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Starkregen in LeichlingenKatastrophe wie 2018 soll es nicht mehr geben

Lesezeit 5 Minuten

Die Ortschaft Büscherhöfen ist bei dem Unwetter im Juni 2018 von einer Flutwelle geradezu überrollt worden.

Leichlingen – Hoffentlich war es ein Jahrhundert-Ereignis, das so schnell nicht wiederkehrt. Oder noch besser: eine einmalige Kollision mehrerer unglücklicher Umstände und Wetterlagen, die sich nie mehr wiederholt. Die Leichlinger wollen jedenfalls nicht noch einmal eine solche Katastrophe erleben wie am 10. Juni 2018, als nachts bei dem Starkregen-Gewitter Schlammfluten und Wassermassen in einer Menge und Schnelligkeit die Stadt überschwemmten, wie das vorher niemand für möglich gehalten hätte.

Ein Zehntel des jährlichen Regens auf einen Schlag

„Innerhalb von nur einer Stunde fielen ab Mitternacht circa 65 Liter – oder umgerechnet 6,5 Zentimeter – Niederschlag auf einen Quadratmeter. Diese Wassermenge entspricht knapp zehn Prozent des durchschnittlichen jährlichen Niederschlages in Leichlingen. Insgesamt müssen innerhalb dieser Stunde knapp 2,5 Millionen Kubikmeter Regen auf das Stadtgebiet gefallen sein,“ hat Tycho Kopperschmidt ausgerechnet. Er ist seit September 2020 neuer Leiter der Technischen Betriebe.

„Hotspot“ Blütenstadt

„Genau über Leichlingen war der Hotspot“, hat er die Wetterkarten von damals ausgewertet – eine mächtige Gewitterwolke, die über der Stadt hängen blieb und sich über ihr so heftig und lange ergoss, dass Katastrophenalarm ausgelöst wurde. Es war Glück, dass kein Mensch ums Leben kam.

Weil aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich solche Wetterextreme in Folge des Klimawandels doch wiederholen, soll Vorsorge getroffen werden – so weit das geht, denn letztlich ist man gegen solche Mega-Phänomene machtlos: „Das Kanalnetz ist nicht in der Lage, solche Regenmassen abzuleiten“, sagt Kopperschmidt.

Auszug aus der Leichlinger Starkregenkarte mit dem lila eingefärbten Überschwemmungsgebiet.

Und auch Landwirte, die damals kritisiert wurden, weil ihre ausgetrockneten Böden wie Rutschbahnen wirkten, könnten nur begrenzt verhindern, dass der Schlamm von den Äckern bergab gespült wird, wie es damals geschehen ist: „Querpflügen hilft irgendwann auch nicht mehr, dann geht es nur noch darum, Menschenleben und Sachgüter zu retten.“

Steffes Untätigkeit vorgeworfen

In einer Pressekonferenz erläuterten Kopperschmidt und Bürgermeister Frank Steffes jetzt, welche Vorkehrungen die Verwaltung gegen Schäden durch Starkregen eingeleitet hat. Auch als Antwort auf eine kritische Anfrage der CDU-Fraktion, die Steffes vor der Kommunalwahl Untätigkeit in dieser Sache vorgeworfen hatte, kündigten sie neben baulichen Schutzmaßnahmen eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit an:

■ Die Bürgerschaft wird um Mithilfe gebeten und aufgefordert, Erlebnisse aus 2018, Gefahrenlagen und Verbesserungsvorschläge zu melden: „Die Bürger sind die »Fachleute« vor Ort, die durch ihre Beobachtungen bei Starkregen die Fließwege und Überflutungen oftmals genauer beurteilen können als Simulationen dies darstellen können“, sagt Kopperschmidt. Deswegen bittet die Stadt die Einwohner unter der E-Mail-Adresse starkregen@leichlingen.de um die Zusendung von Bild- und Videomaterial mit Angabe der Ortslage und des Datums des Starkregens oder der Überflutung.

