AboAbonnieren

Fragen und AntwortenWas passiert, wenn die Pandemie-Notlage endet

Lesezeit 3 Minuten
Spahn Ausgang

Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit, spricht bei einer Pressekonferenz zur Corona-Krise.

Berlin – Erneut wird darüber gestritten, ob die Pandemie-Notlage ein weiteres Mal verlängert werden soll. Worum geht es bei dem Streit? Welche Folgen hätte eine Fortsetzung, welche Konsequenzen ein Auslaufen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

Was bedeutet Pandemie-Notlage?

Im vollen Wortlaut heißt die umstrittene Situation „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“. Sie war ursprünglich nicht im Infektionsschutzgesetz vorgesehen, sondern wurde erst kurz nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 im Gesetz verankert. Nach Paragraf 5 des Infektionsschutzgesetzes kann der Bundestag die Pandemie-Notlage ausrufen, wenn eine „ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht“.

Dazu muss die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen haben und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit nach Deutschland drohen oder sich eine bedrohliche übertragbare Krankheit bereits in mehreren Bundesländern ausbreiten.

Seit wann gilt die epidemische Lage von nationaler Tragweite?

Der Bundestag hat die Notlage nach der Gesetzesänderung erstmals zum 25. März 2020 erklärt. Im November 2020 wurde der Beschluss bekräftigt, obwohl es damals noch keine zeitliche Befristung gab.

Erst seit März 2021 gilt, dass die Notlage nach drei Monaten automatisch ausläuft, wenn sie nicht vom Bundestag verlängert wird. Zuletzt hatte das Parlament im August die Verlängerung bis 24. November beschlossen.

Welche Handlungsmöglichkeiten sind mit der Erklärung der Notlage verbunden?

Zunächst gab das Infektionsschutzgesetz dem Bundesgesundheitsminister die Möglichkeit, mit Rechtsverordnungen ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu agieren, um die medizinische Versorgung sicher zu stellen. Im November 2020 wurden durch eine Gesetzesänderung zusätzlich eine Reihe möglicher Corona-Schutzmaßnahmen aufgenommen, etwa die Maskenpflicht, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, das Verbot von Veranstaltungen oder die Schließung von Hotels und Gaststätten. Damit wollten Regierung und Parlament die damals bereits längst bundesweit genutzten Beschränkungen auf eine rechtssichere Basis stellen.

Was passiert, wenn die Pandemie-Notlage ersatzlos ausläuft?

Die Bundesländer wären weiterhin in der Lage, Beschränkungen zu erlassen. Schließlich enthält das Infektionsschutzgesetz eine „Generalklausel“, nach der Landesbehörden „notwendige Schutzmaßnahmen“ erlassen können. Explizit genannt werden hier aber nur wenige Möglichkeiten, etwa Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbote.

Auch deshalb befürchten die Länder, dass Verwaltungsgerichte nach dem Auslaufen der bundeseinheitlichen Notlage länderspezifische Regeln zunehmend kippen und die Länder damit in Sachen Corona-Bekämpfung handlungsunfähig werden. Deshalb fordern die Regierungschefs geschlossen eine Verlängerung.

Was spricht dagegen?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) argumentiert, dass angesichts des Impffortschritts keine Überlastung des Gesundheitswesens mehr droht. Daher könne und müsse die bundesweite Ausnahmeregelung auslaufen. Tatsächlich bestehen hohe rechtliche Hürden für die Beibehaltung, schließlich sind damit erhebliche Grundrechtseinschränkungen verbunden.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Derzeit ist keine Mehrheit im neuen Bundestag für eine bloße Drei-Monats-Verlängerung erkennbar, weil in der absehbaren Ampel-Koalition FDP und Grüne dagegen sind. Denkbar wäre stattdessen ein Auslaufen, aber ergänzt durch eine Übergangsregelung. Durch sie könnten bestimmte Beschränkungen unabhängig vom Vorliegen der Notlage für eine gewisse Dauer gültig bleiben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Eine Blaupause dafür gibt es bereits: Die Grünen hatten als Alternative zur vormaligen Verlängerung im August vorgeschlagen, dass die Länder für weitere sechs Monate Abstandsgebote, Maskenpflicht, 3G-Regel und die Verpflichtung für Hygienekonzepte vorschreiben können. Nach RND-Informationen laufen bereits Gespräche über eine derartige Lösung zwischen den neuen Fraktionen.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) schlug eine weitere Kompromissmöglichkeit vor: Eine Verlängerung der Notlage nicht für drei Monate, sondern bis Ende Dezember. „Die beste Lösung wäre, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite noch einmal bis Ende des Jahres zu verlängern“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wenn die politische Kraft dafür im Deutschen Bundestag nicht ausreicht, muss es eine Übergangslösung geben, die den Ländern gerichtsfest Maßnahmen zur Maskenpflicht, zu Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen im Sinne von 2G- und 3G-Regelungen ermöglichen“, fügte er hinzu.