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Wieder HochinzidenzgebietWie soll es jetzt auf Mallorca weitergehen?

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Mallorca wird wieder Hochinzidenzgebiet.

Mallorca – Normalerweise stehen die Schlangen bis hinten durch“, sagt Heimke Mansfeld und macht eine unbestimmte Geste in die Ferne. Vor der Lebensmittelausgabe der Hilfsorganisation „Hope“ in Pollença haben sich an diesem Vormittag drei oder vier Dutzend Menschen aufgereiht, die geduldig warten.

Früher kamen mehr. Jetzt haben die Hotels wieder geöffnet, es gibt Arbeit, die Zahl der Hilfesuchenden ist um 40 bis 50 Prozent zurückgegangen, sagt Mansfeld. Mallorca berappelt sich. Aber es ist noch lange nicht alles gut.

Flüge sind extrem billig

Die Urlauber kommen wieder, in Scharen. Die Flüge sind so billig wie lange nicht. Aber: Vom Dienstag an gilt ganz Spanien aus deutscher Sicht wieder als Hochinzidenzgebiet. Wer nicht geimpft ist, muss für mindestens fünf Tage in Quarantäne. Und nicht geimpft, das sind vor allem die jungen Leute, die jetzt ausgelassen bis hemmungslos an den Stränden Mallorcas feiern. Werden nach ihnen neue Freiheitshungrige einfliegen? Oder ist der Sommerboom der Insel nur ein kurzes Durchatmen?

Mallorca lebt vom Tourismus. Zu 80 Prozent sagen die einen, zu 95 Prozent die anderen. „Die restlichen 5 Prozent sind Politiker“, meint Mansfeld lachend. Sie selbst hat einen Friseursalon auf der Insel. „Da bin ich einerseits nicht vom Tourismus abhängig. Aber zu mir kommen natürlich viele Leute, die im Tourismus arbeiten. So bin ich also indirekt auch vom Tourismus abhängig.“ Als das Virus kam, brach der Tourismus ein. Und damit die Mallorquiner Wirtschaft: um fast ein Viertel, wie sonst nur im Krieg.

Eine Frau vor dem Nichts

Eine, die plötzlich vor dem Nichts stand, war die heute 35-jährige Vanesa Priego. Sie arbeitete als Kellnerin, mal in Palma, mal in Alcudia, nirgendwo lange genug, um Anspruch auf Unterstützung zu haben. Ihr Mann, vorher Oberkellner, bekam noch eine Weile Arbeitslosenhilfe. „Aber bald nicht mehr. Unsere Ersparnisse gingen drauf. Und das mit drei Kindern. Ich verlor die Lust zu leben. Was ist das für ein Leben, wenn du nicht mal eine Flasche Wasser für 20 Cent kaufen kannst!“

Priego kam über die Runden dank „Hope Mallorca“. Das ist die Hilfsorganisation, die Heimke Mansfeld und zwei Mitstreiterinnen im Mai 2020 gründeten und die bald darauf in sieben Orten der Insel Lebensmittel an Bedürftige wie Priego ausgab. Die junge Mallorquinerin strahlt: „Jetzt gebe ich das Essen aus. Alles, was ich an Hilfe bekommen habe, will ich zurückgeben.“

Zu Hause kein Mensch mehr

Sie hat noch nicht wieder Arbeit gefunden, aber ihr Mann schon: als Hilfsarbeiter auf dem Bau. Das ist neu für ihn. „Der Arme. Wenn er von der Arbeit kommt, ist er kein Mensch mehr. Aber er bringt Geld ins Haus. Für viel reicht es nicht. Wir müssen noch unsere Rückstände abbezahlen. Aber ich bin optimistisch! Es hätte alles schlimmer kommen können.“ Die Hilfe von „Hope“ hat Hoffnung in ihr Leben gebracht.

