Interview mit Verdi-Chef zu Corona„Schaden für Kinder und Jugendliche ist immens”
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Verdi-Chef Frank Werneke kritisiert, dass Politik und Arbeitgeber die Augen vor der zweiten Welle verschlossen haben.
Ein Interview.
Herr Werneke, sollte der Betrieb von Kitas und Schulen beschränkt werden, um Erzieher und Lehrer, aber auch die Kinder in Zeiten hoher Corona-Infektionszahlen besser zu schützen?Werneke:Eine der wesentlichen Lehren aus diesem Frühjahr ist, dass der Schaden für Kinder und Jugendliche immens ist, wenn Kitas und Schulen geschlossen sind. Wir verlieren dann gerade die Kinder, die es zu Hause nicht so einfach haben. Deshalb wollen wir Kitas und Schulen offen halten – mit durchdachten Hygienekonzepten.
Sind Sie mit dem Arbeitsschutz für die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas in der Pandemie zufrieden?
Die Erzieherinnen und Erzieher geben alles für einen guten Schutz, um Corona-Fälle zu verhindern. Doch sie können an widrigen Voraussetzungen natürlich wenig ändern. Gerade in großen Städten haben wir oft zu große Gruppen für zu kleine Räume. Teils sind die Räume nicht gut zu belüften. Und, klar, die Kita-Kinder können und werden nicht den ganzen Tag lang Masken tragen.
Was lässt sich also tun, um den Arbeitsschutz konkret zu verbessern?
Die Arbeitgeber sollten Erzieherinnen, Altenpflegern und, wo es sinnvoll ist, auch Pflegenden FFP2-Masken zum Schutz vor Corona zur Verfügung stellen – und zwar in ausreichender Zahl und nicht eine jede Woche, wie das jetzt geplant ist. Es gibt noch immer riesige Defizite. Jetzt rächt sich, dass die Politik und viele Arbeitgeber die Augen vor der Gefahr einer zweiten Welle verschlossen haben, anstatt gründliche Vorbereitungen zu treffen. Das gilt übrigens auch für die räumliche Situation.
Wie meinen Sie das?
Ich unterstütze ausdrücklich die Forderung, dass die Kommunen jetzt endlich einmal wirklich ernsthaft prüfen, welche zusätzlichen Räume es gibt, die in der Pandemie leer stehen und die man nutzen könnte. Ein Messezentrum und ungenutzte große Tagungsräume in Hotels sind dann vielleicht nichts für die Kita-Kinder, aber vielleicht für Schulen. Es bringt doch nichts, wenn Politiker solche Ideen alle paar Wochen immer nur in den Raum stellen und dann nie etwas geschieht.
Was würden weiteren Corona-Einschränkungen beispielsweise noch im Dezember wirtschaftlich bedeuten – auch und gerade für die Beschäftigten im Land?
Das Gute ist: Wir verzeichnen keinen massiven Einbruch von Kaufkraft, was auch an der guten Regelung beim Kurzarbeitergeld liegt. Die Einschränkungen im November treffen aber gerade die Menschen im Kultur- und Veranstaltungswesen und den Tourismus hart. Wenn diese Anti-Corona-Maßnahmen im Dezember verlängert werden sollten, muss die Bundesregierung auch die bestehenden Hilfen, die bislang nur für den November vorgesehen sind, verlängern.
Was erwarten Sie sich in dieser Legislaturperiode noch von der großen Koalition?
Ein wichtiges Vorhaben, das von der großen Koalition unbedingt noch angepackt werden sollte, ist die Begrenzung von sachgrundlosen Befristungen. Das ist fest im Koalitionsvertrag vereinbart, das haben die Regierungsparteien den Menschen in diesem Land versprochen. Das war einer der wesentlichen Gründe für die Zustimmung der SPD-Mitglieder zur Koalition. Ich nehme derzeit jedoch leider nicht die Energie wahr, die notwendig ist, um in dieser Legislaturperiode noch zu einem Ergebnis zu kommen. Das wäre nicht akzeptabel, dabei geht es auch um die Glaubwürdigkeit von Politik.
Können Sie denn die Forderung der Wirtschaft nicht auch verstehen, in einer so großen Wirtschaftskrise keine zusätzlichen Belastungen zu schaffen?
Verlässliche Arbeitsverhältnisse sind keine Belastung für die Unternehmen, sondern geben den Beschäftigten Sicherheit und helfen damit am Ende auch der Produktivität der Unternehmen. Was ich nicht akzeptiere, ist, wenn eine schwierige Arbeitsmarktsituation ausgenutzt werden soll, um generell unfaire Bedingungen zu erhalten oder auszuweiten. Und derzeit wird leider wieder verstärkt mit sachgrundloser Befristung eingestellt.