Dramatische ZahlenWarum Deutschland die USA bei der Corona-Todesrate überholt
Dieser Satz könnte sich als eine Art Lebenslüge der Deutschen erweisen: „Wir sind bisher vergleichsweise gut durch die Corona-Pandemie gekommen“ – eine Formulierung, die immer wieder von Politikern verwendet wird. Schaut man auf die Infektionszahlen oder die Auslastung der Intensivstationen, stimmt der Befund zwar. Doch der Blick auf die Zahl der Corona-Todesopfer zeigt, dass Deutschland ganz und gar nicht gut durch die Pandemie kommt.
10,08 Tote pro eine Million Einwohner täglich
Nach den aktuellen Daten der John-Hopkins-Universität sind in Deutschland in den vergangenen sieben Tagen im Schnitt täglich 10,08 Menschen je eine Million Einwohner an oder mit Corona gestorben. Damit steht Deutschland derzeit auf einem unrühmlichen Platz 2 der großen Industriestaaten, hinter Großbritannien mit einem Wert von 18,01 – aber noch vor den USA (9,23) oder Italien (7,93). Beides Länder, die eigentlich als besonders schwer getroffen gelten.
Diese Entwicklung wiegt umso schwerer, weil sich in den USA und Italien viel mehr Menschen mit dem Corona-Virus infizieren. So steckten sich in den vergangenen sieben Tagen in den USA im Schnitt täglich 587 Menschen pro eine Million Einwohner an, in Italien waren es 224. In Deutschland lag der Wert aber nur bei 182.
In Deutschland sterben also vergleichsweise mehr Menschen, obwohl es weniger Infektionen gibt. Gut ablesbar ist das auch an der Todesrate pro bestätigtem Corona-Fall. Der Wert, berechnet vom Beginn der Pandemie, liegt in Deutschland gegenwärtig bei 2,4 Prozent, in den USA aber nur bei 1,7 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Von 1000 Infizierten sterben in Deutschland 24 Menschen, in den USA aber nur 17. Noch im November war das Verhältnis noch genau umgekehrt.
Wie kann das sein? Schon im Frühjahr haben Epidemiologen darauf hingewiesen, dass Deutschland wahrscheinlich sehr hart von der Pandemie getroffen werden wird. Der Grund: Deutschland hat eine sehr alte Bevölkerung – und Corona trifft insbesondere die Älteren. „Die Zahl der Toten wird fast ausschließlich durch die höhere Altersstruktur in Deutschland erklärt“, sagt der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD), der selbst Epidemiologe ist und weltweit mit Wissenschaftlern vernetzt ist. Je länger die Pandemie wütet und die Bevölkerung durchdringt, so die These, desto klarer tritt der Effekt zu Tage.
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In Deutschland sind 22,4 Prozent der Menschen älter als 65 Jahre, in den USA beträgt der entsprechende Anteil dagegen nur 16 Prozent. Auch in Italien gibt es mit einem Rate von 21,7 Prozent weniger Menschen über 65 als hierzulande. Als Gegenbeweis für die These, dass die Pandemie insbesondere die Länder mit einer alten Bevölkerung trifft, könnte Japan gelten, wo der Anteil der über 65Jährigen bei fast 30 Prozent liegt. Allerdings ist Japan dank seiner Insellage und einer konsequenten Abschottung deutlich weniger von der Pandemie betroffen, wodurch kein direkter Vergleich möglich ist.
Hohe Sterberate bei Heimbewohnern
Denkbar – aber bisher offenbar nicht untersucht – ist zudem ein Zusammenhang zwischen den Lebensumständen älterer Menschen in den unterschiedlichen Ländern und den Todesraten. Zahlen aus Deutschland zeigen, dass überproportional viele Hochbetagte in Pflegeheimen versterben. Die Pflegeheimbewohner machen ein knappes Drittel aller Sterbefälle in Deutschland aus, ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt aber nur knapp ein Prozent.
Auch in den USA ist die Sterberate bei Heimbewohnern sehr hoch. Allerdings lebt dort nach Zahlen aus einer Studie der London School of Economics and Political Science nur 0,6 Prozent der Bevölkerung in Altenheimen. Auch das könnte dazu beitragen, dass die Todesfallzahlen unterm Strich in Deutschland vergleichsweise höher sind.
Unklar bleibt weiterhin, warum die Politik nicht viel früher Konsequenzen aus dem Zusammenhang zwischen Altersstruktur und Corona gezogen hat. Von Anfang an hätten besondere Schutzkonzepte für die Hochbetagten vor allem in den Pflegeheimen im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen müssen. Fortgesetzte Lockdowns allein, das zeigt sich inzwischen, reichen offensichtlich nicht aus.