen”.
Mit großer Spannung erwarte er daher, ob eine laufende Studie aus Heidelberg Erkenntnisse aus Österreich, der Schweiz und aus Norwegen klar bestätigen werde. Danach geht von Kindern vermutlich ein deutlich geringeres Ansteckungsübertragungsrisiko aus. Die Wissenschaft gehe bereits davon aus, dass Kinder selbst keine Corona-Risikogruppe seien. Schwere Krankheitsverläufe seien bei Kindern absolute Ausnahmen und immer in Kombination mit Vorerkrankungen aufgetreten.
SPD und Grünen reicht das nicht. „Die große Mehrheit der Eltern und Kinder in Nordrhein-Westfalen wird weiter im Ungewissen gelassen, wann sie mit einer Rückkehr in die Kita rechnen können”, bilanzierte der SPD-Abgeordnete Dennis Maelzer. Die Grünen schlugen vor, wenigstens mit festen Spielgruppen, „temporären Spielstraßen” und betreuten Bewegungsangeboten Erleichterungen zu schaffen. (dpa/lnw)