„Hope“ sprang ein, weil das spanische Sozialsystem gegen diese Krise nicht mehr ankam. „Wir haben erlebt, wie ganze Familien wirklich nichts mehr zu essen hatten“, erzählt Jürgen Mayer. Der WDR-Moderator wohnt seit fast 20 Jahren auf Mallorca und kennt die Verhältnisse gut. „Hier wird ja viel von der Großfamilie aufgefangen. Opa hat vielleicht noch irgendwo einen Gemüsegarten. Aber jetzt waren selbst diese Familienstrukturen überfordert. Man hat von Woche zu Woche sehen können, wie die Schlangen bei „Hope„ und anderen Ausgabestellen immer länger wurden.“

Hilfsgeschichten haben funktioniert

Doch dann legt sich Begeisterung in Mayers Stimme: „Diese Hilfsgeschichten, die haben sehr, sehr gut funktioniert! Da kamen, zum Teil auch aus Deutschland, Lkw-Ladungen mit Lebensmitteln!“ Wo Gefahr war, wuchs das Rettende auch. Mayer lebt in Sineu, ziemlich genau in der Inselmitte. Und in der Mitte von Sineu liegt Sa Plaça, der Platz, eingefasst von würdig gealterten Häusern, darinnen Cafés und Restaurants, davor Tische und Stühle, von denen die meisten hauptsächlich mit Einheimischen besetzt sind. Fröhliches Geplauder überall und nirgendwo ein Gefühl von Pandemie. Das ist neu.

„Zum Ende des Winters machte sich schon auch eine gewisse Verzweiflung breit“, erzählt Mayer. „Kriegen wir noch so ein Jahr ohne Urlauber?“ Als über Ostern die ersten deutschen Besucher kamen, keimte Hoffnung auf, noch immer mit etwas Bangen gemischt. „Aber danach haben die Leute ja wie entfesselt gebucht! Nachdem klar war, die Zahlen bleiben unten.“ Niedrige Inzidenz hieß hohe Besucherzahlen. Nicht unbedingt in Sineu, das liegt weit weg vom Strand und von den Touristenströmen. Aber auf Mallorca leben eben fast alle vom Tourismus, mindestens indirekt, deswegen ist auch in Sineu die Erleichterung spürbar. Für den Moment.

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Jürgen Mayer hat gerade ein Buch herausgebracht, dessen Titel gar nicht treffender sein könnte: „Endlich ist wieder Mallorca!“ Hierherzukommen, „das war für viele wie ein Befreiungsschlag“, sagt er. So ähnlich beschreiben das alle auf der Insel. „Wir haben inzwischen sämtliche Werbung rausgenommen“, berichtet Peter Berghoff von der Immobilienverwaltung „Wohnung und Haus Mallorca“.

„Wir sind voll. Wirklich voll. Mehr kann die Firma nicht schaffen, ohne mehr Leute einzustellen. Es reicht. Sie sind jetzt alle gekommen! Und haben es alle genossen!“ Wobei Berghoff zu denen gehört, die finden, dass es mit dem Genuss zu weit gegangen sei. Monatelang war die Inzidenz auf Mallorca kaum der Rede wert. Dann begann sie in der letzten Juniwoche plötzlich wieder zu steigen, und zwar gewaltig – die 14-Tage-Inzidenz klettert auf Mallorca auf 723. Man kann sich leicht anstecken, gerade wenn man feiert, wie die Leute am Strand feiern.

Corona ist vorbei

Viele Menschen hatten einfach keine Lust mehr, sich noch irgendwelche Zügel anzulegen. „Wir beschließen jetzt, dass Corona vorbei ist“, beschreibt Peter Berghoff die Stimmung der letzten Wochen. „Das kann man aber nicht beschließen! Corona lässt sich davon nicht beeindrucken.“ Der fehlende Respekt vor dem Virus fiel auch Anett Köhler auf.

Die Sächsin aus Lenkersdorf im Erzgebirge, die in ihrer „Sonnenbäckerei“ an der Playa de Palma den besten deutschen Kuchen verkauft, wunderte sich vor allem über ihre deutschen Landsleute: „Kommen alle hier larifari rein ins Café … Denen sage ich: Würden Sie vielleicht bitte die Maske aufsetzen? Die Diskussionen sind halt so anstrengend!“ Die Spanier halten sich eher an die Regeln, die fummeln erst mal ihre Maske aus der Tasche und um die Ohren, bevor sie das Café betreten.

