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StrukturwandelWie Wuppertal es geschafft hat, aus der Krise zu kommen

Lesezeit 5 Minuten
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Die Schwebebahn in Wuppertal

Wuppertal – Selbst Bahnvorstand Ronald Pofalla konnte nicht umhin, nach Wuppertal zu kommen und sich das Chaos anzusehen, das die Bahn in den Osterferien angerichtet hatte. Eine Großstadt mit 358.000 Menschen komplett von der Schiene abzukoppeln, ohne einen Ersatzverkehr anzubieten, der diesen Namen verdient.

Es hat Zeiten gegeben, in denen die Wuppertaler das einfach geschluckt hätten. Weil sie glaubten, es interessiere eh keinen, was mit ihrer über viele Jahre dahinsiechenden Stadt geschieht. Dass sie dankbar sein müssten, wenn überhaupt einer mal was investiert. Wie die Bahn in ihr elektronisches Stellwerk.

Diese Zeiten sind vorbei. Ein zweites Desaster bei der anstehenden Sperrung in den Sommerferien wird sich die Stadt nicht mehr gefallen lassen. „Das machen wir so nicht noch einmal mit“, hat Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) der Bahn und dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ins Stammbuch geschrieben. Und siehe da: Plötzlich geht alles. 90 Busse, 230 Fahrer, 30.000 Fahrten mit mehr als einer Million Kilometer vom 16. Juli bis 30. August zwischen Wuppertal und Düsseldorf. 5,8 Millionen Euro pumpt der VRR freiwillig in den Schienenersatzverkehr.

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Willkommen in Wuppertal, der Wir-sind-wieder-wer-Stadt. Die sich so klammheimlich den Aufschwung erarbeitet, nachdem sie in den 1990er Jahren den eigenen Niedergang verpennt hat. Jetzt segelt sie im Windschatten der Metropolen Köln und Düsseldorf, den Tankern der Metropolregion Rheinland mit ihren 8,5 Millionen Menschen. Ganz ohne Hochglanzbroschüren ist die Wende gelungen. Der Oberbürgermeister hält eh nichts von markigen Kampagnen.

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„Aufbruchstimmung kann man nicht herbeischreiben. Das muss sich rumsprechen“, sagt er. „Unter den 22.000 Studenten an der Bergischen Universität, die hier noch preiswerten Wohnraum finden. Bei den Unternehmen, die merken, dass die Bürger die Stadtentwicklung tragen. Die Menschen hier kriegen endlich wieder ein anderes Gefühl für ihre Stadt. Selbst die Miesepetrigsten haben begriffen, hier tut sich was.“

Zwei harte Jahrzehnte liegen hinter den Wuppertalern. Mit Rekordverschuldung, hoher Arbeitslosigkeit, noch heute lebt jedes dritte Kind in Armut. Und warum? Weil die Stadt in den 1990er Jahren irgendwie nicht mitbekommen hat, wie der Strukturwandel über sie weggefegt ist. In Wuppertal gab es keine Zechen, die geschlossen wurden, keine Stahlkocher, die zu Tausenden auf die Straße gingen. Schleichend gingen die Jobs verloren.

Mal 100 in der Textilindustrie, dann 200 bei den Autozulieferern. Am Ende waren es 18 000. Das Ergebnis: 2010 gehörte die Stadt den Banken. Sie hatte nicht mal Geld für Streusalz und mit 345.000 Einwohnern den Tiefststand erreicht.

Heute leben in Wuppertal wieder mehr als 358.000 Menschen. „Die Initialzündung war die Sanierung der Schwebebahn“, sagt Mucke. „Das war ein Symbol, das hat die Aufbruchstimmung ausgelöst.“ Und die Stadt gleichzeitig auch in ihre schlimmste Krise gestürzt. Der Schwebebahn-Unfall 1999 als Folge der Bauarbeiten mit sieben Toten und 47 Verletzten, explodierende Sanierungskosten, immer wieder Stillstand.

Gegen das Spardiktat sind die Bürger 2010 auf die Straße gegangen. „Wuppertal wehrt sich“, eine laute Stimme im Wehgeschrei der Bettler, der ärmsten Kommunen in NRW. Der Stärkungspakt Stadtfinanzen der Landesregierung hat der Stadt extrem geholfen, trotz aller schmerzhafter Einschnitte.

