Die AfD kann vor lauter Kraft kaum laufen. In dieser Stimmung kommen die Rechten zum Parteitag zusammen. Nach ganz vorne strebt Maximilian Krah, ein Polarisierer. Endet das Treffen im Streit?
„Wir sind rechts“AfD-Europaabgeordneter Maximilian Krah provoziert vor Parteitag
In den vergangenen Wochen konnte sich die AfD-Führungsspitze entspannt zurücklehnen. Alles lief für sie. Erst die kommunalen Wahlerfolge in Thüringen und Sachsen-Anhalt, dann das selbstzerstörerische Mäandern von CDU-Chef Friedrich Merz. Der Höhenflug in den Umfragen überdeckte die nach wie vor bestehenden tiefen inhaltlichen Gräben in der Partei.
Nur manchmal traten sie noch zutage: Während Parteichefin Alice Weidel in Richtung CDU betont: „Die AfD bleibt auf jeden Fall weiter bereit für eine Zusammenarbeit mit allen Parlamentsparteien“, fordert der sächsische Europaabgeordnete Maximilian Krah eine „Brandmauer gegen die CDU“, die AfD müsse auf „ihre Implosion setzen“.
Maximilian Krah: AfD soll sich stolz als „rechts“ bezeichnen
Krah ist in diesen Tagen auf allen Kanälen präsent. Und was das Dresdner Ex-CDU-Mitglied schreibt, provoziert nicht nur seine früheren Parteifreunde, sondern regelmäßig auch Teile seiner eigenen Partei. Die AfD solle sich stolz als „rechts“ bezeichnen und die Begriffe „konservativ“ und „bürgerlich“ dem „schwarz-grünen Mainstream“ überlassen: „Wir sollten ein schönes Feuerchen anzünden und sagen: Wir sind rechts.“
So redet der 46-Jährige im Videopodcast mit seinen wichtigsten politischen Förderern: dem neurechten Influencer-Ehepaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza vom „Institut für Staatspolitik“ (IfS) in Schnellroda, vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft.
In ihrem Antaios-Verlag hat er ein Buch herausgebracht, „Politik von rechts“ heißt es und wird im Doppelpack mit „Regime Change von rechts“ des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner vermarktet. Wer sich an das IfS bindet, darf keine Berührungsängste haben. Und Krah ist ohnehin niemand, der zimperlich wäre.
Die Ambition des Dresdner Juristen: die AfD in den nächsten Europawahlkampf zu führen. Am Wochenende trifft sich die Partei zur Aufstellungsversammlung in Magdeburg. Und wie immer, wenn es um Listenplätze, Mandate und damit verbundenes Geld geht, brechen die alten Risse wieder auf.
AfD-Europaabgeordneter Krah: „Deutschnationaler Baldwin“
Die „Zeit“ bezeichnete Krah kürzlich als „wohlgenährte deutschnationale Version von Alec Baldwin“, andere sehen in ihm eher einen Nicolas Cage mit Hamsterbacken. Festzuhalten bleibt: Die AfD hat sonst kaum Personal, das irgendjemand mit Hollywood vergleichen würde – außer Eiskönigin Weidel. Krah fällt auf mit seinen Anzügen mit Einstecktuch, seinem Studium an New Yorks Columbia University, seinem fundamentalen Katholizismus, seinem fast vollständig abtrainierten Sächsisch. Aber manchmal fällt er eben auch aus der Rolle.
Viele schütteln den Kopf über seine Tiktok-Videos, in denen sich der siebenfache Vater an Heranwachsende ranwanzt: „Guck keine Pornos. Geh raus an die frische Luft. Echte Männer sind rechts. Dann klappt’s auch mit der Freundin.“ Für Krah ist das Strategie: „Wir müssen bei den Erstwählern zugreifen, da haben wir Nachholbedarf durch die linken Schulen“, sagt er in Schnellroda.
