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Migration, Geld, DeutschlandticketWorüber die Ministerpräsidenten und Scholz verhandeln werden

Lesezeit 4 Minuten
Stephan Weil (l., SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Hendrik Wüst (r., CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, äußern sich bei einer Pressekonferenz. Am Montag findet erneut die Ministerpräsidenten-Konferenz (MPK) statt.

Stephan Weil (l., SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Hendrik Wüst (r., CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, äußern sich bei einer Pressekonferenz. Am Montag findet erneut die Ministerpräsidenten-Konferenz (MPK) statt.

Auch ein Vorschlag von NRW‑Minister­präsident Hendrik Wüst zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten wird diskutiert.

Es werden lange, mühselige Verhandlungen zwischen Bund und Ländern werden. Darüber immerhin sind sich alle einig. Denn die Differenzen sind groß. Als strittigster Punkt gilt die Finanzierung der Flüchtlings­versorgung. Hier eine Übersicht über die Themen für die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), die am Montag im Kanzleramt aufgerufen werden sollen:

Begrenzung von Migration

Die Zuzugszahlen von Flüchtlingen nach Deutschland haben wieder Rekordhöhe erreicht. Die Zahlen müssen runter, die „irreguläre Migration“ begrenzt werden, mahnen Ministerpräsidenten und Scholz gleichermaßen. Aber wie?

Nach dem Willen des Bundes und der Länder sollen schnellere Asylverfahren für Staatsangehörige, bei denen die Anerkennungsquote weniger als 5 Prozent beträgt, zu mehr Abschiebungen führen. Das geht aus einem Beschlussvorschlag von Bund und Ländern hervor, der auf den 18. Oktober datiert ist und dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.

Innerhalb von drei Monaten sollen diese Ausreisepflichtigen Deutschland verlassen. Dafür braucht es mehr Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und den Verwaltungsgerichten. Zeitnah sollen Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern abgeschlossen werden. Vor einigen Wochen sprachen sich die Länderchefs zudem dafür aus, den Bau von Rückführungs­einrichtungen an Flughäfen zu prüfen.

Für Diskussion dürfte der Vorschlag von NRW‑Minister­präsident Hendrik Wüst (CDU) sorgen, Asylverfahren in afrikanische Drittstaaten auszulagern. Der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD) sprach sich dagegen aus. Strittig ist ebenso die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten: Für Moldau und Georgien läuft bereits ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren, die unionsgeführten Länder wollen aber deutlich mehr Länder auf die Liste setzen.

Sozialleistungen für Geflüchtete

Die Sozialleistungen für Geflüchtete sind ein weiteres, zentrales Thema. Bund und Länder sind zwar laut Beschlussentwurf offen für die Einführung von Bezahlkarten, sehen aber jeweils den anderen am Zug. Hintergrund ist, dass die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen durch die Kommunen bereits möglich ist, allerdings wegen des bürokratischen Aufwands kaum umgesetzt wird.

Der Bund sieht wegen der gesetzlichen Möglichkeit jedoch keinen Handlungsbedarf. Der MPK‑Vorsitzende und hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) pocht ferner auf die Angleichung von Sozialleistungen im europäischen Vergleich und verspricht sich davon die Senkung von Einwanderungsanreizen. Allerdings hat das Bundes­verfassungsgericht bisher die Senkung von Sozialleistungen verhindert.

Bund und Länder wollen, dass Geflüchtete schneller in Arbeit kommen. Das Ampelvorhaben, Arbeitsverbote abzubauen, gilt nach RND-Informationen auch in einigen unionsgeführten Ländern als Schritt in die richtige Richtung. Zudem soll Geflüchteten nach Zuweisung an die Kommunen eine Arbeit zugewiesen werden. Das erinnert an die Debatte um die Jobpflicht. Strittig ist, ob das nur für Menschen mit Bleibeperspektive gelten sollte.

Mehr Geld für die Flüchtlingsversorgung

Eines der Hauptziele der Länder ist, den Bund zur höheren finanziellen Unterstützung zu verpflichten. Sie vertreten den Standpunkt: Wer die Begrenzung der Migration in der Hand hat, muss auch für steigende Zahlen aufkommen. Scholz zeigte bereits Sympathien für die Forderung der Länder, ein dauerhaftes Finanzierungssystem einzuführen. Der SPD-Politiker schlug einen „atmenden Deckel“ vor, der eine Pauschale pro Flüchtling bedeutet. Derzeit wird die Unterstützung per Jahrespauschalen abgegolten.

Allerdings ist die Höhe dieser Pro-Kopf-Zahlung strittig: Die Länder dringen auf mindestens 10.500 Euro pro Jahr und pro Kopf, der Bund will 5000 Euro zahlen. Darüber hinaus verlangen die Länder eine weitere Flüchtlingspauschale und eine Komplettübernahme der Unterbringungs­kosten. Der Bund will kein weiteres Geld zur Verfügung stellen.

Schnelleres Bauen und Planen

Der Kanzler will ferner mit den Ländern einen Pakt für Planungsbeschleunigung beschließen, ein weiteres Thema mit Diskussionspotenzial. Vor zwei Monaten hatte Scholz im Bundestag dafür einen Schulterschluss – den Deutschland-Pakt – angeboten. Nun soll Bewegung reinkommen: So streben die Regierungschefs laut Beschlussentwurf an, Prüfschritte in Genehmigungsverfahren zu streichen, zu standardisieren und zu digitalisieren.

Bund und Länder sehen dies auch als Hebel, um den Bau von Flüchtlings­unterkünften zu beschleunigen. Die Bundesregierung will dem Papier zufolge eine Sonderregel einführen, damit von geltendem Baurecht abgewichen werden darf. Geplant ist weiter die Einführung einer „Stichtagsregel“, wie es im Beschlussentwurf heißt, wonach ab einem bestimmten Datum keine Klagen mehr gegen Projekte möglich sind.

Deutschlandticket

Das Deutschlandticket existiert seit sieben Monaten, doch schon steht die Finanzierung des vergünstigten Tarifs auf der Kippe. So hatten sich die Ministerpräsidenten und der Kanzler darauf geeinigt, jeweils 1,5 Milliar­den Euro pro Jahr für die Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Das Problem: Verkehrsverbände warnen, dass die Mittel nicht ausreichen werden. Eine Nachschusspflicht für etwaige Mehrkosten vereinbarten Bund und Länder nur für 2023.

Für das kommende Jahr will der Bund die Mehrkosten nicht tragen, während sich die Länder bereits dazu bereit erklärt haben. Falls die Regierungschefinnen und ‑chefs am Montag keinen Kompromiss erzielen, droht der Ticketpreis zu steigen oder das Ticket ist „Geschichte“, wie es in den Länderkreisen warnend heißt. Der Bund weist allerdings darauf hin, dass immer von einem „Einstiegspreis“ von 49 Euro pro Monat gesprochen worden und eine Erhöhung mit der Zeit normal sei.