Draußen der Wilde Westen

Draußen aber, ein paar Schritte vor der Tür, ist der Wilde Westen. Auf der Strandpromenade feiern die jungen Leute zu Tausenden, ohne Maske und ohne Abstand. „Nachts ist Katastrophe“, sagt Köhler. „Ist alles voll. Letztens bin ich morgens um 5 mit dem Hund raus. Da sitzen noch die letzten Betrunkenen rum. Und der Müll! Der Müll!“

Je weiter weg allerdings von der Playa de Palma, umso gelassener beobachten die Menschen den Trubel am Strand. „Die verdrehen zwar schon mal die Augen“, erzählt Jürgen Mayer von seinen Nachbarn in Sineu, „aber schimpfen habe ich noch keinen gehört. Die waren ja auch mal jung alle.“

Die Jungen wollen ihre Rechte

„Hope“-Gründerin Heimke Mansfeld wird ganz energisch: „Wir haben den jungen Menschen zu Beginn der Pandemie gesagt: Wenn die Älteren geimpft sind, dann ist ein Schutz für die da, und dann dürfen sie wieder raus und wieder ins Leben gehen. Ich glaube, die Jungen fordern jetzt einfach nur mal wieder ihre Rechte ein. Mit 18 oder 20 ist das Leben jetzt und findet jetzt statt.“

Aber, wendet Anett Köhler ein, „die machen uns die Insel kaputt“. Wo viel gefeiert wird, wird viel angesteckt. Und wenn ungeimpfte Mallorca-Heimkehrer in Deutschland nun für mindestens fünf Tage in Quarantäne müssen, wird es mit dem Inseltourismus wohl erst mal wieder bergab gehen. Macht die Corona-Achterbahnfahrt Mallorca womöglich kaputt?

Kneipen- und Restaurantsterben

Noch nicht. Die sehr kämpferische Sprecherin der kleinen und mittleren Restaurationsbetriebe auf Mallorca, Eugenia Cusí, rechnet schon lange mit einem großen Kneipen- und Restaurantsterben. Umso mehr, als den Mallorquiner Lokalen, wie sie findet, das Leben von der Regionalregierung unnötig schwer gemacht wird. Gerade erst sind sie dazu verdonnert worden, abends wieder eine Stunde früher zu schließen als bisher – während die Party doch nicht bei ihnen, sondern draußen auf der Straße stattfindet.

Es halten aber trotzdem noch fast alle durch. Viele bitten nicht mal um Subventionen. „Wir haben unsere Mitglieder gefragt“, berichtet Cusí, „und die erzählten: Mein Vater hat mir 10.000 Euro gegeben, oder Angehörige oder Freunde, aber das taucht nicht in unserer Buchführung auf. Viele halten sich lieber gerade so eben über Wasser, als Konkurs anzumelden.“

130 Prozent mehr Kunden

Außerdem sei die „Dynamik“ des Geschäfts in dieser Krise nicht verloren gegangen: Wo es so aussähe, als wenn ein Lokal für immer schließe, werde es vielleicht gerade von einem neuen Betreiber übernommen. Und auch die Präsidentin des Mallorquiner Hotelierverbandes, María Frontera, sagt: „Ganz gleich, welche Belegung wir haben, wir bleiben geöffnet. Wir halten aus, solange wir können.“

Dass Mallorca nicht so leicht unterzukriegen sein wird, lässt ein Blick auf den Immobilienmarkt erahnen. Der läuft gerade heiß. „Was jetzt auf uns zugerollt ist, können wir kaum abarbeiten“, sagt die Maklerin Christina Deutsch in Santa María del Camí. „Es ist wirklich unglaublich. Wir haben etwa 130 Prozent mehr Suchkunden als im vergangenen Jahr.“ Und schon da war ihr Umsatz im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

Die Liebhaber werden wiederkommen

„Die Leute hatten Zeit“, sagt Deutsch, die vor allem teure Villen und Fincas im Inselinneren verkauft. „Wir haben uns so was von die Füße abgerannt! Juli und August waren verrückt!“ Und so ist es geblieben. Sie hat gerade vier neue Leute eingestellt und dieser Tage schon das nächste Vorstellungsgespräch geführt. „Ich weiß nicht wohin vor Arbeit. Und das bin nicht nur ich. Das ist der ganze Sektor.“

Die Deutschen und all die anderen Mallorca-Liebhaber werden wiederkommen, sobald man sie lässt. Heimke Mansfeld sagt: „“Hope Mallorca„ wird im Winter noch gebraucht. Da wird“s noch mal richtig eng. Die Leute haben dieses Jahr drei, vier Monate gearbeitet. Das reicht nicht.“ Aber für die Zeit danach ist sie guter Hoffnung. Vanesa Priego freut sich schon darauf, wieder zu arbeiten. „Wenn“s nicht in einem Hotel ist, dann in einem Restaurant. Oder ich putze Wohnungen oder passe auf Kinder oder alte Leute auf.“ Hauptsache Arbeit. „Claro.“