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Kommentar zur US-WahlTrump bricht mit der amerikanischen Demokratie

Lesezeit 3 Minuten
Trump Rede Election Night

Trump hält in der Wahlnacht eine Rede.

  1. Die Auszählung der Stimmen in den USA dauert noch an. Doch Donald Trump drückt in seiner Rede aufs Tempo.
  2. Er erklärt sich zum Sieger und kündigt an, er werde den Obersten Gerichtshof auffordern, weitere Auszählungen zu stoppen.
  3. Damit handelt er ganz und gar unamerikanisch.

Viele Europäer hatten sich für Mittwochmorgen den Wecker etwas früher gestellt. Sie hofften auf Klarheit aus den USA. Doch die Amerikaner konnten nicht liefern. Für einen Erdrutschsieg Joe Bidens hatte es nicht gereicht. Dazu hätte er Florida gewinnen müssen – wo aber erneut Donald Trump siegte. Weitere Swing States wie Pennsylvania schienen diesmal mathematisch kaum zu fassen zu sein. Denn erstens macht der pandemiebedingt sehr hohe Briefwähleranteil die Auszählung komplizierter denn je. Zweitens kann jeder einzelne Staat in den USA das Wahlrecht regeln, wie er will. Dies alles verlängert die Abläufe – und erfordert Geduld.

Statt aber abzuwarten, leistete sich Trump einen Bruch mit dem Demokratieprinzip: Während in vielen Bundesstaaten die Auszählung der Stimmen noch andauerte, erklärte Trump sich zum Sieger und kündigte an, er werde den Obersten Gerichtshof auffordern, weitere Auszählungen zu stoppen.

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Hintergrund dieser historisch beispiellosen Intervention ist offenbar Trumps Sorge, die in einigen Staaten erst zuletzt ausgezählten Briefwahlzettel könnten hier oder da die Waage wieder zugunsten von Joe Biden ausschlagen lassen. Ein Beispiel dafür hatte Virginia geboten, das am Wahlabend anfangs zu Trump zu neigen schien, am Ende aber unter Einfluss der zuletzt ausgezählten Briefwahlen in Richtung Demokraten kippte.

Trumps Anschuldigung: „Sie versuchen, die Wahl zu stehlen“

Das Wahlrecht liegt in den Händen der Bundesstaaten. Einige, darunter auch Pennsylvania, wollen mit Rücksicht auf die Pandemie auch Post abwarten, die verspätet eintrifft – wenn sie den Stempel vom Wahltag 3. November trägt. Trump hatte in den letzten Tagen immer wieder betont, er wünsche sich ein klares Ergebnis noch am 3. November – alles andere sei hoch problematisch. Über die Demokraten schrieb er auf Twitter: „Sie versuchen, die Wahl zu stehlen. Das werden wir nicht zulassen. Stimmen können nicht mehr abgegeben werden, nachdem die Wahllokale geschlossen sind.”

Mit dem Vorwurf, die andere Seite wolle die Wahlen „stehlen”, fing Trump verfassungspolitisch ein Spiel mit dem Feuer an. Nachdem er in der vorigen Woche auch bereits vor Gewalt in den Straßen im Zusammenhang mit der Wahl gewarnt hatte, könnten jetzt die schlimmsten Visionen einer heillosen Konfrontation in den USA wahr werden.

Dabei sind die rechtlichen Regelungen trotz vieler Uneinheitlichkeiten eigentlich klar. Dass in den USA ein Wahlergebnis am Tag der Wahl vorliegen müsse, steht in Wahrheit nirgends geschrieben. Im Gegenteil. Man stößt auf jahrhundertealte Festlegungen einer gewollten Langsamkeit. Bei den oft belächelten Vorschriften des amerikanischen Wahlrechts ging es nie um Geschwindigkeit, immer aber um Glaubwürdigkeit, Integrität und Unanfechtbarkeit.

Warum wohl soll das 538-köpfige Wahlleutegremium den Präsidenten immer erst „am zweiten Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember” wählen – in diesem Jahr also am 14. Dezember –, wo doch die Präsidentschaftswahl Anfang November durch die Menschen in den Bundesstaaten dann schon sechs Wochen her ist?

Diese Regeln haben ihren Sinn, sie sollten Land und Leute auch jetzt durchatmen lassen. Hektik ist in diesem Prozess ausdrücklich nicht erwünscht. Wer wie Trump aufs Tempo drückt, den Prozess sogar abwürgt, handelt ganz und gar unamerikanisch.