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Kommentar zur Corona-SituationDie Politik muss eine Perspektive aufzeigen

Lesezeit 3 Minuten
Lauterbach mit Scholz 020222

Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Gespräch. (Archivbild)

Dass andere Länder in Europa nun alle Maßnahmen fallen lassen, setzt Deutschland unter Zugzwang. Manch einer wird sich fragen, warum hierzulande weiterhin Kontaktbeschränkungen gelten, während nur wenige Hundert Kilometer weiter die Maskenpflicht fällt. Aber leider lässt sich die Corona-Situation in Deutschland nicht mit der in Dänemark, Frankreich oder Großbritannien vergleichen.

Dänemark etwa hat eine Boosterquote von 61 Prozent. Die Auffrischungsimpfung gilt als essenziell im Kampf gegen die Omikron-Variante. In Deutschland haben nur 53 Prozent den Booster erhalten. Großbritanniens Bevölkerung hat einen breiteren Grundschutz, da sich im vergangenen Jahr mehr Menschen mit dem Virus angesteckt haben. Wegen des lockeren Pandemiemanagements der Tory-Regierung sind auf der Insel aber auch viel mehr Menschen gestorben als in Deutschland. Und Frankreich weicht scharfe Maßnahmen wie das Maskentragen im Freien auf, die in Deutschland gerade gar nicht gelten und daher auch nicht gelockert werden können.

Gesellschaft steht nach wie vor unter Zwängen der Pandemie

Geimpfte haben hierzulande viele Freiheiten, trotzdem ist die Pandemie für immunisierte Menschen nicht vorbei. Viele schränken ihre Kontakte bei täglichen 200.000 Neuinfektionen freiwillig ein, sagen Geburtstagsfeiern ab und verschieben Auslandsurlaube aus Sorge vor plötzlichen Quarantäne-Verschärfungen. Die deutsche Gesellschaft steht nach wie vor unter den Zwängen der Pandemie.

Niemand will diese für viele unerträglich gewordene Situation unnötig verlängern, auch nicht die politische Führung dieses Landes. Das zeigt sich auch dadurch, dass beispielsweise Schleswig-Holstein nun die ersten Maßnahmen wieder lockert. Zugleich sind wir wegen der geringeren Impfquote noch immer in einer Phase der Pandemie, in der es nicht nur um die Freiheit des Einzelnen geht, sondern um den Gesundheitsschutz verletzlicher Gruppen und die Sicherung des Gesundheitssystems. Die Infektionszahlen werden zunächst noch weiter stiegen. Diese bittere Erkenntnis muss die Bundesregierung den Menschen deutlich und einmütig vor Augen führen - bevor sie ihnen Hoffnungen auf zu frühe Lockerungen macht.

Eine Perspektive, die über Ostern hinaus geht

Gleichwohl braucht die Gesellschaft schnellstmöglich eine Perspektive, die über Ostern hinaus geht. Es hilft nicht, wenn Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf die Rücknahme der Maßnahmen im März „hofft“. Nötig ist jetzt die Vorbereitung einer Exit-Strategie, die transparent für ganz Deutschland aufzeigt, unter welchen Bedingungen alle Freiheiten wieder zurückgegeben werden können. So lässt sich verhindern, dass der Corona-Frust in der Bevölkerung weiter zunimmt. Die politischen Entscheidungsträger von Bund und Ländern haben versprochen, einen solchen Plan auszuarbeiten. Dann müssen sie ihn auch spätestens bei ihrem nächsten Treffen in zwei Wochen vorlegen.

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Die Corona-Kommunikation verlief in den letzten Wochen - um es höflich auszudrücken - alles andere als optimal. Sogar der Expertenrat der Bundesregierung geht hart mit Bund und Ländern ins Gericht. Das jüngste Beispiel für das Chaos: die Impfpflicht für Gesundheitspersonal. Sechs Wochen vor Ablauf der Frist zum Nachweis einer Impfung ist noch immer unklar, ob die Impfpflicht überhaupt flächendeckend durchgesetzt werden kann.

Impfpflicht ohne Kontrolle wirkungslos

Es liegt in der Verantwortung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass die Impfpflicht kein zahnloser Tiger bleibt. Ohne Kontrolle ist sie wirkungslos. Das wäre ein schlechtes Omen für die allgemeine Impfpflicht, die die Ampelfraktionen anstreben. Feststeht: Mit einer höheren Impfquote wäre Deutschland besser für weitere Wellen gewappnet - und die Freiheit wäre wieder in greifbarer Nähe.