Berlin – Die Politik ist sich uneinig, ob sie den Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland in die Hände des chinesischen Konzerns Huawei legen will. Kritiker befürchten eine Spionage durch China. Moderatorin Anne Will diskutiert in ihrer gleichnamigen Talkshow mit ihren Gästen am Sonntagabend das Thema „Wirtschaftsmacht und Überwachungsstaat – kann man China vertrauen?“
Deutschland will sein Telekommunikationsnetz auf den neuesten 5G-Standard bringen. Eine entscheidende Rolle könnte dabei der chinesische Konzern Huawei spielen. Doch der Netzwerkausrüster steht unter Spionageverdacht. Wie abhängig ist Deutschland vom chinesischen Markt? Muss sich Deutschland im Umgang mit China auch mit der Lage der Menschenrechte vor Ort auseinandersetzen?
Die Gäste
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist der Überzeugung, dass auch chinesische Unternehmen mit Deutschland kooperieren können, solange sichergestellt ist, dass der chinesische Staat keinen Einfluss nimmt.
Linda Teuteberg, Generalsekretärin der FDP, hält die Handlungen von China für gefährlich. „Wir müssen auf Menschenrechtsverletzungen reagieren“, sagt sie. Gerade bei der Erschaffung unserer Kernnetze durch ein chinesisches Unternehmen dürfe Deutschland nicht zu naiv sein.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, hält es für wichtig, dass jeder Bürger selber ein Auge darauf hat, dass seine Daten gut gesichert sind. Doch auch die Datensicherheit habe ihre Grenzen. „Lückenlose Sicherheit gibt es nicht“, sagt Kempf.
Margarete Bause ist Sprecherin für Menschenrechtspolitik der Grünen im Bundestag und hält die Vergabe an Huawei für einen Fehler. „Es geht um die Entscheidung, ob wir unsere technische Infrastruktur von einem Unternehmen aus einem Unrechtsregime dominieren lassen wollen“, sagt sie.
„Eine endgültige Sicherheit wird es nicht geben, deshalb führen wir hier eine Scheindiskussion“, sagt Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.
Die Politikwissenschaftlerin Kristin Shi-Kupfer sieht die Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen kritisch. Ein Wandel durch Handel sei auch in der Vergangenheit nicht eingetreten, sagt sie. „Es ist heute nur noch eine Illusion, dass man Werte und Wirtschaft voneinander trennen kann.“
Das Vertrauen in Huawei
Gleich zu Beginn der Sendung bringt Anne Will den Wirtschaftsminister ins Straucheln, als sie ihn nach der Vertrauenswürdigkeit von Huawei fragt. „Das kann man nicht generell beantworten“, versucht der sich herauszuwinden und gerät plötzlich selbst ins Fragen stellen. „Denken Sie, dass die Firmen vertrauenswürdig sind?“ Doch Will bleibt hartnäckig. „Sie drücken sich um die Antwort.“ Eine klare Antwort bekommt sie aber trotzdem nicht.
Der Minister betont, dass die Nachrichtendienste bescheinigt hätten, dass man Huawei nicht ausschließen müsse. „Als wir damals im NSA-Skandal überprüft haben, wie verlässlich die USA sind, hat auch niemand den Boykott verlangt“, sagt er und scheint überzeugt mit dieser Aussage das Diskussionsthema des Abends erledigt zu haben.
„Die USA sind aber immer noch ein Rechtsstaat, China nicht“, kontert Bause daraufhin. „Deshalb helfen dort auch Sanktionen nicht. Die werden schlicht ignoniert.“ Kempf springt Altmaier zur Seite und sagt, dass es keine Regel geben könne, dass Deutschland nur mit Ländern, die eine ähnliche Demokratie pflegen, Handel betreiben dürfe.
Das beste Zitat
„China hat die Diktatur neu erfunden und digitalisiert“, sagt Mascolo mit Blick auf die Unterdrückung durch den Staat, die viele Chinesen erleben. So habe China das System umgedreht und aus einem Kommunikationsverbot eine Aufforderung zur Kommunikation gemacht. Je mehr digital kommuniziert werde, desto mehr wisse der Staat und desto mehr könne er auch kontrollieren. „Man darf nicht die Augen davor verschließen, womit man es bei diesem Land zu tun hat“, sagt Mascolo.
Mit einer Diktatur Geschäfte machen?
Als das Thema schließlich auf den Zwist zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Menschenrechtsverletzungen kommt, lässt der Minister tief blicken.
Die Bundesregierung würde von deutschen Unternehmen verlangen, auch im Ausland nach den hiesigen Werten zu handeln, bemerkt Altmaier. „Aber sollen wir unsere wirtschaftlichen Beziehungen nur auf Staaten beschränken, die die gleichen Menschenrechte pflegen wie wir?“, fragt er in die Runde. Für den Fall, dass einer der Gäste seine Aussage nicht klar genug deuten konnte, fügt er noch hinzu: „Wie brauchen eine klare Trennung zwischen unserer weltweit verflochtenen Wirtschaft und dem, was wir an Werten und Normen haben wollen.“
Und weil es der Regierungsvertreter nicht tut, sagt die Politikwissenschaftlerin zum Abschluss den Satz, den es eigentlich schon zu Beginn der Sendung als Diskussionsgrundlage gebraucht hätte: „Menschenrechte sind universell. Diese Werte gelten für alle – auch in China.“
Fazit
Das größte Problem des Themenkomplexes wird auch in dieser Sendung wieder deutlich: Es herrscht jede Menge Unsicherheit. So sind sich die Gäste zwar einig, dass bei einem Huawei-Einsatz in Deutschland die verwendete Hard- und Software zwar genau geprüft werden müsse. Wie kann aber gewährleistet werden, dass auch wirklich keine Daten aus Deutschland an den Big-Player aus Asien weitergegeben werden?
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Unabhängig davon steht aber noch ein anderes Thema groß im Raum: Ist es moralisch überhaupt vertretbar mit einem Land wie China zu kooperieren? Zwei Fragen, die – wie erwartet – auch in einer Stunde Talk bei "Anne Will" nicht beantwortet werden können.