Großbritannien, Brasilien, Südafrika, Japan und zuletzt Garmisch-Partenkirchen – an diesen Orten haben Wissenschaftler bislang unbekannte Varianten des Coronavirus Sars-CoV-2 entdeckt. Wie gefährlich sind diese Mutationen? Und wie wirken sie sich auf die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Was verändert sich? Bei der Mehrzahl der Varianten traten genetische Veränderungen des Spike-Proteins auf, das sich auf der Oberfläche des Coronavirus befindet. Mithilfe dieses Proteins kann sich das Virus an die menschlichen Zellen binden und in sie eindringen. Mutationen erleichtern womöglich diesen Prozess.
Die derzeit meistverbreitete Variante wurde zuerst im September 2020 in Proben aus Südengland und London nachgewiesen. Sie weist gleich mehrere Mutationen auf. Forschern der University of Edinburgh zufolge unterscheidet sich die Variante namens B.1.1.7 – auch VOC-202012/01 genannt – durch 14 ausgetauschte Aminosäuren und drei komplett weggefallene Proteinbausteine von der ursprünglichen Virusform. Sie wurde im Dezember auch in Deutschland entdeckt.
Härtere Maßnahmen?
B.1.1.7 könnte es schwieriger machen, die Pandemie einzudämmen. Denn die Virusmutation scheint sich deutlich schneller zu verbreiten, als frühere Formen. Experten zufolge könnte die Mutation härtere Maßnahmen notwendig machen. Auch die Weltgesundheitsorganisation ist beunruhigt: Mit den zugelassenen Impfstoffen gebe es neue Waffen gegen Sars-CoV-2. Regionaldirektor Hans Kluge bezeichnet aber die in Großbritannien aufgetretene Virusmutation als „besorgniserregend“.
Eine weitere Sars-CoV-2-Variante namens P.1 entdeckte ein brasilianisch-britisches Forscherteam um den Epidemiologen Nuno Faria Anfang Januar in Manaus. Die Wissenschaftler sequenzierten das Genom des Virus und fanden mehrere Mutationen – darunter die N501Y-Mutation, die auch bei der britischen und der südafrikanischen Virusvariante vorkommt.Vor wenigen Tagen tauchten noch zwei weitere Varianten auf. Die eine meldete die Regierung in Japan , die andere Forscher des Klinikums Garmisch-Partenkirchen in Bayern. Die entsprechenden Proben seien für eine genaue Analyse an die Berliner Charité übermittelt worden, teilte das Krankenhaus am Montag mit.
Wie gefährlich ist die Entwicklung? Hinsichtlich der japanischen Virusvariante lassen sich dazu noch keine Aussagen treffen, weil die Datenlage noch sehr gering ist. Mit der in Garmisch-Partenkirchen aufgetretenen Variante haben sich bisher 35 Patienten und Mitarbeiter des Klinikums infiziert. Der Chefvirologe der Charité, Christian Drosten, gibt jedoch Entwarnung: „Wir haben keinerlei Hinweis auf eine besondere Mutation“, schrieb er auf Twitter. Es bestehe „kein Grund zur Sorge“.
Die brasilianische Variante ist wie die japanische noch zu wenig erforscht. Die Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt Manaus, wo P.1 entdeckt wurde, erlebt derzeit eine regelrechte Corona-Apokalypse. Innerhalb einer Woche ist die Zahl der Neuinfektionen dramatisch gestiegen. Ob der neue Virustyp für diese Entwicklung verantwortlich ist, ist bislang noch unklar. Als besorgniserregender schätzt die europäische Gesundheitsbehörde die britische und südafrikanische Corona-Variante ein.
Beide sind nach ersten Untersuchungen ansteckender als die ursprüngliche Virusform, verursachen aber keinen schwereren Covid-19-Krankheitsverlauf. Trotzdem „wird die Auswirkung der Covid-19-Erkrankung in Form von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen aufgrund der erhöhten Übertragbarkeit als hoch eingeschätzt, insbesondere bei Personen höheren Alters oder mit Komorbiditäten“, teilt die Behörde mit.Die Varianten haben sich in Südafrika und Großbritannien rasch ausgebreitet. Erste Daten aus dem Vereinigten Königreich deuten darauf hin, dass die Reproduktionszahl in Gebieten, in denen der neue Virustyp zirkuliert, erhöht ist.
Impfstoffe bisher wirksam
Wirken die Impfstoffe auch bei Mutationen? Bisher scheinen die Corona-Varianten die Wirksamkeit der Impfstoffe nicht zu beeinflussen. Eine Studie des Pharmaunternehmens Pfizer und der University of Texas kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass der Biontech-/Pfizer-Impfstoff auch vor der in Großbritannien und Südafrika aufgetauchten Mutation des Virus, N501Y, schützt. Die Untersuchung muss allerdings noch durch den Gegencheck von weiteren Experten. Das Biotechnologieunternehmen Moderna kündigte zudem an, dass eine neue Version seines mRNA-Impfstoffes „binnen Wochen“ entwickelt werden könne.
Nach Einschätzung der WHO sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Auswirkungen auf die Impfstoffe zu verstehen: „Diese Untersuchungen sind komplex, erfordern Zeit und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsgruppen.“ Entsprechende Studien laufen.