Entpuppt sich die angekündigte Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter durch Elon Musk als Rückschlag im Kampf gegen Hass und Hetze im Netz? Digitalpolitiker und Netzaktivisten fürchten, dass mit dem exzentrischen US-Milliardär, der Twitter von der Börse nehmen und zu einer „weltweiten Plattorm für Meinungsfreiheit“ umbauen will, der Bock zum Gärtner gemacht werden könnte.
„Die Übernahme einer globalen Kommunikationsplattform durch einen einzelnen Milliardär ist aus verschiedenen Gründen hochgefährlich“, warnt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Partei „Die Linke“ im Deutschen Bundestag. Das Beispiel Russland zeige, wie stark einseitige Kontrolle über Kommunikationskanäle Meinungen und Wahrnehmungen von Realität verändern könne, sagte Domscheit-Berg dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Da Elon Musk aus seiner eigenen Nähe zu Verschwörungserzählungen und rechten Kreisen keinen Hehl gemacht hat, ist da wenig Gutes zu erwarten“, fügte sie hinzu.
Abbau der Schranken für Desinformation
Unter Meinungsfreiheit scheine Musk vor allem den Abbau der Schranken mehr für Desinformationen oder Digitale Gewalt zu verstehen, so Domscheit-Berg weiter. „Wer sich gerade am meisten darüber freut, lässt ahnen, wohin sich Twitter dadurch entwickeln könnte“, sagte die Linken-Politikerin mit Blick auf die Begeisterung, die die Ankündigung des Deals unter Anhängern und Politkern der AfD und anderer rechter Parteien ausgelöst hatte.
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Der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, äußerte sich ebenfalls besorgt. „Elon Musk wirbt für seine Twitter Übernahme mit mehr Meinungsfreiheit. Dabei sorgt die Machtkonzentration bei einer Person genau dafür nicht“, sagte er dem RND. „Es besteht die große Gefahr, dass Musk die Plattform für seine persönlichen politischen Zwecke und Ambitionen missbrauchen könnte“, so der Bundestagsabgeordnete.
Noch sei allerdings offen, was die Übernahme von Twitter bedeute und was Musk mit der Plattform vorhabe, schränkte Zimmermann ein. „Wir werden sehr aufmerksam beobachten, wie sich die Kommunikationsplattform verändert und ob sich das Unternehmen auch weiterhin an die europäischen Vorgaben, die derzeit mit dem Digital Service Act derzeit verschärft werden, einhält und entsprechend strafrechtlich relevante Inhalte entfernt“, kündigte der Abgeordnete an.
„Meinungsfreiheit endet an den Grenzen des Gesetzes”
Auch der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, plädierte dafür, die nächste Schritte Musks abzuwarten. „Meinungsfreiheit ist ein wichtiges und schützenswertes Gut - erst recht im Internet und auf Plattformen wie Twitter“, betonte der Liberale. „Diese endet an den Grenzen des Gesetzes und es wird auch weiterhin eine wichtige Aufgabe sein, Hass und Hetze im Zaum zu halten und für eine angemessene Netiquette zu sorgen.“
Musk hatte sich in der Vergangenheit kritische gegen Versuche von Twitter geäußert, Hass und Aufrufe zur Gewalt von der Plattform zu verbannen. So hatte er etwa nach dem Kapitolsturm im Januar 2021 den Ausschluss des damalige US-Präsidenten Donald Trump wegen des „Risikos weiterer Gewaltanstiftung“ scharf kritisiert und Twitter vorgeworfen, als „Richter“ über die Meinungsfreiheit zu agieren.
Trump plant keine Rückkehr zu Twitter
Wie er mit den gesperrten Twitter-Konten Trumps und anderer Vertreter der politischen Rechten in den USA umzugehen gedenkt, hat Musk allerdings noch nicht angekündigt. Trump ließ am Dienstag wissen, er plane keine Rückkehr zu Twitter.
Domscheit-Berg nahm die geplante Übernahme zum Anlass, um ihre Forderung nach einem öffentlichen sozialen Netzwerk zu erneuern. „Dieser Vorgang zeigt deutlich, warum wir endlich soziale Netze auch als soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft betrachten müssen, die zur Daseinsvorsorge gehören sollten und öffentlich finanziert, ohne jegliche kommerzielle Interessen, allen gleichermaßen zur Verfügung stehen sollten“, sagte sie.
Nötig sei ein europäisches, gemeinwohlorientiertes soziales Netz, mit offener Software und transparenten Algorithmen und mit Regeln, die die Nutzerinnen und Nutzer selbst festlegen könnten. Ein solchen Soziales Netz müsse ohne Werbung und staatliche Kontrolle auskommen, brauche aber eine sichere öffentliche Finanzierung, so Domscheit-Berg. „Es wird höchste Zeit, eine solche Alternative zu schaffen.“