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KommentarKrise ist sozialer Sprengstoff – Politik muss die Gesellschaft verbinden

Lesezeit 3 Minuten
Lindner Scholz Habeck 310822

Finanzminister Christian Lindner (FDP), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)

Es werden immer mehr, die den Wahnsinn bereits schwarz auf weiss vor sich haben: Bei Twitter haben etliche Nutzer Fotos ihrer aktuellen Gasrechnung mit neuen Abschlagszahlungen gepostet. Bisheriger Spitzenreiter: Eine Kundin der Mitteldeutschen Gasversorgung soll statt 93 Euro im Monat künftig 789 Euro zahlen, eine Verachtfachung. Das sind bisher noch Einzelfälle. Doch in den kommenden Monaten wird die Energiekrise mit voller Wucht bei allen durchschlagen, die auf Gas angewiesen sind

. Dazu kommen: Strompreise auf Rekordniveau. Dazu kommen: Spritpreise über zwei Euro nach dem Auslaufen des Tankrabatts. Dazu kommen: Die hohen Lebensmittelpreise. Dazu kommen: Kräftig steigende Sozialbeiträge.

Politik vor immenser Aufgabe

Diese Preisexplosion ist ein sozialer Sprengstoff, den es in diesem Ausmaß in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben haben. Doch es drängt sich der Eindruck auf, dass die Regierung und selbst die Opposition noch gar nicht richtig begriffen haben, welche sozialen Verwerfungen tatsächlich drohen. Da wird munter darüber gestritten, ob auch einige profitable Firmen von der Gasumlage profitieren dürfen. Doch das ist Kleinkram verglichen mit der immensen Aufgabe, die vor der Politik steht: Sie muss dafür sorgen, dass diese Gesellschaft nicht auseinanderfliegt.

Es muss verhindert werden, dass aufgrund finanzieller Not diejenigen die Oberhand gewinnen, die die Ukraine opfern wollen, in der naiven Vorstellung, dann die heile Vorkriegswelt wieder herstellen zu können. Viktor Orban, der kleine ungarische Möchtegern-Diktator, darf mit seinem Kuschelkurs nicht zum Vorbild werden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer folgt ihm schon.

Es geht um die Verteidigung der Demokratie

Dabei ist nachvollziehbar, dass sich Menschen beim Blick ins eigene Portemonnaie fragen, warum sie für einen Krieg zwischen zwei früheren Sowjetrepubliken draufzahlen sollen. Darauf muss die Regierung reagieren. Es geht um nichts Geringeres als die Verteidigung der Demokratie und ihrer Werte.

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Das hat auch in Friedenszeiten ihren Preis, aber nun ist dieser besonders hoch. Ein paar Milliarden hier und da werden nicht reichen. Nötig ist mindestens der „Wumms“, mit dem die Corona-Krise abgefedert wurde. Solange in der Ampelkoalition jedoch noch darüber diskutiert wird, wie die Schuldenbremse eingehalten werden kann, scheint sie davon weit entfernt zu sein.

Dabei ist auch klar, dass der Staat nicht alle Energiepreissteigerungen auffangen kann. Eingriffe in bewährte Marktmechanismen bergen erhebliche Risiken, ebenso Preisdeckel. Nicht die Energiepreise, sondern die Kosten beim Einzelnen sollten begrenzt werden, möglichst in Relation zum Einkommen. In Österreich bekommt jeder Haushalt einen Scheck, der beim Energieversorger eingelöst werden kann – aber nur, wenn das Einkommen unter 55.000 Euro liegt. Stichprobenartige Kontrollen sollen ausreichen. Ähnlich pragmatische Lösungen sind auch hierzulande nötig.