- VW-Chef Herbert Diess fordert ein Konjunkturprogramm – allerdings nur für die Autoindustrie.
- Mit dem Ruf nach staatlicher Unterstützung ist der Volkswagen-Chef nicht allein.
- Doch was stützt die Wirtschaft? Ein Überblick über die populärsten Ideen.
Berlin – Der VW-Chef meint es ernst. „Wir brauchen dringend ein Konjunkturprogramm für die Autoindustrie“, sagte Herbert Diess am Montagabend im Interview mit den „Tagesthemen“. Deutschland sei ein Autoland. Und entsprechende Unterstützung sei „die wahrscheinlich beste Möglichkeit die Wirtschaft hierzulande anzukurbeln“, so Diess. Handel, Hersteller und Zulieferer würden davon profitieren. Auch wenn andere Branchen wie die Gastronomie von Corona stärker betroffen seien: „Das Auto hat den größeren Effekt“, sagte der Volkswagen-Boss.
Dass Diess für seine Branche staatliche Unterstützung verlangt, ist nicht weiter verwunderlich. Spitzenpolitiker wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und CSU-Chef Markus Söder denken schon längst laut darüber nach, wie Deutschlands Schlüsselindustrie in der Krise gestützt werden kann. Milliarden-Beiträge könnten fließen, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu erhalten. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Autobranche. Die Corona-Krise schlägt mit voller Wucht auf den Wirtschaftsstandort Deutschland durch. In diesem Quartal könnte das Bruttoinlandsprodukt um 12,2 Prozent einbrechen. Die Ökonomen des Ifo-Instituts haben 8800 Unternehmen aus verschiedenen Branchen im April befragt - und daraus die Prognose abgeleitet.
Nach der Kurzarbeit: Droht die Entlassungswelle?
Noch setzen viele Unternehmen auf Kurzarbeit. Doch es droht ein Stellenabbau. „Die Personalabteilungen der deutschen Unternehmen bereiten sich auf Entlassungen vor“, so die Münchner Forscher. Ihre Annahme: „Die Arbeitslosigkeit in Deutschland wird weiter steigen”.
Für die Politik sind das beunruhigende Nachrichten. Jahrelang florierte die Wirtschaft, die Staatseinnahmen stiegen und die Geißel Arbeitslosigkeit schien besiegt – bis Corona kam. Dem Staat fällt dadurch eine neue Rolle zu. Nicht mehr nur als Schiedsrichter, der den fairen Wettbewerb garantiert. Sondern als entscheidende Stütze, um den Totalabsturz der Wirtschaft zu verhindern. Mit einem angebots- und nachfrageseitigem Schock schlägt das Corona-Virus gleich doppelt zu. Eine tückische Kombination, die auch in den Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre nicht häufig vorkommt.
Konjunkturprogramm: Milliarden gegen den Absturz
In der Koalition in Berlin herrscht Einigkeit darüber, mit allen verfügbaren Mitteln gegenzusteuern. Die Frage ist nur: wie? Immer häufiger taucht das Wort „Konjunkturprogramm” auf. Wenn die akute Phase der Pandemie vorbei sei, „macht ein Konjunkturpaket Sinn, um die Wirtschaft anzukurbeln”, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Scholz schwebt ein Programm vor, dass sich an ökologischen Zielen orientiert. Eine finanzielle Größenordnung nannte der Vizekanzler allerdings nicht. Unterstützung für die Idee staatlicher Hilfen kommt aus der Wissenschaft: Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält eine Kombination aus Steuersenkungen und Erleichterungen bei den Sozialbeiträgen für Unternehmen für naheliegend. Öffentliche Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz könnten außerdem die Nachfrage ankurbeln. „In der zweiten Phase der Krisenbewältigung müssen wir uns darum kümmern, dass die Wirtschaft wieder ins Laufen kommt. Dafür braucht es auch ein großes Konjunkturprogramm”, sagte Fratzscher gegenüber t-online.de.
Absenkung der Mehrwertsteuer: Hilft schnell, ist teuer
Ein Vorschlag, der ebenfalls immer wieder auftaucht, ist die Absenkung der Mehrwertsteuer. Vergangene Woche einigte sich der Koalitionsausschuss bereits auf eine befristete Reduktion für die Gastronomie von 19 auf 7 Prozent. Insbesondere die CSU hatte hier Druck gemacht. Die Branche wird so laut FAZ um vier Milliarden Euro entlastet. Allerdings stellt sich die Frage, wie zielführend eine einzelne branchenspezifische Maßnahme ist.