Als Stratege verkauft sich Krah ohnehin gern, auch in eigener Sache. Der katholische Konservatismus im erzunionsgeprägten Hause Krah (seine Mutter war Sonderschulpädagogin, sein Vater Referent im sächsischen Innenministerium) hat keine Anknüpfungspunkte mit völkischen Neurechten wie Kubitschek und dem rechtsextremen Fraktionsvorsitzenden der Thüringer AfD, Björn Höcke. Mit deren deutschnationaler Waldromantik kann Krah nichts anfangen. Seine Fixpunkte sind nicht Kyffhäuser und Wartburg, sondern Rom, Moskau und Peking.
Dennoch ist er der Kandidat der Völkischen, er passt zu ihrer national-sozialen Linie, ihren antiliberal und antisemitisch widerhallenden Angriffen auf „internationales Kapital“ und „Globalisten“. Krah kokettiert zudem auch mit linken und postmodernen Versatzstücken. Das macht ihn zum Feind der verbliebenen Transatlantiker in der Partei.
Seit Monaten reißen daher die Gerüchte über Krah nicht ab. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie ihm in Magdeburg die Kür vermiesen. Es geht um seine Nähe zum chinesischen Regime – und um mögliche Mauscheleien in Brüssel.
Maximilian Krah: Ein China-Freund
Krah fällt schon seit Jahren mit besonders chinafreundlichen Positionen auf. Selbst enge Weggefährten wundern sich über zwei Glückwunschvideos zum 70. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas und zum 70. Jahrestag der chinesischen Besetzung Tibets. „Sie feiern jetzt 70 Jahre autonome Region Tibet, ich finde, Sie haben allen Grund dazu, stolz auf das zu sein, was Sie erreicht haben“, sagt Krah dort.
Das sei „wahrscheinlich nicht ideal“ gewesen, sagte er bei einer Podiumsdiskussion. Er verfüge aber über „null geschäftliche Beziehungen mit China“. Immerhin aber gibt es in seinem Umfeld in der Heimat Dresden ein chinesisches Beziehungsgeflecht: Der Krah-Vertraute Torsten Voß sitzt im Vorstand eines Vereins „Neue Seidenstraße e.?V.“.
Voß versucht seit 2019, eine Städtepartnerschaft und Investitionen aus China für das sächsische Pirna zu organisieren, und agiert dabei vermutlich in chinesischem Auftrag; Krah begleitete die Delegation Pirnas in China und besuchte zu diesem Anlass auch Staatsfirmen wie Huawei und Chinapetrol. Er besteht darauf, die Flüge nach China und zurück selbst bezahlt zu haben. Aus der Pirna-Partnerschaft wurde bis heute nichts.
Vorwürfe gegen Maximilian Krah aus der AfD: Showdown auf Parteitag
Der zweite Fall ist konkreter: Seit Februar ist Krahs Mitgliedschaft in der rechten ID-Fraktion im EU-Parlament suspendiert. Ebenso lange laufen Ermittlungen wegen des Vorwurfs, dass Krah die Vergabe eines PR-Auftrags der Fraktion manipuliert haben soll. Drei AfD-nahe Agenturen haben wortgleiche Angebote (einschließlich identischer Schreibfehler) eingereicht.
Den niedrigsten Preis bot ausgerechnet die Agentur Polifakt, die auch Krahs Dresdner Oberbürgermeister-Wahlkampf 2022 betreute (er scheiterte mit 12,2 Prozent). Polifakt-Chef Josef Konrad und Krah betonen, dass alle offenen Dresdner Rechnungen beglichen seien. Krahs innerparteiliche Gegner wollen anderes gehört haben.
In Magdeburg treffen Krah und seine Gegner nun aufeinander. Der Parteitag gliedert sich in einen regulären Bundesparteitag am Freitag und eine Europawahlversammlung am Samstag und Sonntag sowie am kommenden Wochenende. Doch auch die wichtigste Entscheidung des Parteitags am Freitag steht im Zeichen der Europawahl: In Tagesordnungspunkt elf wird über den Beitritt der AfD zur europäischen Partei Identität und Demokratie (ID) abgestimmt werden. Die AfD ist bereits Teil der ID-Fraktion im EU-Parlament. Anders als etwa der französische Rassemblement National (RN), die österreichische FPÖ oder die italienische Lega ist sie bislang jedoch kein Mitglied der zugehörigen Partei. Der AfD-Bundesvorstand will das nun ändern.
