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Mahnwache für IsraelJüdischer Verein in Leverkusen: „Unsere Leute haben Angst“

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Ein Davidstern aus Kerzen: Leverkusener Mahnwache für Israel und die Terroropfer des Hamas-Überfalls auf dem Rathausvorplatz

Ein Davidstern aus Kerzen: Leverkusener Mahnwache für Israel und die Terroropfer des Hamas-Überfalls auf dem Rathausvorplatz

In Leverkusen waren zuvor zweimal israelische Flaggen gestohlen und in einem Fall verbrannt worden.

Als mehrfach „Free Palestine“-Rufe von der Seite zu hören sind, schauen sich die Teilnehmer der Mahnwache auf dem Leverkusener Rathausvorplatz um, vielleicht eher etwas verärgert als besorgt. Die Nachricht vom Terrorakt in Brüssel, bei dem zwei Unbeteiligte vermutlich von einem Islamisten erschossen wurden, hat sich am Montagabend um 19.30 Uhr noch nicht verbreitet. Die Teilnehmenden der Mahnwache erwidern die Rufe nicht. Ihr werde jetzt klarer, dass es in der Stadt anscheinend sehr viel mehr Israel-Hass gibt, als sie dachte, sagt eine Frau. Das sei eine blöde Erfahrung.

100 Menschen versammeln sich um den Davidstern

Indizien dafür sind die Diebstähle der Israel-Flaggen in den vergangenen Tagen. Die aus Solidarität zum Judenstaat gehisste Flagge rissen Unbekannte vom Fahnenmast und verbrannten sie. Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) reagierte umgehend und ließ eine neue Flagge aufhängen. In der Nacht zu Samstag wurde auch sie gestohlen.

Am Montagabend bilden rund 100 Menschen vor dem Wiesdorfer Rathaus einen Kreis um einen leuchtenden Davidstern aus Teelichtern. Der Evangelische Arbeitskreis der CDU Leverkusen hat zur Mahnwache eingeladen, organisiert hat sie der 21-jährige Joshua Kraski. Doch die Solidarität mit Israel ist in Leverkusen überparteilicher Konsens – wenn man die AfD und den rechtsextremen „Aufbruch Leverkusen“ ausklammert. Das warme Licht, das von dem Davidstern aus Teelichtern auf dem Platz ausgeht, entfaltet am kalten und dunklen Montagabend eine friedliche Stimmung.

Ein Davidstern aus Kerzen: Leverkusener Mahnwache für Israel und die Terroropfer des Hamas-Überfalls auf dem Rathausvorplatz

Leverkusens Landtagsabgeordneter Rüdiger Scholz (CDU) spricht bei der Mahnwache in Leverkusen.

Milanie Kreutz von der SPD bedankt sich bei ihrem CDU-Kollegen für die Organisation des Abends. „Ein Unrecht, ein Massaker“ sei der Hamas-Terror, sagt sie anschließend, der habe das Zeug, zu einem weltweiten Krieg zu werden. Angesichts der Sympathisanten für die falsche Seite müsse man in Leverkusen die Bildung verbessern. „Wo holen die sich ihre Informationen?“, fragt die Ratsfrau. Die Grüne Claudia Wiese sagt beschwörend: „Wir sind wach!“ Deutschland habe auch Verantwortung für Israel. „Niemals darf ein jüdischer Mensch hier Angst haben.“

Erst neulich wurden beim Verein Davidstern die Schlösser zugeklebt

In Leverkusen scheint das in diesen Tagen ein hehrer Wunsch zu sein. „Unsere Leute haben Angst“, sagt Lev Ismikhanov später am Telefon. Er ist Vorsitzender des kleinen Leverkusener jüdischen Vereins Davidstern. Jetzt, nachdem die Hamas ihre Sympathisanten weltweit zu Angriffen auf Juden aufgehetzt hat, in Leverkusen ein Zeichen jüdischen Lebens offen zu tragen? Eine Kippa auf dem Kopf, vielleicht ein Aufkleber am Auto? Die Mitglieder von Davidstern wagten das nicht, sagt Ismikhanov.

Das Vereinsheim ist äußerlich nicht als jüdisches Haus zu erkennen. Es wird gut von der Polizei bewacht, dennoch seien auch dort schon Dinge geschehen, sagt Ismikhanov: Erst neulich seien die Schlösser zugeklebt worden. Anzeigen liefen bisher ins Leere.

Oberbürgermeister Uwe Richtath redet bei der Mahnwache auf dem Rathausvorplatz.

Oberbürgermeister Uwe Richrath redet bei der Mahnwache auf dem Rathausvorplatz.

Auf der Mahnwache spricht OB Uwe Richrath. Er habe große Bedenken, dass die Gesellschaft in seiner Stadt weiter in Lager zerfällt. „Wir müssen uns verständigen.“ Es gibt einen hohen Anteil Menschen mit Migrationsgeschichte. Er glaube nicht, dass die Probleme mit Antisemitismus hier größer seien als anderswo, sagt der SPD-Politiker nach seiner Rede. Richrath wird nicht müde, Israel-Flaggen nachkaufen zu lassen. Wir werden sie immer wieder neu hissen, sagt der Oberbürgermeister. Man fahre jetzt mehr Streife, sagt ein Polizeisprecher.

Ohne Wenn und Aber stehe die Stadt zu Israel, beteuert Richrath wiederholt. Die Zwischenrufer von der Straße huschen derweil so schnell weiter, dass in der Dunkelheit nicht mal genau auszumachen ist, wer die kurzen Rufe abgibt. Eine Frau bemängelt, dass hier vor dem Rathaus eine Flagge fehle, die palästinensische, ob sie auch eine Rede halten dürfe, fragt sie höflich. Es ist der Oberbürgermeister, der sie ebenso höflich bittet, zu respektieren, dass das hier eine Mahnwache für die Terroropfer sei.

Am Dienstag hängt die von der Stadt flugs bestellte dritte Israel-Flagge wieder am Mast.