Hass, Geld und MeinungsfreiheitElon Musk könnte Twitter noch am Montag übernehmen
Nun verhandeln sie doch: Wie US-Medien am Montag berichteten, laufen Gesprächen zwischen Elon Musk und dem Twitter-Management. Der milliardenschwere Unternehmer hatte zuletzt angekündigt, den Kurznachrichtendienst übernehmen zu wollen - und war damit zunächst auf massiven Widerstand gestoßen. Dass sich das Unternehmen nun offenbar doch für den Vorschlag erwärmen kann, ruft neue Kritiker auf den Plan.
Der Kurznachrichtendienst Twitter hat im Internet zweifelsohne eine herausragende Bedeutung. So ziemlich alle namhaften Politikerinnen und Politiker tummeln sich auf Twitter, ebenso wie Stars und Medienschaffende. Was getwittert wird, bestimmt oft die Schlagzeilen am nächsten Tag - was nicht zuletzt der frühere US-Präsident Donald Trump wie kein Zweiter auszunutzen wusste.
Twitter ist ein Scheinriese
Betrachtet man allerdings die Nutzerzahlen, ist der Kurznachrichtendienst ein Scheinriese: Facebook wies 2021 fast 3 Milliarden Nutzer aus, TikTok 1,3 Milliarden und Instagram 1,2 Milliarden. Bei Twitter waren es hingegen nur 211 Millionen - verschwindend wenig in einer Branche, in der ein möglichst großer Marktanteil über Gedeih und Verderb entscheidet. Die Geschäftszahlen spiegelten das wieder: In der 16-jährigen Unternehmensgeschichte schaffte es Twitter nur sporadisch in die Gewinnzone.
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Musk, dank Autobauer Tesla und Raketenfirma SpaceX mittlerweile der reichste Mensch der Erde, will Twitter trotzdem übernehmen, wie er vor knapp zwei Wochen bekanntgab. 54,20 Dollar bietet Musk je Anteil, diese notieren derzeit bei 49 Dollar. Im Fall eines Erfolgs, so kündigte es Musk an, soll das Unternehmen von der Börse genommen werden.
Doch das Twitter-Management sperrte sich, griff in der vergangenen Woche zur sogenannten „Giftpille“: Sofern Musk mehr als 15 Prozent der Anteile zusammenbekommt, könnte Twitter an andere Aktionäre zusätzliche Papiere ausgeben - was schlussendlich die feindliche Übernahme verteuern würde.
Ob es überhaupt zu einer solchen kommt, ist seit Montag aber unklar: Das „Wall Street Journal“ berichtete, Musk und das Twitter-Management seien nun doch in ernsthaften Verhandlungen und könnten einen Deal noch in dieser Woche festzurren. Der Finanzdienst Bloomberg meldete sogar, dass eine Einigung noch am Montag möglich sei. Und auch die New York Times berichtete über entsprechende Informationen.
Schwächelnde Aktien machen Musks Angebot attraktiver
Zum jüngsten Sinneswandel bei Twitter könnte beigetragen haben, dass Tech-Aktien in den USA zuletzt schwächelten, was Musks Angebot attraktiver macht. Auch hat er mittlerweile gegenüber der US-Börsenaufsicht SEC erklärt, die für die Übernahme nötigen 43,5 Milliarden Dollar aufgetrieben zu haben. Die Hälfte der Summe kommt demnach von Banken, die andere Hälfte aus Musks Unternehmensbeteiligungen.
Ob Twitter unter Musk einen ähnlich kometenhaften Aufstieg wie Tesla und SpaceX hinlegt, ist mit Blick auf die Geschäftszahlen eher unwahrscheinlich - und für Musk womöglich auch zweitrangig: Twitter habe das Potenzial, die Plattform für Meinungsfreiheit rund um den Globus zu sein. „Und ich glaube, Meinungsfreiheit ist ein sozialer Imperativ für eine funktionierende Demokratie“, begründete Musk die Übernahmepläne bei der US-Börsenaufsicht SEC.
Doch Musks Definition von Meinungsfreiheit - die Amerikaner nennen es Freedom of Speech - ist nicht unumstritten: Er selbst fiel schon mit derben Witzen auf, die ihm Kritik von KZ-Gedenkstätten einbrachten. Auch für die lebenslange Twitter-Sperre von Donald Trump nach dessen Aufrufen zum Sturm auf das Capitol hatte Musk wenig Verständnis gezeigt. Und so ist bei Twitter-Nutzern die Angst groß, dass mit Musks Übernahme auch ein neues, regelrecht libertäres Verständnis von Redefreiheit auf der Plattform Einzug halten könnte.
Dabei ist womöglich das Gegenteil geboten: „Rechtsextreme Hate-Speech ist nach wie vor ein riesen Problem auf Twitter“, erklärte etwa ein Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung auf Anfrage des RND. „Wenn Herr Musk dem etwas entgegensetzen will, muss er die Transparenz und Zugänglichkeit der Meldewege verbessern und insgesamt einfach viel restriktiver gegen alle Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorgehen“, forderte er.
Bislang ließ Musk diesbezüglich wenig Problembewusstsein erkennen: Ein gutes soziales Netzwerk werden von rechten und linken Extremisten gleichermaßen gehasst, twitterte er kürzlich sinngemäß. Laut Polizeistatistik entfielen in Deutschland zuletzt allerdings 62 Prozent aller politischen Hassbotschaften auf das rechtsextreme Spektrum und 7 Prozent auf linke Verdächtige.