Der Frost wird jede Nacht stärker, die Angst zu erfrieren wächst mit jedem neuen Angriff. Russland bombt die Ukraine in die Eiszeit und die Sorgen vor einem „Cholodomor“, einem Genozid durch gezielt herbeigeführten Kältetod, nehmen in der ukrainischen Bevölkerung zu. Noch siegt der Widerstandswille.
Putins StrategieVölkermord durch gezieltes Erfrieren
„Lasst uns nicht in Panik verfallen, lasst uns zusammenhalten“, sagte der Bürgermeister der ukrainischen Hafenstadt Odessa, Hennadij Truchanow, in einer Mitteilung an die Einwohner.
1,5 Millionen Menschen in und um Odessa ohne Strom
Eine neue Angriffswelle mit iranischen Kampfdrohnen hatte am Wochenende die Energieinfrastruktur von Odessa weitgehend zerstört. 1,5 Millionen Menschen in Odessa und dem Umland waren ohne Strom und Heizung, noch immer sind Hunderttausende vom Stromnetz abgeschnitten.
Mehr als die Hälfte der Haushalte in der Ukraine sind an dem weit verzweigten Fernwärmenetz angeschlossen. Wird eine Leitung bei Angriffen zerstört, bleiben Hunderte Heizungen kalt. Der örtliche Energieversorger und die Wasserwerke arbeiten mit Hochdruck daran, die Strom- und Wasserversorgung zu reparieren.
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„Die Situation bleibt schwierig“, so Truchanow am Montag. Er versucht die Moral in seiner Bevölkerung hochzuhalten, überall in der Stadt gibt es „Orte der Unbesiegbarkeit“, an denen sich die Menschen aufwärmen, das Handy aufladen und eine Tasse heißen Kaffee oder Tee trinken können.
Russland bombt die Ukraine in die Eiszeit.
Für die perfide Strategie Putins gibt es in der Ukraine inzwischen ein neues Wort: „Cholodomor“, was übersetzt „Tod durch Erfrieren“ bedeutet. Andrij Jermak, ein enger Mitarbeiter des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjs, hatte es erstmals vor wenigen Tagen verwendet, um Russland einen Genozid durch das gezielt ausgelöste Erfrieren der Bevölkerung vorzuwerfen.
Anspielung auf Stalins Hungermord in der Ukraine
Das Wort spielt auf den „Holodomor“ („Tod durch Hunger“) an, den bewusst herbeigeführten Völkermord in der Ukraine unter Stalin. „Von einem Cholodomor, einem Genozid durch gezieltes Erfrieren lassen der Ukrainer, würde ich derzeit aber noch nicht sprechen“, sagt der Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck. „Doch es braucht nicht mehr viel, bis wir dort angelangt sind“, so der Experte im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Dass er noch nicht von einem Cholodomor spricht, begründet er mit den noch fehlenden Zahlen zu Opfern. Anders als bei der künstlich erzeugten Hungersnot in den 1930er Jahren mit Millionen Toten seien die Konsequenzen der russischen Angriffe noch nicht vollständig zu erkennen.
Klar sei aber, dass es die Ukraine „mit einer Serie von schwersten Kriegsverbrechen“ durch Russland zu tun habe. Nach Angaben des ukrainischen Stromnetzbetreibers Ukrenergo gab es auch am Montag ein großes Stromdefizit.
Bei drei russischen Angriffen in den vergangenen Tagen sei das Stromnetz so stark beschädigt worden, dass die Wärmekraftwerke nicht vollständig ans Netz gehen können.
Russlands Kalkül geht nicht auf
„Aufgrund der Komplexität des Schadens dauert die Arbeiten länger und werden durch schlechtes Wetter, böigen Wind und Schnee, erschwert.“ Die russische Bombardierung ziviler Infrastruktur verfolgt mehrere Zwecke, sagt Experte Mangott. „Der erste Zweck ist, die Bevölkerung im Dunkeln zu lassen, erfrieren zu lassen, ohne Zugang zu Wasser.“
Putin wolle damit die Kriegsmüdigkeit stärken und den Widerstand der ukrainischen Bevölkerung brechen. „Russlands Kalkül, die Widerstandskraft der ukrainischen Bevölkerung zu schwächen, geht aber nicht auf“, beobachtet der Experte.
Ein weiteres Ziel sei, die ukrainische Wirtschaft weiter zu schwächen und eine Flüchtlingswelle auszulösen, die Europa destabilisiere und von einer weiteren Unterstützung der Ukraine abhalte. Doch die Flüchtlingszahlen aus der Ukraine steigen laut Mangott nicht.
Allerdings habe Putin erreicht, die ukrainische Wirtschaft massiv zu schwächen. Schon jetzt zeichne sich ein BIP-Einbruch von 40 Prozent ab. Die Ukraine ist in hohem Maße auf westliche Hilfe angewiesen.
Bundesregierung stellt zusätzliche Hilfen in Aussicht
Die Bundesregierung hat nun zusätzliche Unterstützung in Aussicht gestellt. An diesem Dienstag will Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) an einer internationalen Ukraine-Konferenz in Paris teilnehmen. Dort sollen weitere Hilfsleistungen für die Ukraine verkündet werden.
Im Fokus der Konferenz stehen kurzfristige Maßnahmen, um die Strom- und Wasserversorgung nach den russischen Angriffen schnell wiederherzustellen.