„Die AfD braucht große und verlässliche Verbündete in Europa“, sagt Weidel dem RND. Sie nennt FPÖ und RN, „die eine reale Chance haben, in ihren Ländern in Regierungsverantwortung zu kommen – und weniger kleine, radikale Parteien aus Mittel- und Osteuropa. Daher sollten wir dringend der ID-Partei beitreten.“ Durch einen Beitritt der AfD hätte die ID-Partei künftig Anspruch auf mehr Finanzmittel aus dem EU-Haushalt.
Eine Zustimmung des Parteitags zum Beitritt gilt zwar als wahrscheinlich, gegen den Schritt gibt es jedoch auch Widerstand. In der Begründung eines Gegenantrags dazu heißt es, EU-Parteien seien grundsätzlich ein „Mittel, um den Zentralstaat EU zu verwirklichen“. Ein Beitritt zur ID-Partei sei „mit unserer AfD-Forderung nach einem Europa der Vaterländer unvereinbar“.
Krah stellt sich dem ID-Beitritt zwar nicht in den Weg, pflegt aber wie auch andere ostdeutsche AfD-Abgeordnete Kontakte zum Beispiel zur rechtsextremen polnischen Konfederacja-Partei und anderen „kleinen, radikalen Parteien aus Mittel- und Osteuropa“, vor denen Weidel warnt.
In der für vier Tage angesetzten Europawahlversammlung sollen nicht nur die Kandidaten für die EU-Wahl bestimmt, sondern auch das neue Europawahlprogramm der AfD beschlossen werden.
Die EU „geordnet auflösen“?
Der Leitantrag des AfD-Bundesvorstands zeichnet ein bekanntes Bild der Partei von Europa. Ihr Ziel: ein „Europa der Vaterländer“. Die EU will die AfD demnach geordnet auflösen und durch eine „neue europäische Wirtschafts- und Interessensgemeinschaft“ ersetzen – oder auch nicht. Zumindest die Forderung des „geordneten Auflösens“ will der Parteivorstand in einem Änderungsantrag gleich wieder streichen lassen – bei der Präambelerstellung sei ein „redaktionelles Versehen“ passiert.
Viel weiter reichende Änderungen an der Präambel des Wahlprogramms will eine Gruppe aus sieben AfD-Landesvorsitzenden, darunter auch der Thüringer Björn Höcke, vornehmen: Sie fordern darin unter anderem eine Abkehr von der Nato. „Zeitenwende muss bedeuten, dass die Staaten Europas die Verantwortung für ihre Sicherheit endlich selbst in die Hand nehmen – statt unter den vermeintlichen Schutzschirm eines fernen und eigennützigen Hegemons zu flüchten“, heißt es darin.
Die unkonkrete Formulierung stammt erkennbar aus dem besonders in Ostdeutschland dominierenden „Ami go home“-Lager der Partei, ist aber auch bei westdeutschen Landesverbänden anschlussfähig. Es gehe schließlich um „neue Sicherheitsmodelle für die Zukunft“, sagt Krah dem RND. „Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine solchen Modelle, sodass die Nato alternativlos ist.“
Und Weidel warnt: „Ein überhasteter Austritt aus der Nato ist für Deutschland kein realistisches und vernunftgeleitetes Szenario. Dennoch bedarf es einer eigenen selbstbewussten europäischen Sicherheitsarchitektur, denn die Nato hat sich leider zu einem Sicherheitsrisiko entwickelt.“
Der Streit der unterschiedlichen Strömungen in der Partei wird sich so hauptsächlich auf die Personalie Krah verlagern. Sollte der scheitern oder in letzter Minute vor der Konfrontation in Magdeburg zurückschrecken, stünde ein Überraschungskandidat bereit: Nach RND-Informationen würde es dann auf René Aust, einen 41-jährigen Abgeordneten des Thüringer Landtags, hinauslaufen. Er polarisiert längst nicht so wie Krah, aber eines ist auch er: ein Vertrauter von Björn Höcke.