DIW-Chef Fratzscher schlägt zwar ebenfalls eine zeitliche Absenkung der Umsatzsteuer vor – allerdings für alle. „Im Ergebnis würde das dazu führen, dass größere Anschaffungen vorgezogen werden”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Der Vorteil der Mehrwertsteuer ist, dass eine Senkung schnell wirkt und insbesondere Geringverdiener und Familien zielgenau entlastet werden könnten. Nur: Die Maßnahme ist teuer. Eine Absenkung um einen Prozentpunkt kostet den Staat rund 11 Milliarden Euro.
Zoff um den Soli: Ein Steuergeschenk für Reiche?
Ginge es nach der Union und vielen Ökonomen wäre eine andere Maßnahme aber zunächst das Mittel der Wahl: der Solidaritätszuschlag. Ab 2021 soll der Soli für 90 Prozent der Steuerzahler entfallen. In der Corona-Krise hat die SPD angeregt, die Teilabschaffung bereits auf den 1. Juli diesen Jahres vorzuziehen. Allerdings sperrt sich die Union. Sie fordert, die Ergänzungsabgabe auch für Vielverdiener abzuschaffen. „Steuersenkungen statt Erhöhungen sind das richtige Konzept in der Krise”, teilte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit.
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Ein Vorziehen der Soli-Teilabschaffung könnte trotzdem psychologische Wirkung haben: Sofort würde sich das verfügbare Einkommen weiter Teile der Bevölkerung erhöhen – und damit für den Konsum zur Verfügung stehen. Allerdings trifft der Soli nicht nur Arbeitnehmer, auch Unternehmen zahlen ihn. Union und FDP fordern daher eine komplette Abschaffung, die SPD lehnt das als „Steuergeschenk für Reiche” ab. Die Einnahmeausfälle durch die Teilabschaffung belaufen sich laut Bundesfinanzministerium im ersten Jahr auf 11 Milliarden Euro.
Grüne schlagen „Kauf-vor-Ort-Gutschein” vor
Ökonomen werben für Steuerstundungen, Grüne schlagen Einkaufsgutscheine vorEbenfalls die Unternehmen im Blick hat das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Ökonomen dort schlagen eine Art Steuerstundung vor. Der Betrag für zeitlich vorgezogene Abschreibungen könnte erhöht werden – und so die Steuerlast des laufenden Jahres reduzieren. Einen anderen Weg gehen die Grünen. Um die Folgen der Krise für den Einzelhandel abzufedern, wollen sie jedem Bürger einen „Kauf-vor-Ort-Gutschein” im Wert von 250 Euro aushändigen.
Dieser könnte „nur im stationären Handel, für stationäre Dienstleistungen oder in der Gastronomie” eingelöst werden, Online-Shops sind ausgenommen. Die Grünen zielen somit auf die Binnenkonjunktur und dabei vor allem auf die Geschäfte, die vom Shutdown besonders betroffen waren. Laut Handelsverband steht jedes sechste Einzelhandelsgeschäft hierzulande vor dem Aus.
Ifo-Institut: Wirtschaft soll sich erst Ende 2021 erholt haben
Egal, wie die Politik am Ende gegensteuert: Es wird lange dauern, bis sich die Wirtschaft von den Folgen der Corona-Krise wieder berappelt hat. Das Ifo-Institut geht davon aus, dass erst am Ende nächsten Jahres wieder das Vor-Krisen-Niveau erreicht ist. Voraussetzung dafür allerdings ist, dass die Pandemie in den kommenden Monaten eingedämmt und eine zweite Infektionswelle vermieden wird. Eine Gleichung mit vielen Unbekannten.
VW-Chef Herbert Diess, der sich von der Politik zwar Unterstützung für die Autobranche wünscht, vermeldete gegenüber den „Tagesthemen” immerhin auch schon wieder einige positive Botschaften. Die Produktion bei Volkswagen solle in den nächsten Wochen hochgefahren werden. Und der Wolfsburger Autobauer werde versuchen, die Krise ohne Staatshilfe zu überbrücken. „Wir kommen zunächst ohne Staatshilfe aus”, sagte Diess. Zunächst. Eine Hintertür hält sich auch der mächtige VW-Boss noch offen. (rnd)