Nicht bloß gejammert

Doch nicht alle haben immer bloß gejammert. Es gab ein paar Initiativen, die ihren Stadträten richtig Feuer gemacht haben. Die wohl wichtigste sind die Freunde der Nordbahn-Trasse, denen es gegen viele Widerstände gelungen ist, einen 22 Kilometer langen und ebenen Fahrradschnellweg auf einer alten Bahntrasse mitten durch die Stadt zu ziehen. „Das war großartiges bürgerschaftliches Engagement“, sagt Mucke. „Das hat einen Aufbruch ausgelöst, viele Kreative angezogen. Heute haben wir hier einen kleinen Kosmos aus Urbanität und Kiez-Mentalität.“

Jahrelange Arbeit

Jetzt erntet die Stadt die Früchte einer jahrelangen Arbeit. Am Montag früh wurde die Bundesstraße 7 am Hauptbahnhof wieder geöffnet. Am Abend hat der Stadtrat den Grundsatzbeschluss zum Bau einer 83 Millionen Euro teuren Seilbahn getroffen, die den Hauptbahnhof mit dem Uni-Campus und dem Ortsteil Küllenhahn verbindet und 3500 Menschen pro Stunde transportieren soll. „Das wird unsere Schwebebahn des 21. Jahrhunderts und ein wichtiger Beitrag zur Elektromobilität“, sagt der Oberbürgermeister. „Wir schaffen es ja kaum mehr, die vielen Studenten mit Bussen auf den Grifflenberg zu bringen.“

Ende 2018 wird der 200 Millionen Euro teure Umbau des Stadtzentrums abgeschlossen sein. Mit neuem Busbahnhof, einem Fahrradparkhaus, einem Outlet-Center.

Und einem aufgefrischten Hauptbahnhof. „Wir verbessern unser Tor zur Stadt und haben dadurch viele Investitionen im Umfeld erreicht. Geschäftshäuser, Hotels, das potenziert sich.“ Das denkmalgeschützte Schauspielhaus, das seit Jahren leer steht, soll zum Pina-Bausch-Tanzzentrum werden. Das Opernhaus wurde für 30 Millionen Euro saniert, der Barmer Bahnhof, ein Gebäude aus der Gründerzeit, ebenfalls.

Mittelständler begünstigen Standpunkt

„W begünstigen ir sind auf einmal ein spannender Standort. Die Mittelständler sind sehr stark hier.“ Der Oberbürgermeister versucht jetzt, die Stadtquartiere mitzunehmen, die noch im Hintertreffen sind. Weil er weiß: Die ganzen Projekte werden auf Dauer wenig bringen, „wenn wir Arbeitslosigkeit und Armut nicht bekämpfen.

Wir müssen dagegen angehen, dass uns hier eine ganze Generation verloren geht.“ Die Chancen stehen gut für die Stadt, die einst Wiege der Industrialisierung in Deutschland war. Weil es ohne Prestige-Objekte nicht geht, will Mucke die Bundesgartenschau 2025 nach Wuppertal holen. „In Deutschlands grünste Großstadt“, wie Mucke sagt.

Fernverkehr wird umgeleitet

Über Wuppertal fährt zwischen dem 16. Juli und dem 30. August kein Zug. Die Baumaßnahmen haben Folgen für den Fernverkehr in ganz NRW.Alle ICE- und IC-Züge werden zwischen Köln, Dortmund und Hamm durch das Ruhrgebiet umgeleitet.

Die Halte in Solingen, Wuppertal und Hagen entfallen. Dafür halten diese Züge in Düsseldorf. Einzelne Verbindungen fallen zwischen Köln und Dortmund sowie zwischen Köln und Koblenz ganz aus.

Alle Informationen über den Schienenersatzverkehr rund um Wuppertal gibt es unter der Hotline 0202/515 625 15 oder am kostenfreien Bahn-Bau-Telefon unter 0800/5 99 66 55. Die Fahrplanänderungen sind auch in das Ticketsystem der Deutschen Bahn eingepflegt. (pb)