Düsseldorf – Kita-Kinder können in Nordrhein-Westfalen langsam wieder zurück in ihre Einrichtungen sowie zu Tagesmüttern oder -vätern. Allerdings bleiben die Betreuungsmöglichkeiten für die unterschiedlichen Alters- und Bedarfsgruppen voraussichtlich noch über viele Wochen sehr unterschiedlich. NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) stellte am Freitag in Düsseldorf die Einzelheiten vor. Klar ist: Ein Normalbetrieb wie vor der Corona-Krise ist nicht in Sicht.
WAS PASSIERT AB DEM 14. MAI?
Ab Donnerstag nächster Woche gibt es grünes Licht für Kitakinder, die im letzten Jahr vor ihrer Einschulung noch besonderen oder sprachlichen Förderbedarf haben. Auch Vorschulkinder aus Hartz-IV-Familien können dann wieder in die Kitas kommen.
Alle Kinder mit Behinderungen sind ebenfalls wieder zugelassen.
Zu ihren Tagesmüttern oder -vätern dürfen alle Kinder ab zwei Jahren. Da in der normalen Tagespflege nur maximal fünf Kinder betreut werden, sei es hier einfacher, Kontakte und Infektionsketten nachzuverfolgen, erklärte Stamp.
WAS PASSIERT AB DEM 28. MAI?
: Der letzte Kita-Jahrgang vor der Einschulung darf ab dem 28. Mai komplett zurück in die Einrichtungen.
Alle, die bislang schon in die Notbetreuung kommen durften, behalten ihren Anspruch. In NRW sind bereits viele Berufe definiert, die Eltern erlauben, ihre Kinder wieder in die Kita oder zu Tageseltern zu geben. Das gilt generell auch für erwerbstätige Alleinerziehende und für gefährdete Kinder.
Stamp sagte, es sei davon auszugehen, dass mit den ersten neuen Stufen zwischen 40 und 50 Prozent der Kitakinder einen Anspruch haben werden. Allein in der ersten Stufe seien das bis zu 70 000 Kinder. Insgesamt standen im Kindergartenjahr 2019/20 in NRW über 710 000 Betreuungsplätze für alle Altersstufen in Kitas und in der Tagespflege zur Verfügung.
WAS PASSIERT IM JUNI?
Etwa ab dem 10. Juni sollen alle Kita-Kinder bis zum Beginn der Sommerferien am 29. Juni wenigstens noch an zwei Tagen Gelegenheit bekommen, ihre Erzieher und ihre Freunde zu sehen - insgesamt, nicht pro Woche. Das Mindeste müsse ein Abschiedstag sein, sagte Stamp. „Ich glaube, dass auch kleine Menschen einen Anspruch darauf haben, dass ein für sie prägender Lebensabschnitt vernünftig zu Ende geht.”
WAS PASSIERT NACH DEN SOMMERFERIEN?
Ab September soll es zumindest wieder einen eingeschränkten Regelbetrieb für alle geben. Was genau das konkret bedeutet, soll in den nächsten Wochen gemeinsam mit allen Akteuren unter Berücksichtigung der Infektionsentwicklung erarbeitet werden.
WAS TEILTE DER MINISTER NOCH MIT?
Stamp kündigte eine eigene wissenschaftliche Studie zu Corona-Infektionen bei Kita-Kindern an. Mehrere Tausend Kinder sollen alle zwei Wochen kontinuierlich auf das Coronavirus getestet werden. Für Erzieher seien sollte Tests bislang nicht geplant, sagte Stamp. Falls diese und andere Corona-Studien in den nächsten Monaten ein geringes Ansteckungsrisiko in Kitas belegten, könne der Öffnungskurs beschleunigt werden.
„Bei unseren Kleinsten ist das Abstandsgebot nicht einzuhalten”, räumte der Minister ein. „Das ist die ganz große Herausforderung, denn gerade kleine Kinder sind auf Nähe angewiesen.” Gemeinsam mit Wissenschaftlern seien aber praktikable Hygiene-Empfehlungen für die Kitas erarbeitet worden. „Ich trage die Verantwortung, unnötige Infektionen zu vermeiden, aber ich trage genauso die Verantwortung, kleinen Kindern länger als notwendig das Recht auf Betreuung vorzuenthalten.” Sie auf Dauer von Gleichaltrigen fernzuhalten, schade ihrer Entwicklung. „Dass das alles furchtbar ist, steht außer Frage”, bilanzierte Stamp.
Erzieherinnen, die über 60 Jahre alt sind oder Vorerkrankungen haben, dürfen trotz Corona-Pandemie in den Kitas arbeiten. „Es gibt keine Berufsverbote”, stellte Stamp klar. Es werde aber auch niemand aus diesen Corona-Risikogruppen unter Druck gesetzt. Etwa sieben Prozent der Erzieher in NRW seien über 60 Jahre alt. Die Quote der Vorerkrankten mit Corona-Risiko sei nicht genau zu beziffern, werde aber mit „etwas oberhalb von 20 Prozent” kalkuliert - bei großen Schwankungsbreiten in den einzelnen Kitas.
Die Landesregierung hat noch nicht entschieden, ob Eltern für den kommenden Monat wieder Kita-Gebühren zahlen müssen. „Wir fahren auf Sicht”, sagte Stamp. Die Gebühren-Frage hänge davon ab, welche Betreuungsangebote im Juni wieder möglich seien. Für April und Mai mussten die Eltern keine Beiträge zahlen.
Eine von Eltern privat organisierte Betreuung wird erlaubt. Voraussetzungen: Alle sozialen - und möglichst stark beschränkten - Kontakte der Gruppe müssen dokumentiert werden und der Teilnehmerkreis sollte möglichst derselbe bleiben. „Die Kinder sollen sich soweit wie möglich im Freien aufhalten”, empfahl Stamp.
In den heilpädagogischen Kindergärten sollen die Träger gemeinsam mit den Eltern über eine schrittweise Öffnung unter strengen Hygienestandards beraten. Hier gibt es keine fest vorgegebenen Zeitpläne für bestimmte Altersgruppen.
Der Stufenplan wurde von den meisten Parteien, Lehrer- und Kommunalverbänden im Grundsatz begrüßt. Es gibt aber auch Kritik: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hält die Ankündigungen tageweiser Kita-Besuche im Juni für verfrüht. Die SPD forderte, dass Land müsse jetzt Elternbeiträge sowie Zusatzkosten für Hygienemaßnahmen in Kitas und Tagespflege komplett übernehmen. Die AfD verlangte „sofortige bedingungslose Öffnung von Kitas, Schulen und Universitäten”. (dpa/lnw)