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Statistik zu CoronaDrosten: Deutschland hat „erste Welle am besten kontrolliert“

Lesezeit 5 Minuten
Christian Drosten IMAGO

Christian Drosten, Virologe der Berliner Charité

Berlin – Sind in Deutschland während der Corona-Pandemie mehr Menschen gestorben als in den Jahren zuvor? Über eine solche Übersterblichkeit wurde in den vergangenen Monaten immer wieder diskutiert. Nun hat sich Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, zu diesem Thema geäußert – und auf Zahlen von EuroMOMO verwiesen.

Es handelt sich dabei um ein europäisches Monitoring zu übermäßigen Todesfällen im Zusammenhang mit saisonaler Grippe, Pandemien und anderen Bedrohungen. Die dort gesammelten Daten zeigen: „Bei den großen europ. Ländern ist Deutschland das einzige, dessen Übersterblichkeit sich von 2020 zu 21 nicht verringerte“, schrieb Drosten auf Twitter. „Und das Land, das die erste Welle am besten kontrolliert hat.“

Maßnahmen werden infrage gestellt, Impfungen lassen nach

Tatsächlich ist die bei EuroMOMO dargestellte Kurve zur Übersterblichkeit in Deutschland für den Zeitraum von 2020 bis 2021 im Vergleich zu Ländern wie Frankreich und Spanien verhältnismäßig flach. Es sind also zu Beginn der Pandemie offenbar nicht mehr Menschen verstorben als sonst, was auf eine gute Kontrolle des Virus hindeutet. „In vielen anderen Ländern wurde die Gefahr der ersten Welle nicht voll erkannt“, machte Drosten deutlich.

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Im Herbst 2020 änderte sich nach Einschätzung des Virologen aber die Lage in Deutschland. Es kam immer mehr Kritik an den Maßnahmen auf, die Corona-Politik erlitt einen Vertrauensverlust. Ein Zustand, der bis heute andauert. „Die zunehmenden Kontroversen in der Öffentlichkeit führten nach meiner Meinung auch dazu, dass zum Herbst 2021 die Impfquote in D (Deutschland, Anm. d. Red.) schlechter als in den anderen Ländern war.“

In Deutschland sind bis heute mindestens 63,1 Millionen Menschen (75,9 Prozent) vollständig gegen Covid-19 geimpft. Eine oder zwei Auffrischungsimpfungen haben mindestens 49,7 Millionen (59,8 Prozent) erhalten, wie aus den Daten des offiziellen Impfdashboards des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Damit liegt Deutschland abgeschlagen hinter anderen europäischen Ländern wie Portugal (87 Prozent vollständige Impfungen), Italien (79 Prozent vollständige Impfungen) und Frankreich (78 Prozent vollständige Impfungen).

Weitere Corona-Todesfälle zu erwarten

Die Corona-Impfungen haben den Vorteil, dass sie nachgewiesenermaßen effektiv vor schwerem Covid-19 und Tod schützen. Das führt dazu, dass Geimpfte seltener versterben als Ungeimpfte. Eine hohe Impfquote in der Bevölkerung sorgt also auch für eine geringere Übersterblichkeit. Sämtliche Todesfälle werden die Impfungen jedoch nicht verhindern, da sie keinen hundertprozentigen Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod bieten und diese Wirkung zudem mit der Zeit langsam nachlässt.

Es wird in Zukunft also weitere Corona-Todesfälle in Deutschland geben. Wie viele es werden, hängt nicht nur von der Impfquote ab, sondern auch von zirkulierenden Virusvarianten. Zurzeit dominiert mit Omikron eine Corona-Version, die seltener schwere Verläufe verursacht – ergo kommt es auch zu weniger Todesfällen. Sollte sich jedoch eine gefährlichere Virusvariante durchsetzen, könnte sich das Blatt wenden. Das Problem ist: Wie sich das Coronavirus weiter entwickelt, können Forschende nicht voraussagen.

„An“ oder „mit“ Corona verstorben?

Bis jetzt hat der Erreger bereits etliche Menschenleben gekostet. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität sind es 6.306.428 Millionen Menschen weltweit, die im Zusammenhang mit einer Sars-CoV-2-Infektion verstorben sind (Stand: 10. Juni, 10.30 Uhr). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt wiederum 6.302.982 Corona-Tote, die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC hat 6.318.391 Verstorbene verzeichnet. Doch welche Zahl ist nun die richtige?

Wie viele Todesopfer die Pandemie bisher insgesamt gefordert hat, lässt sich aus den offiziellen Statistiken nicht genau ablesen. Das liegt an der Datenerfassung. In vielen Ländern sind die Daten zu Corona-Todesfällen unvollständig, andere unterscheiden wiederum nicht, ob Covid-19 die tatsächliche Todesursache oder nur eine Begleiterkrankung gewesen ist. Letzteres trifft auch auf Deutschland zu. Teil der Statistiken des Robert Koch-Instituts (RKI) sind sowohl „an“ als auch „mit“ Corona Verstorbene.

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Ein Bericht des deutschen Covid-19-Autopsieregisters kam Mitte Februar zu dem Ergebnis, dass das Virus bei der überwiegenden Mehrzahl der Toten in Deutschland die direkte Todesursache gewesen ist. Es sind also mehr Menschen „an“ Corona gestorben als „mit“. Die Pathologinnen und Pathologen hatten rund 19.000 Bioproben von 1129 Menschen untersucht, die zwischen Anfang März 2020 und Ende September 2021 gestorben waren.

Ländervergleich bei Sterbezahlen nicht möglich

Die unterschiedliche, teils lückenhafte Datenerfassung macht es schwierig, zu vergleichen, welches Land die beste Strategie bei der Pandemiebekämpfung gewählt hat. Ebenso ist ein Vergleich der Übersterblichkeit nicht möglich. Auch hierzu weisen Behörden und Statistiken unterschiedliche Werte aus – was auch der Methodik geschuldet ist.

Um zu überprüfen, ob mehr Menschen verstorben sind als sonst, muss man abschätzen, wie viele Verstorbene es in einem ganz normalen Jahr – ohne Virus und Lockdowns – gegeben hätte. Je nachdem von welchem Wert man dabei ausgeht, können unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Das Statistische Bundesamt hatte zuletzt beispielsweise eine deutliche Übersterblichkeit für den Zeitraum von März 2020 bis Februar 2021 ermittelt. Demnach seien fast 71.000 Menschen (7,5 Prozent) mehr gestorben als in den zwölf Monaten zuvor, wie die Behörde mitteilte.

WHO veröffentlicht fehlerhafte Analyse zur Übersterblichkeit

Eine Analyse der WHO kam vor Kurzem auf einen anderen Wert: Rund 195.000 Todesfälle mehr als erwartet soll es in den Jahren 2020 und 2021 in Deutschland gegeben haben. Wie sich später herausstellte, war dieses Ergebnis falsch. Die Organisation hatte die ohne Pandemie zu erwartenden Todeszahlen unterschätzt.

In einer neuen Version ist nun von 122.000 zusätzlichen Toten die Rede. „Die Übersterblichkeit in Deutschland betrüge demnach für die beiden Pandemiejahre 2020 und 2021 im Mittel 73 pro 100.000 Einwohner, in Schweden wären es 66″, sagte Jonathan Wakefield, Mitglied der technischen Beratungsgruppe der WHO Covid-19 Mortalitätsbewertungsgruppe, vor wenigen Wochen dem Deutschen Ärzteblatt.