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Trotz ProtestenImmerather Dom in Erkelenz wird in Schutt und Asche gelegt

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Der Anfang vom Ende: Die Abrissbagger haben ihre Arbeit aufgenommen und zerlegen das Gebäude, das früher St. Lambertus hieß.

Erkelenz – Weil auch sein Haus auf Braunkohle gebaut ist, hatte der liebe Gott schon vor mehr als vier Jahren ausziehen müssen. Die Bronzeglocken und einige weitere sakrale Erinnerungsstücke an seine im Oktober 2013 entwidmete, bis gestern aber noch intakte Kirche, die die Menschen aus der Erkelenzer Gegend stolz den Immerather Dom nennen, durften mit ins neue Gotteshaus. Dieses Haus im acht Kilometer westlich gelegenen, noch im Entstehen begriffenen Umsiedlerdorf Immerath-neu, heißt offiziell auch St. Lambertus.

Aber es ist kein fast 130 Jahre alter neuromanischer Prunkbau mit 40 Meter hohen Türmen aus warmem Tuffstein, sondern nur eine schlichte kleine Kapelle aus Glas und kühlem Beton.

Kurz bevor die Abrissbagger am Montag die Arbeit aufnahmen, forderten Aktivisten bei Mahnwachen am „Immerather Dom“ den schnellen Ausstieg aus der Braunkohleförderung.

Pastor Werner Rombach, der als Pfarrer des großen Erkelenzer Gemeindeverbandes St. Christkönig einst die Alt- und nun die Neu-Immerather Katholikinnen und Katholiken seelsorgerisch betreut, findet es aber gar nicht so schlimm, dass St. Lambertus merklich geschrumpft ist. „In so einer kleinen Kapelle rücken die Menschen automatisch enger zusammen, und man kommt ihnen als Geistlicher rein räumlich und in der Folge vielleicht auch menschlich noch näher. Das sagt mir persönlich durchaus zu.“

Viele Zuschauer

Pfarrer Rombach war als Zuschauer mit dabei, als Montagmittag zwei Abrissbagger mit großem Getöse die letzten Stunden und Tage des Immerather Doms eingeläutet haben. Weil der RWE-Braunkohletagebau Garzweiler II von Osten her immer näher an das fast 900 Jahre alte Dorf heranrückt, das einst gut 1200 Menschen Heimat gab, muss nach dem Krankenhaus, dem Kindergarten, vielen Wohnhäusern und Gehöften nun auch das markanteste und mit den größten Emotionen behaftete Immerather Bauwerk weichen.

Der Dom tat das allerdings nicht ohne Widerstand. Gegen 5 Uhr am Morgen rückten rund 40 Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace an. Die Polizei und der RWE-Sicherheitsdienst waren zu früher Stunde ebenfalls schon da. Doch obwohl die Ordnungshüter Hunde einsetzten (zwei Aktivisten trugen Bisswunden davon), konnten einige Greenpeace-Leute die rund um die Kirche errichteten Sperrzäune überwinden.

Der Anfang vom Ende: Die Abrissbagger haben ihre Arbeit aufgenommen und zerlegen das Gebäude, das früher St. Lambertus hieß.

Drei der Greenpeace-Aktivisten ketteten sich an einem Abrissbagger an. Drei weitere in professioneller Klettermontur gelangten sogar in den Dom selbst, seilten sich aus der Fensterrose über dem Hauptportal ab und entrollten hoch oben ein großes Transparent: „Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen.“ Man fordere ein sofortiges Moratorium, damit ohne weitere Zerstörung ein konkreter Plan für den schnellen Kohleausstieg geschmiedet werden könne, sagte Greenpeace-Sprecherin Susanne Neubronner.

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Aktivisten entfalteten vor und an der Kirche Protest-Plakate.

Mit Protesten hatten RWE und die Polizei nach eigenem Bekunden gerechnet. Dass es Aktivisten gelingen würde, den Dom zu besetzen und den für neun Uhr geplanten Start des Abrisses stundenlang zu verzögern, kam dann aber doch überraschend. „Offenbar zu wenige“, beantwortete ein Sprecher der Heinsberger Polizei leicht zerknirscht die Frage, wie viele Einsatzkräfte denn vor Ort seien, „dass es die Aktivisten bis ins Gebäude schaffen, sollte eigentlich verhindert werden.“

Greenpeace-Aktivisten kletterten hoch

Pastor Rombach sah sich die Greenpeace-Aktion, die nach gut vier Stunden mit der widerstandslosen Ingewahrsamnahme von sechs Besetzern und vier Unterstützern endete, derweil aus sicherer Entfernung an – und mit Wohlwollen: „Ich finde es gut, dass der geplante Ablauf zumindest zeitlich ein wenig gestört wird. Hier wird noch einmal ein Zeichen gesetzt, dass es mit der Energiepolitik so nicht weitergehen kann. Wir alle haben schließlich eine Verantwortung für die Umwelt, für die Schöpfung und für die um ihre Heimat bangenden Menschen.“

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Er hoffe immer noch, dass den Bewohnern der Nachbardörfer Kuckum, Keyenberg, Berverath, Unter- und Oberwestrich, für die die Abbaggerungs- und Umsiedlungsplanung schon auf Hochtouren läuft, das Schicksal der Immerather im letzten Moment erspart bleibe, fügt der Geistliche an. Ob seine Bitten erhört werden? RWE-Sprecher Guido Steffen weckt da keine große Hoffnungen: „Die Braunkohle wird als Partner der erneuerbaren Energien weiterhin gebraucht, und das noch für lange Zeit. Wir gehen davon aus, dass der genehmigte Abbau im rheinischen Revier wie geplant bis zur Mitte des Jahrhunderts fortgeführt wird.“

Das sehen die etwa 400 Umweltaktivisten, die am Wochenende vor dem noch etwa anderthalb Wochen dauernden Abriss zwei Mahnwachen am Dom abgehalten hatten, etwas anders. „Die Planungen für den Ausstieg aus der Braunkohle sind nach meiner festen Überzeugung schon viel weiter als RWE es zugibt. Das Unternehmen und auch die Gewerkschaften sollten vor allem den eigenen Mitarbeitern gegenüber ehrlich sein statt sie aufzuhetzen“, erklärte der Aachener Naturführer und Klimaschutz-Aktivist Michael Zobel am Rande der Mahnwachen.

Ein schneller Ausstieg sei zwingend nötig und auch möglich, ohne dass die Versorgungssicherheit gefährdet wird. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Irrsinn noch 30 Jahre so fortgesetzt wird“, so Zobel, der vor allem durch seine Führungen durch den ebenfalls von der fast vollständigen Abbaggerung bedrohten Hambacher Forst bekanntgeworden.

Schon mehr als 11.000 Menschen haben an seinen inzwischen 44 Sonntagsspaziergängen teilgenommen.So groß war das Interesse der Immerather, die inzwischen fast alle im neuen Dorf oder anderswo leben, gestern beim Abriss ihres Domes bei weitem nicht. „Ganz wenige sind noch einmal hergekommen. Die meisten Menschen haben schon bei der Entwidmung des Domes Abschied genommen. Damals sind viele Tränen geflossen“, erinnert sich Pfarrer Rombach, „doch längst wissen alle, dass im alten Immerath nichts mehr zu retten ist.“ Deshalb wollten die Menschen nun wohl lieber gemeinsam nach vorn blicken. „Vielleicht können sie den Anblick der Zerstörung ihrer Heimat und ihres Domes auch einfach nicht ertragen“, sagt Zobel.