Wälle, Fluträume und Zisternen

Schutzkonzepte gegen Überschwemmungen durch Regenfluten werden in der nach der Unwetterkatastrophe im Rathaus gegründete Starkregen- AG geplant. Bauliche Vorkehrungen wie Wälle, Stauräume, Veränderungen von Bachläufen und Kanaldurchlässen sind aber schwierig und langwierig , weil oft private und landwirtschaftlich genutzte Grundstücke berührt werden, der Landschaftsschutz tangiert ist und mehrere Behörden beteiligt werden müssen. „Dies ist ein zäher, aber wichtiger Prozess, den die Stadt seit 2018 verfolgt“, sagt Tycho Kopperschmidt.

Kleinere Vorhaben wie die Anpassung von Bordsteinen und die Erweiterung von Einläufen wurden zuerst angegangen. Wobei schon die Erhöhung von Bürgersteig-Kanten gegen den Wunsch nach Barrierefreiheit abgewogen werden muss. In den nächsten Jahren wird es (wie am Hasensprung bereits geschehen) um die Schaffung weiterer Flutwiesen und Rückhalteräume gehen und um Verwallungen zur Wasserführung auf Hängen oberhalb der Innenstadt.

In Unterberg, wo bei dem Starkregen ein unscheinbares Rinnsaal zum reißenden Fluss anschwoll, sollen der Durchlass unter der Kreisstraße 1 und deren Fahrbahnniveau verändert werden. Damit konnte aber noch nicht begonnen werden, weil Priorität der Kreisverwaltung der lange geforderte Ausbau der K 10 von Unterberg nach Hülstrung ist. Erst danach wird die K 1 angepackt, die später größere Wassermassen aufnehmen und schadlos ableiten können soll. Oberhalb der Ortschaft Unterberg plant die Stadt Verwallungen in einem Siefen, die Sturzbäche vermindern sollen.

Retentionsräume, die im Notfall geflutet werden können, sollen im Weltersbachtal unterhalb von Haswinkel und südlich des Sieferhofs angelegt werden. Im Weltersbachtal stehen zudem noch Brückenreparaturen an.

Eine neue Idee wird bei der bevorstehenden Umgestaltung der Stadtparks verfolgt: Unter dem Rasen könnten Zisternen eingebaut werden, die Regen auffangen und für die Beetbewässerung liefern. (hgb)

„Das wird ein richtig gutes Werkzeug“, setzt Steffes auf aufschlussreiche Augenzeugen-Berichte. Größere Datenmengen können nach Absprache auch in einer städtischen Daten-Cloud hochgeladen werden. Der Betriebsleiter: „Diese Erfahrungen sind für die Fachleute der Stadt neben den vorliegenden topografischen Analysen und Simulationen wichtig, um langfristig und wirtschaftlich Schutzmaßnahmen entwickeln zu können.“

■ Die Homepage des städtischen Abwasserbetriebs soll 2021 neu gestaltet und zur besseren Auffindbarkeit in den Internetauftritt der Stadt integriert werden. Dort kann man detaillierte Starkregen-Karten einsehen, die simulieren, welche Straßenzüge, Ortslagen und Bäche im Katastrophenfall von Überschwemmungen bedroht sind. Auch Überflutungsräume bei Wupper-Hochwasser werden angezeigt.

■ Eine Broschüre wird erstellt, die Hauseigentümer und Einwohner darüber informiert, welche Gefahren drohen und wie man sich und Gebäude schützen kann, etwa durch drucksichere Fenster, Spundwände und Rückstausicherungen, durch Gartengestaltung und Dachbegrünung.

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■ Jährlich sollen mit dem selben Ziel künftig Bürgerversammlungen angeboten werden, bei denen Fragen geklärt und Ratschläge gegeben werden.

■ Bei Baugenehmigungen wird künftig die Starkregenvorsorge stärker berücksichtigt und bei größeren Grundstücken ein Überflutungsnachweis für die Entwässerung gefordert.

■ Gemeinsam mit der neuen Leichlinger Klimaschutzmanagerin, die im Frühjahr ihre Arbeit aufnimmt, mit Wupperverband, Kreis und Landesbetrieb Straßenbau soll das Thema interdisziplinär und regional angegangen werden. Auch dem „Abwassernetzwerk Rheinland“ ist Leichlingen beigetreten.

http://www.starkregen.leichlingen.de