Schon als die entscheidenden Informationen über Taleb A. überall zu finden waren, bog sich Musk seine Realität wieder zurecht.
EinmischungScholz beleidigt, AfD verharmlost – Wie der Anschlag in Magdeburg Elon Musk entlarvt
Nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Sachsen-Anhalt war man sich in rechtspopulistischen Kreisen international sehr schnell sehr sicher: Hierbei kann es sich nur um islamistischen Terror handeln – schließlich ist der Täter Saudi und heißt Taleb A.
Zu diesen Kreisen zählt mittlerweile auch Elon Musk. Olaf Scholz sei ein „inkompetenter Narr“, der zurücktreten müsse, schrieb der Tech-Milliardär angesichts des Anschlags in Magdeburg. Offenbar ebenfalls in der Annahme, es handele sich um islamistischen Terror, zu einem Zeitpunkt, als es nur spärliche Informationen gab. Mehr als das braucht es für rechte Influencer, Populisten und Politiker oftmals nicht, um ihre rassistischen Fehlschlüsse hinauszuraunen. So auch dieses Mal.
Taleb A. ist offenbar Anhänger der AfD – und von Elon Musk
Nur wenige Stunden später war klar: Taleb A. ist, darauf deuten seine zahlreichen Äußerungen hin, wohl kein Islamist, sondern ein radikaler Islam-Gegner, der Deutschland als Unterstützer des Islamismus betrachtet. Ausgerechnet bei Musks Plattform X verbreitete der Saudi, der als Arzt arbeitete, seine krude Weltsicht. Der Attentäter machte Deutschland scharfe Vorwürfe – und zeigte sich eindeutig als Anhänger von AfD und Elon Musk.
Alles zum Thema Elon Musk
- „Unfähiger Narr“ Musk beleidigt Scholz nach Angriff in Magdeburg und fordert Rücktritt
- Reaktionen auf Magdeburg Oberbürgermeisterin unter Tränen – Wüst nennt Angriff „Anschlag auf die Freiheit“
- Trump und Musk Deutschland wird einen hohen Preis zahlen
- „Nur die AfD kann Deutschland retten“ Elon Musk stimmt rechter Influencerin zu und gibt Wahlempfehlung
- Haushaltsstreit in den USA Trump und Musk stiften Chaos – Regierungs-„Shutdown“ droht
- Brandbrief wegen Tech-Milliardär US-Senatorin hält Musk für Trumps „inoffiziellen Co-Präsident“
- Bedrohliche Lage in der Ukraine Russen stehen vor Pokrowsk – Zivilisten kämpfen ums Überleben
Die Bundesrepublik werde islamisiert, so die These von Taleb A., der nach eigenen Angaben in einem früheren Interview an verbreitete Verschwörungstheorien wie den „Great Reset“, einen angeblich heimlich geplanten Bevölkerungsaustausch, glaubt. Kurz nach seiner Todesfahrt über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg veröffentlichte Taleb A. mehrere Statements bei X – und zitierte dabei wiederum eine Wortmeldung von Musk.
Elon Musk mischt nun auch in Deutschland mit
Der Tech-Milliardär, der in Donald Trumps Regierung mitwirken soll, reagierte dort auf eine „Guardian“-Kolumne, in der seine Festnahme gefordert und ihm vorgeworfen wird, dass er die Krawalle in England im Spätsommer auf X befeuert habe. Nun, so macht es den Anschein, mischt Musk auch in Deutschland mit – diesmal ging das Spiel des reichsten Mannes der Erde aber nicht auf. Dass Taleb A. ein Fan von ihm und der AfD ist, wurde für Musk zur entlarvenden Wende.
Schon vor seiner Scholz-Beleidigung hatte Musk schließlich am Freitag für Schlagzeilen in Deutschland gesorgt. „Nur die AfD kann Deutschland noch retten“, verkündete der Tesla- und SpaceX-Chef wenige Stunden vor dem tödlichen Angriff in Magdeburg. In Deutschland folgte darauf ein mitunter würdeloses Schauspiel der Anbiederung.
Was „mehr Musk wagen“ bedeutet
Von Christian Lindner (FDP) bis Alice Weidel (AfD) wandten sich zahlreiche Politiker in aufmerksamkeitsheischenden, Kotau ähnlichen Wortmeldungen bei X auf Englisch an den Tech-Milliardär, um ihn wahlweise davon zu überzeugen, dass ihre Partei besser als die AfD oder die AfD doch die richtige Wahl sei. Lindner hatte ohnehin kürzlich empfohlen, Deutschland müsse „mehr Musk“ wagen. Was das bedeutet, wurde am Freitag offenkundig: Hetze, Lügen, Populismus.
Überraschend kommt das nicht: Musk grinste in den letzten Wochen bereits mit der Postfaschistin Giorgia Meloni aus Italien um die Wette und traf sich zuletzt mit dem britischen Rechtspopulisten Nigel Farage. Eine großzügige Spende für dessen Partei Reform UK steht im Raum.
Wer mehr Musk wagt, bekommt neben mehr Hetze aber auch weniger Realität. Die wird durch digital konstruierte vermeintliche Wirklichkeiten ersetzt, die ein schwerreicher Narzisst nach seinem Gutdünken steuern kann. Denn was wahr ist, wird egal, wenn man darüber entscheidet, was wahrgenommen wird. „Offensichtlich nicht ‚rechtsextrem‘“, sei Alice Weidel. Sie mache „einfach nur vernünftige Politik“, schrieb der Milliardär also nach dem Attentat, bevor sich herausstellte, dass ein AfD-Anhänger und Musk-Fan das Auto in die Menge gesteuert hat.
Elon Musk und seine Plattform: „Wow, das ist verrückt!“
Schon als die entscheidenden Informationen über Taleb A. bereits überall zu finden waren, bog der Milliardär sich seine Realität – und damit auch die vieler seiner Anhänger – wieder zurecht. „Wow, das ist verrückt. Wer auch immer abgelehnt hat, einen Mörder auszuliefern, hat eine harte Bestrafung verdient“, verkündete er über einem Beitrag, der erklärt, dass Taleb A. ein aus Saudi-Arabien nach Deutschland geflüchteter „Betrüger“ sei, der trotz eines Gesuchs aus Riad nicht ausgeliefert worden sei.
Dass Taleb A. wohl kein Islamist war, blieb ebenso unerwähnt wie die Begeisterung des Attentäters für Musk und die von ihm just beworbene AfD. Kein Wunder, denn sonst hätten vielleicht sogar seine treuen Anhänger gemerkt, dass es schließlich gar nicht Kanzler Scholz war, der am Ende des Tages wie ein „inkompetenter Narr“ aussah.