Die NRAWarum ist die Waffenlobby in den USA so mächtig?
Washington – Wieder ein Amoklauf in den USA, wieder die Frage nach dem Warum. Am Dienstag starben im US-Bundestaat Texas 21 Menschen bei einer Massaker in einer Grundschule, darunter 19 Kinder. Insgesamt starben im Jahr 2021 über 19.000 Menschen in den USA durch Schusswaffen, darunter mehr als 5.600 Minderjährige.Trotzdem scheint die US-Waffenlobby ihre Interessen seit Jahrzehnten in den obersten Riegen der US-Politik ungestört einbringen zu können. Doch warum ist die National Rifle Association (NRA) so mächtig?
Was ist die NRA?
Die National Rifle Association wurde 1871 von zwei Bürgerkriegsveteranen ins Leben gerufen, um das „Gewehrschießen auf wissenschaftlicher Grundlage zu fördern und ermutigen“. In den vergangenen 150 Jahren baute die Organisation ihre Lobbying-Tätigkeiten immer weiter aus.
Die NRA gehört heute zu den mächtigsten Interessengruppen in den USA und verfügt über ein beträchtliches Budget, um Mitglieder des Kongresses in der Waffenpolitik zu beeinflussen. Die Vereinigung wird von dem NRA-Präsident Wayne LaPierre geleitet. Nach eigenen Angaben umfasst die Organisation über fünf Millionen Mitglieder – Experten rechnen mit knapp drei Millionen. Eine Mitgliedschaft kostet knapp 45 Dollar pro Jahr.
Die Aufgaben der Waffenlobby verankert die NRA tief im amerikanischen Patriotismus: „Jeden Tag wehrt sich die NRA gegen Politiker, Richter und Bürokraten, die Ihre Freiheit des zweiten Verfassungszusatzes regulieren, einschränken und letztendlich zerstören wollen.“ Vor etwa vier Jahren hätten Anti-Waffen-Lobbyisten und Politiker einen „Krieg gegen die zweite Verfassungsänderung“ begonnen, den die NRA zurückgeschlagen habe. Offenbar erfolgreich.
Der zweite Verfassungsgrundsatz erlaubt es US-Amerikanern grundsätzlich, Waffen zu tragen – ohne Kontrolle des Staates. Regional und lokal unterscheiden sich die Waffengesetze zwar, allerdings werden die Einschränkungen generell als locker eingeschätzt. Mit dem 18 Lebensjahr ist es beispielsweise grundsätzlich erlaubt, Schrotflinten und Gewehre zu kaufen. Weitreichende Beschränkungen wurden vom Supreme Court zuletzt 2008 einkassiert. Das Waffenrecht wurde zum Grundrecht.
Im Jahr 2020 soll die Organisation nach einem Bericht der „BBC“ knapp 250 Millionen US-Dollar (233 Millionen Euro) ausgegeben haben, knapp 3 Millionen Dollar seien offiziell in die Gesetzgebungsprozesse gelaufen. Allerdings fließen laut BBC weitere Summen in ein Komitee der NRA, das Gelder für Gesetzgeber verwaltet. Diese Mittel seien schwieriger zu verfolgen.
Welchen Einfluss hat die NRA auf die US-Bevölkerung?
Analysten weisen darauf hin, dass die NRA über ihre politisch engagierten Mitglieder auch erheblichen indirekten Einfluss ausübt. Viele Menschen würden bei Wahlen nur wegen der Waffenpolitik ihre Stimme entsprechend abgeben, so ein Bericht der „BBC“. Die NRA listet die Mitglieder des US-Kongresses öffentlich auf einer Schulnotenskala von A bis F, aufgrund ihrer wahrgenommenen Freundlichkeit gegenüber Waffenrechten.
So können Wähler in ihrem spezifischen Wahldistrikt die „NRA befürworteten“ Politiker einsehen. Mit einem Klick lässt sich bereits eine vorausgefüllte „persönliche Stimmkarte“ generieren, die Wähler mit zur Wahlurne nehmen können, um sicherzugehen „dass sie keinen einzigen Kandidaten vergessen, der den zweiten Verfassungszusatz unterstützt.“
„Diese Bewertungen können sich ernsthaft auf die Umfragewerte auswirken und sogar Kandidaten für die Waffenkontrolle einen Sitz kosten“, schlussfolgert der Bericht unter Berufung auf Analysten. Viele US-Amerikaner gelten trotz der Tausenden Todesopfer als Waffenfans. Etwa die Hälfte der Bürger besitzt laut Umfragen eine Schusswaffe – einige sogar mehrere. Im Jahr 2019 galten die USA als das einzige Land, in dem die Zahl der Schusswaffen in Privatbesitz die der Einwohner übersteigt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die mächtige NRA fußt damit seit Jahrzehnten auf Millionen Amerikaner, die ein Waffenrecht trotz der Todeszahlen verteidigen, und Politiker, die dadurch immer wieder entscheidende Wahlen für sich entscheiden können. Noch an diesem Freitag wird der frühere US-Präsident Donald Trump ein Forum auf der Jahrestagung der NRA in Houston leiten – etwa vier Autostunden von dem Ort entfernt, an dem ein 18 Jähriger einer Grundschule 19 Kinder tötete.