Berlin – Die Bundesregierung will die Kompetenzen im Kampf gegen die dritte Welle der Corona-Pandemie angesichts einer steigenden Zahl von Patienten auf den Intensivstationen stärker als bisher an sich ziehen. Das kündigte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin an. Zugleich wurde die für Montag geplante Ministerpräsidentenkonferenz abgesagt.
Das Kabinett will am Dienstag – aufbauend auf einer entsprechenden Initiative der drei CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Röttgen, Johann Wadephul und Yvonne Magwas – eine Reform des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg bringen. Demmer sagte, die Idee sei, bundeseinheitlich zu regeln, „welche Beschränkungen zu ergreifen sind, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis über 100 liegt“. Für diesen Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen hatten Bund und Länder Anfang März eine sogenannte Notbremse, also das Rücknehmen von Lockerungen, vereinbart.
Diese Notbremse wird in den Bundesländern aber sehr unterschiedlich ausgelegt. Welche Maßnahmen konkret im Gesetz festgeschrieben werden sollen, sagte die Bundesregierung noch nicht. Denkbar wären Regeln für die Schließung von Geschäften, Schulen und anderen Bereichen. Klar ist nur, dass sie ab einer 100er-Inzidenz keinen Interpretationsspielraum mehr ließen.
Angela Merkel deutet Fiasko an
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Ende März nach dem Fiasko um die „Osterruhe“ in einem Interview in der ARD-Sendung „Anne Will“ angedeutet, dass sie über eine Gesetzesänderung für mehr Befugnisse des Bundes nachdenkt. Sie werde nicht tatenlos zusehen, bis die Infektionen auf 100.000 pro Tag steigen. Am vorigen Wochenende hatte ein Regierungssprecher diese Linie noch einmal bekräftigt.
Am Freitag nun sagte Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, Bund und Länder zögen an einem Strang. „Alle gemeinsam haben das Gefühl, es macht einen Sinn, das bundesweit so einheitlich festzulegen, dass alle klar wissen, woran sie sind“, sagte er. Wenn man einheitliche gesetzliche Regeln habe, „dann muss man auch nicht alle zwei Wochen neu darüber verhandeln. Dann muss auch nicht jeden Tag jemand ein neues Interview geben, um zu verkünden, was als nächstes zu tun ist.“
Gesetzgebungsverfahren können Monate dauern
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Bereits im November hat die SPD-Bundestagsfraktion Forderungen nach mehr Einheitlichkeit und Rechtssicherheit formuliert. An einigen Stellen sind wir da bisher auf Widerstand beim Koalitionspartner gestoßen. Deswegen ist es nicht überraschend, dass wir einen Vorstoß, der nun in die gleiche Richtung geht, grundsätzlich begrüßen.“ Dabei gehe es um Transparenz und Verbindlichkeit. So könne man „dem Eindruck eines Flickenteppichs entgegenwirken“.
Normalerweise dauern Gesetzgebungsverfahren mehrere Wochen, wenn nicht Monate. Einer ersten Lesung im Bundestag folgt eine Beratung in den Ausschüssen, verbunden mit einer Anhörung. Nach einer zweiten und dritten Lesung im Bundestag müssen die Gesetze dann in den Bundesrat. In besonderen Situationen haben Bundestag und Bundesrat jedoch immer wieder bewiesen, dass es auch schneller geht. Aus Länderkreisen verlautet, das Gesetz solle spätestens am 26. April in Kraft treten. Einen Entwurf sollten die Länder am Samstag bekommen.
Intensivmediziner und Robert Koch-Institut (RKI) schlugen am Freitag Alarm. „Jeder Tag zählt“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx. Der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis sagte, einige Krankenhäuser seien bereits nicht mehr in der Lage, Covid-Intensivpatienten aufzunehmen.
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Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, hat sich unterdessen dafür ausgesprochen, auch Nicht-Geimpften das Reisen zu ermöglichen, wenn diese einen negativen Corona-Test vorweisen. Es brauche „die Chance auf Normalität für alle“, sagte er dem RND. „Deshalb braucht es Freiheit für Geimpfte und negativ Getestete.“