Bundeskanzler Scholz bewegt sich im Nahen Osten zwischen der unverbrüchlichen Solidarität Deutschlands mit Israel und dem Bestreben, die brandgefährliche Lage nicht weiter eskalieren zu lassen. Für diesen Kurs sucht er in der arabischen Welt nach Verbündeten.
Kommentar zu Kanzler-BesuchScholz auf fast aussichtsloser Mission im Nahen Osten
Regierungsbesuche sind keine Windhundrennen. In diesem Fall war es Bundeskanzler Olaf Scholz aber enorm wichtig, als erster Staats- oder Regierungschef zum Solidaritätsbesuch nach Israel zu reisen. Und so landete er einen Tag vor dem US-Präsidenten in Tel Aviv. Symbolisch spielt es sehr wohl eine Rolle, wer zuerst einem angegriffenen Land seine Aufwartung macht. Scholz hatte sich im Fall der Ukraine viel Zeit gelassen – streng genommen zu viel Zeit – selbst dorthin zu reisen.
Nun ist sein Signal an die Weltöffentlichkeit an diesem Dienstag umso klarer: Es ist der Besuch zum Versprechen, dass Deutschland an der Seite Israels steht und die Sicherheit Israels zur eigenen Staatsräson gemacht hat. Eben dies wiederholt Scholz in Tel Aviv und leitet es abermals historisch her: „Die deutsche Geschichte macht es uns zur Aufgabe, für die Existenz Israels einzustehen.“ Aus so klaren Worten erwächst eine große Verpflichtung. Nun gilt für Scholz, sein Wort zu halten, ohne dass Deutschland eskalierend auf die brandgefährliche Lage in Nahost wirkt.
Konflikt im Gazastreifen: Bei Einmischung des Westens droht nächster globaler Konflikt
Für den Westen insgesamt kommt es darauf an, dass in den Krieg zwischen Israel und der Hamas nicht weitere Kräfte eintreten – das gilt insbesondere für die Miliz Hisbollah und den Iran. „Don’t“ – tut es nicht. Diese Warnung hatte bereits der US-Präsident Richtung Iran geschickt. Russland hat seinerseits Israel vor einer Bodenoffensive im Gazastreifen gewarnt. Nach der Ukraine ist der Nahe Osten das nächste Kriegsgebiet, in dem sich ein globaler Konflikt zu entzünden droht.
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In Ägypten wird Scholz am Mittwoch darum werben müssen, dass Geflüchtete aus dem Gaza in der arabischen Welt Schutz finden können. Bei der Frage, ob die arabischen Länder bereit sind, eben dies zu tun, geht es um mehr als um erste Hilfe und Flüchtlingscamps. Die jeweiligen Staatsführungen müssen entscheiden, ob sie den Palästinenserinnen und Palästinensern ihre menschlichen Schutzschilde wegnehmen, indem sie den Flüchtenden Unterschlupf gewähren.
Mit einer solchen Entscheidung würden sie den Israelis den Kampf gegen die Hamas erleichtern. Denn dann könnte Israel sehr viel robuster im Gaza vorgehen. Es steht zu befürchten, dass die arabischen Länder – auch jene, die keine erbitterten Feinde Israels sind – eben dies nicht tun. So blieb Scholz nur die vage Zusage, dass sich die Bundesregierung für die palästinensische Gesellschaft humanitär engagieren werde.
Nahost-Konflikt: Deutschland muss Kampf gegen Antisemitismus im eigenen Land verstärken
Die kleinen Fortschritte, die Israel in den vergangenen Jahren mit Ägypten, den Emiraten und Saudi-Arabien zur Normalisierung der Beziehungen gelungen sind, drohen zerstört zu werden. Israel wird die von Deutschland zugesicherte Solidarität vermutlich über viele Monate brauchen. Neben Waffenlieferungen muss Deutschland zwei Dinge tun. Erstens: den Kampf gegen den Antisemitismus im eigenen Land verstärken. Zumal die Gefahr besteht, dass der mutmaßlich islamistische Anschlag in Brüssel nicht die letzte Tat von Extremisten war, die ihre palästinensischen Glaubensbrüder rächen wollen. Deutschland wird über eine lange Zeit insbesondere jüdische Einrichtungen noch besser schützen müssen als bisher.
Zudem muss zweitens die Finanzierung der Behörden in den Palästinensergebieten auf den Prüfstand. Deutschland gibt überwiegend Geld in Berufsbildungsprojekte und Ähnliches. Über die EU aber werden Regierung und Verwaltung unterhalten. Ob und wie viel Geld davon an die Hamas fließt, lässt sich nicht wirklich kontrollieren. Europa sollte klarere Spielregeln und vor allem Kontrollen sicherstellen, wenn es weiter Geld in die bislang von der Hamas durchsetzten Gebiete fließen lässt.