- Die Kölner Polizei ermittelt in einem der schlimmsten Fälle von Kinderpornografie.
- Der im Dezember gefasste Hauptverdächtige lebte in einem ruhigen Viertel in Wermelskirchen.
- In der Nachbarschaft wohnte er seit vergangenem Jahr – Anwohner sind fassungslos.
Wermelskirchen – Man könne den Leuten halt nur „vor die Stirn gucken, nicht dahinter“, sagt die blonde Frau, die sich aus dem Fenster lehnt. Es ist früher Montagabend, auf dem kleinen Weg im Wermelskirchener Stadtteil Tente fahren zwei Mädchen mit ihren rosa Kinderrädern. In einem der gepflegten Gärten vor den zahlreichen Einfamilienhäuser toben Kinder, während der Vater wohl den Rasen inspiziert.
„Ein Idyll, haben wir geglaubt“, sagt die Blonde. Als sie erfahren habe, dass gegen den Nachbarn Marcus R. wegen des Verdachts „eines monströsen Kindermissbrauchs“ ermittelt wird, sei sie „nahezu verzweifelt“. „Das ist die Hölle und da weiß man doch gar nicht mehr, wem man überhaupt vertrauen kann“, meint die Anwohnerin.
„Nicht auszudenken“
„Wir haben selber Enkelkinder. Nicht auszudenken, das alles“, sagt sie. Man denke eben, „so etwas passiert nur in schwierigen sozialen Milieus“, ergänzt ihr Mann. „Aber nein, das gibt es in allen Gesellschaftsschichten. Und plötzlich ploppt es sogar direkt vor der eigenen Tür auf.“ Seine Namen möchte keiner der Anwohner in der Zeitung lesen, schon gar nicht dort das eigene Foto sehen. Zu groß ist der Schock. Zu groß wohl auch die Sorge, dass ihre Straße zum Symbol für den Missbrauch werden könnte. Dass das Geschehen sie noch lange begleiten könnte.
Er habe geahnt, dass da noch etwas kommt, sagt ein junger Mann, der wie R. und seine Frau erst seit etwa einem dreiviertel Jahr in der Siedlung wohnt. Es war ein Freitagnachmittag Anfang Dezember vergangenen Jahres, der für jede Menge Aufregung unter den Anwohner gesorgt hat.
Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Kölner Polizei stürmte das Einfamilienhaus von Marcus R.. Schon damals habe es geheißen, dass es um den Verdacht des Kindesmissbrauchs geht. Die Einsatzkräfte erwischten R. – wie sie sagen – „am offenen Rechner“, während einer Videokonferenz mit Kollegen.
SEK-Einsatz im Dezember vergangenen Jahres
Der Zugriff kam für den Beschuldigten so überraschend, dass er keine Sekunde mehr hatte, um mit einer Tastenkombination seinen PC zu verschlüsseln oder Beweismaterial zu vernichten. Einer der Kollegen in der Videoschalte glaubte an einen Überfall und alarmierte über den Notruf die Polizei, die das Missverständnis gleich aufklären konnte.
Was die Ermittler in den folgenden 17 Tagen auf R.s Rechner und in der gesamten Wohnung fanden, ist eine grauenvolle Sammlung menschlicher Abgründe. Mehr als 230 Datenträger mit insgesamt 32 Terabyte Bildmaterial von schwerstem sexuellen Missbrauch an Jugendlichen, Kindern und Babys in „nicht vorstellbarer Brutalität“, wie die Ermittler sagen.
„Die Ehefrau ist auch ein Opfer“
Marcus R. ist erst im vergangenen Jahr mit seiner Frau nach Tente gezogen. Sein Haus, ein freistehender Bungalow mit hohen Mauern zum Garten hin, ist wohl erst kurz vorher fertig geworden. Das Namensschild auf der Klingel und sogar die Hausnummer sind jetzt abmontiert, das Gebäude wirkt verlassen.
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„Sie müssen verstehen“, sagt einer der Nachbarn wie viele andere auch, „wir möchten uns nicht weiter äußern“. Weil man den Verdächtigen, der immer freundlich gegrüßt habe, halt nicht gut kenne. Und wegen seiner Angehörigen. „Die Frau, die hat doch nichts gewusst, die ist jetzt doch auch ein Opfer.“